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Rastatt

  • Auen an Rhein und Murg

    Auen an Rhein und Murg

     

     

  • Auwälder an Rhein und Murg

    Ausflug nach Rastatt

     

    Rheinauen 1 400Heute besuchen wir Rastatt, die Barockstadt des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden.
     
  • Bundesfestung Rastatt

     
    Plan der Festung aus dem Jahr 1849

    via Wikipedia Commons

  • Carl Julius Späth

    Carl Julius Späth

    geb. 12. April 1838 in Steinmauern, † 2. April 1919 in Steinmauern

    war Weber und Uhrmacher, verschroben, genial, Erbauer einer einzigartigen astronomischen Uhr.

    Carl war das erste Kind eines Flachs- und Hanfwebers.
    Die Eltern kamen aus Ottenau, da wo die wilde Murg endet und fanden in Steinmauern (1) ihr neues Zuhause.

    Als er sechs Jahre alt wurde, half er zum ersten Mal seinem Vater am Webstuhl. Von nun an war Weben seine tägliche Arbeit.
    Außer am Sonntag. Da gingen (fast) alle in die neugebaute Kirche und danach trafen sich die Männer im „Schiff“ oder in den Flößer-Wirtschaften „Anker“ und „Sonne“.

    Carl ging zur Schule, arbeitete am Webstuhl, suchte Gold im Rhein, verliebte sich, schnitt Gras für die eigenen Kaninchen und für die Ziege auf den besitzlosen Inseln des Rheins, fing Fische und Krebse und sammelte Weinbergschnecken für die Franzosen. (2)

    Im Revolutionsjahr 1848 flogen Kanonenkugeln über das Dorf.
    Er bestand seine Gesellenprüfung und lernte von seinem Vater nicht nur das Weben, sondern auch vieles über das Uhrmacherhandwerk.
    Carls Vater hatte bereits einen „Zahnstuhl“, eine Drehbank, mit der er Zahnräder herstellen konnte.

    Mit 21 Jahren wird Carl zum Militär einberufen. Er absolviert die Grundausbildung und dient als Bursche bei einem Major in Mannheim.
    Nach dem Militärdienst, zurück in Steinmauern, verlässt er das Elternhaus, geht nach Plittersdorf, kehrt nach Steinmauern zurück, übernimmt nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt und heiratet seine Theresa.

    Die Weber bekamen immer weniger Aufträge. Die Webmaschinen in den Fabriken machten ihnen Konkurrenz.

    Carl baute seine erste Uhr. Eine Pendeluhr - von den Zahnrädern bis zur Mechanik des geschnitzten „Mittagshahns“, vom gemalten Uhrenschild bis zu den Zeigern – sein Werk.
    Er reparierte Uhren, aber davon konnte die vierköpfige Familie nicht leben.

    Er plante eine Uhr mit Uhr-, Schlag- und Spielwerk. In einem Jahr sollte sie fertig sein.
    Was seine Dorfnachbarn nicht erwarteten - und viele ihm auch nicht wünschten - geschah. Carl baute und verkaufte diese Uhr.

    Seine nächste Uhr sollte noch komplexer werden. Tagsüber schloss er sich in seine Werkstatt ein, nachts ging er zur Murg.

    Deutschland wurde Kaiserreich. Carl vermaß den Planetenlauf und die Positionen der Fixsterne.

    Keines seiner Kinder durfte in die Werkstatt, keinem brachte er ein Handwerk bei.  Sein ältester Sohn ging in die Schweiz. Theresa hatte inzwischen sieben Kinder geboren.

    Carl verkauft seine neueste Uhr an den Berliner Hof, der Kaiser hat Carls Pläne für seine große astronomische Uhr, die der bauen will, in den höchsten Tönen gelobt und lässt ihm dafür 300 Mark zukommen.
    Die finanzielle Situation der Familie verbessert sich, Familie Späth kauft Grundstücke für ihre Kinder.

    Eine große astronomische Uhr, wie die in Straßburg will er bauen. (3)

    Er schuf sich Feinde bei seinen seltenen Wirtshausbesuchen. Dort prahlte er, dass der Kaiser seine Uhren verstünde, aber nicht die Dörfler aus Steinmaurern.
    Er bedrohte den Jungendfreund seiner Frau. Im Wirtshaus schrie er ihn an und drohte, ihn zu erschießen, falls er noch einmal einen Fuß über seine Schwelle setzen sollte.
    Carl wurde krankhaft eifersüchtig und Theresa und ihre Kinder hatten darunter zu leiden.
    Er begann Briefe zu schreiben. Briefe, die ihm schaden sollten.

    Ein seriöses Angebot zukünftig in Mainz seine Uhren zu bauen lehnt er ab.
    Er will in seinem Dorf bleiben.

    Aber seine Frau Theresa verklagt er, „wegen Prostitution“, nach zwanzig Ehejahren.
    Theresa wehrt sich, auch mit falschen Behauptungen und erreicht, dass ihr Mann entmündigt wird.
    Carl wird aufgrund Theresas Aussagen verhaftet, landet im Heidelberger Gefängnis und wird erst mal mit einer doppelten Bromidlösung ruhiggestellt.
    Er wird „....als Querulant. Streitsüchtig, aber nicht gefährlich“ eingestuft (4) und nach Illenau verlegt. (5)

    An seine Theresa schreibt er, wie gut es ihm hier gehe. Theresa schildert ihm die Lage der Familie. Sie müssten alle betteln und auch noch die Kosten seiner Haft bezahlen.

    Carl kommt nach Hause.

    Von vielen Menschen seines Heimatdorfes wurde er nicht mit offenen Armen empfangen. Einige hatten sogar gegen seine Entlassung interveniert.
    Carls Familie hatte viele Schulden, auch beim Metzger.
    Der Pfarrer ließ ihn nicht in die Kirche.

    Das Unglück seiner Feinde war sein Glück.

    Das Haus des Metzgers wurde versteigert und der Pfarrer zwangsversetzt.

    Im Mai 1898 vollendete Carl seine große astronomische Uhr. (6)

     

     

     

    Die vielen Besucher, die diesen Tempel der Zeit sehen wollten und nach Steinmauern kamen, machten Meister Späth bekannt und wohlhabend.

    Theresa und ihr Jugendfreund erlebten diese Zeit nicht mehr.
    Carl selbst wurde 80 Jahre alt.

    Seine Uhr, die sich heute im Stadtmuseum in Rastatt befindet ist schon vor langer Zeit stehengeblieben.
    Es fehlt ein genialer Uhrmacher.

    Willi Andreas Weishaupt 2015
    © Baden-GEO-Touren

    1)    In Steinmauern (= schützende Mauern gegen das Hochwasser) mündete die Murg in den Rhein. Das Flößerdorf war ein Waren-Umschlagplatz. Hier wurde das begehrte Holz des Schwarzwalds zu Flößen zusammengestellt und rheinabwärts nach Rotterdam transportiert.
    Und auf den Flößen fuhren die Schwarzwälder mit ihren Träumen den Rhein hinunter. Nach Amerika.

    (2)        Wilderei war verboten, die Wilderer wurden erschossen, oft grausam hingerichtet.
        Fischerei war streng reglementiert.
    Es gab „Herrenfische“ (Lachs, Stör, Karpfen und Wels), die das „niedere Volk“ nicht essen durfte. Vom Fang der erlaubten Fische konnte die jeweilige Herrschaft  noch ein Drittel  bis zur Hälfte für sich einfordern.

    (3)    Die astronomische Uhr im Straßburger Münster wird Carl gründlichst studieren. 1842 hatte sie Schwilgué wieder in Stand gesetzt und erweitert. Sie stellt u.a. Erd- und Mondbahn, die Bahnen der Planeten bis zum Saturn und die Präzession der Erde dar.

        Carls große astronomische Uhr sollte noch mehr Funktionen beinhalten. Den Sternenhimmel über Steinmauern wollte er an den Beobachtern vorbeiziehen lassen. Kalenderräder sollten die beweglichen Feiertage der nächsten 4.000 Jahre anzeigen. Wie bei vielen Uhren dieser Zeit traten bewegte Figuren wie der „Mittagshahn“, der „Posaunenengel“ oder der Tod, auf.

    (4)    Querulanten waren im 19.Jahrhundert per Gesetz geisteskrank.
    Der Direktor der „Staatsirrenanstalt Zwiefalten“ schrieb in seinem 1889 erschienen „Leitfaden der Psychiatrie“:
        „...wer an Querulantenwahnsinn leidet, der prozessiert unter allen Umständen, wenn er irgend kann, er verfolgt sein verbrieftes Recht......mit Fanatismus... und zwar scheinbar, namentlich im Anfang, oft gar nicht in unvernünftiger Weise...Der Irre nimmt sich in fanatischer Weise des Rechts an....und er leidet an einem trotzigen Mangel für das wahrhaftige Gefühl des Unrechts, welches der Querulant anderen gegenüber begeht......
        Jeder richtige Querulant ist hochgradig lästig, fast jeder mehr oder weniger gefährlich. Die Unterbringung solcher Kranker in einer Anstalt ist deshalb in den meisten Fällen nicht zu umgehen.“

    (5)    Die „Illenau“ (bei Achern) war eine seit 1842 existierende Heil- und Pflegeanstalt.

     

     

     

    C.F.W. Roller („Die Irrenanstalt in all ihren Beziehungen“, 1831) war ihr Wegbereiter und erster Leiter. Das Projekt war getragen von den Ideen des 19. Jahrhunderts.
    Konzipiert wie ein Barockschloss thronte in der Mitte das Haupt- und Verwaltungsgebäude, im rechten Flügel waren die Männer im linken die Frauen untergebracht.

    Der damalige Leiter, Prof. Heinrich Schüle, förderte Carl.
    Der reparierte die Uhren der Anstalt, bekam ab und zu Freigang (um Dokumente zu holen, oder nach Straßburg zu fahren) und konnte an seinen Plänen für seine große Uhr weiterarbeiten.

    Diese Oase bestand fast 100 Jahre lang.
    Im Winter 1940 wurden alle PatientInnen nach Schloss Grafeneck transportiert und dort ermordet (T4).

    (6)    Eine zentrale Bandfeder und fünf Federhäuser trieben Carls mechanisches Universum an. Das zentrale Kalenderrad mit der Darstellung aller Zeiten dieser Welt, das Sonnenrad (1Umdrehung/24h), das Sternenrad mit den Tierkreiszeichen (1Umdrehung/Jahr), sein geniales Osterwerk, das u.a. die beweglichen Feiertage berechnete und die große Glaskugel, die den Nachthimmel mit den Wandel- und Fixsternen im Laufe des Jahres in nie gekannter Ausführung zeigte, koppelte er mit seinen animierten Figuren.

        Ein brüllender Löwe, ein fauchender Stier, ein flügelschlagender Adler und ein trompetender Engel symbolisierten die Apostel.
        Jeder Stundenzyklus begann mit dem Säugling und endete mit dem Greis.
        Jede Stunde krähte der Hahn. Bei jedem Viertelschlag kam der Tod.

    Ohne die finanzielle Unterstützung seines Gönners Schwab, eines Uhrmachers aus Baden und ohne A. Gehrig aus Karlsruhe, der das komplexe Gehäuse herstellte, hätte Carl sein Projekt nicht realisieren können.

     

    (7)    Beschreibung der astronomischen Uhr

    „Ich lasse die Uhr selbst sprechen“.

     Stund’ Minute und Sekunde,
    Gibt mein Zeigerlauf dir kund,
    Stundenschluss und Teilung kündet,
    Treulich dir mein eh’rner Mund.

    Aus den Tagen werden Wochen,
    Wachsen Monde, Jahre an,
    Dass ihr Lauf dir lehrreich werde,
    zeig ich stets dies alles an.

    Alle Teile meines Werkes,
    Sind gebaut zu grösster Zier,
    Was des Meisters Hand vermochte,
    Opfert’ Fleiss und Liebe mir!

    Im lebendigen Bilde zeige,
    Ich dir auch der Sterne Bahn,
    Stell sie bei den Sternenbildern,
    Nur an richt’ger Stelle an.

    Dich an Gottes allmacht mahnend,
    Zeig ich dir der Sterne Lauf,
    Führ’ des Mondes gol’ne Scheibe,
    Wechselnd, kreisend, ab und auf.

    Ihn sogar zur Sichel formend,
    Immer wechselnd gross und klein,
    Sonn- und Mondes- Finsternisse,
    Alles stell ich richtig ein.

    Lass die Bilder der Planeten,
    Kreisend ihre Bahnen geh’n,
    Magst am Kleinen hier du lernen,
    Deines Gottes Allmacht seh’n.

    Den Kalender mit den Festen,
    Stellt mein Werk für jedes Jahr,
    Osterfest und alles andere,
    Selbst für hunderte von Jahr!

    Gold’ne Zahl und die Epakten,
    Geb für jedes Jahr ich an,
    Sonntagsbuchstab, Sonnenzirkel,
    Römerzinszahl zeigt mein Plan.

    Alles dieses rech’n ich selber,
    Dir zulieb im Werke aus,
    Wie des Meisters Hand mich lehrte,
    Jeden Fehler schliess ich aus.

    Ob gewöhnlich’s oder Schaltjahr,
    zeig ich gleichfalls immer an,
    Jahreszeit und Tierkreisstellung
    Künde ich in Bilder an.

    Jahreszahl und Jahrsregente,
    Fehlen meiner Kunde nie,
    Und in Bildern zeig’ noch vieles
    Ich dir gerne spät und früh.

    Einen Engel mit Posaune,
    siehst du ganz rechts oben stehn,
    Kannst ihn auch beim Stundenschlag
    Die Posaune blasen sehn.

    Auch ein Kapuziner läutet
    Dreimal „Ave“ jeden Tag,
    Und mittags vor 12 Uhr „warnend“
    Kräht mein Hahn mit Flügelschlag.

    Dreimal lässt den Ruf er hören,
    Tönt sein schrilles „Kikeriki“,
    Dann wieder beim Erscheinen Petri
    „Zweimal“-er vergisst es nie!

    In der mittleren Säulennische,
    stell das Bild des „Herrn“ ich ein,
    Auf des Himmels Wolken kommend,
    Wird der „Herr“ einst Richter sein.

    Wird der Wunden Male zeigen,
    Hält entrollt des Lebens Buch,
    Das zum ew’gen Heil dem Guten,
    Und dem Bösen wird zum Fluch!

    Mag auch dir dann wahres „Alpha“
    Und „Omega“ er nur sein,
    Dass auch du dich seiner Gnade
    Der Erlösung magst erfreun!

    Mittags kannst du nach dem Schlage,
    Der Apostel Bilder seh’n,
    Ehrfurchtsvoll das Haupt verneigend
    Am Bild des „Herrn“ vorübergehn.

    Oben, unter Daches Mitte,
    Zeigt ein Bild die Jahreszeit,
    Der Evangelisten Bilder
    Stell dir ein Relief bereit.

    Sankt Matthäus wird im Bilde,
    Stets ein Engel beigesellt,
    Und ein Löwe ist mit Flügeln,
    Zu Sankt Markus Bild gestellt.

    Die Menschwerdung Christi lesen,
    Wir in Sankt Matthäi Schrift,
    dass den „Herrn“ als reinsten Menschen,
    Keines Makels Vorwurf trifft.
    Als Symbol des Königtumes,
    Gilt der Löwe nah und fern,
    Und als ewigen König schildert
    Uns Sankt Markus „Gott den Herrn“.

    Einen Stier mit Flügeln hat man,
    bei Sankt Lukas aufgestellt,
    Und zu Sankt Johannes Bild ist,
    Eines Adlers Bild gesellt.

    Als ein Sinnbild grössten Opfers,
    Galt der Stier im alten Bund,
    Grössten Opfers ewigen Priester,
    nennt den Herrn Sankt Lukas Mund.

    Schärfsten Blick bei höchstem Fluge,
    Gab der Schöpfer nur dem Aar,
    Darum gibt man Sankt Johannen,
    Ihn als Symbol immerdar.

    Wie des Adlers scharfes Auge,
    Bei der Schwingen höchstem Flug,
    Zeigen auch Johanni Schriften,
    Dass der Geist ihn höher trug.

    Reinsten Menschen, Opfer, König,
    Nennen Andre ihren „Herrn“,
    Sankt Johannes nennt in Ehrfurcht,
    „Gott“ ihn, aller Geister Herrn.

    Zeigt mein Bild im Frühling oben
    Tönt mittags des Kuckucks Ruf,
    Sommers preist der Schlag der Wachtel,
    Ihn, der einst das All erschuf.

    Zeigt mein Bild den Herbst im Plane,
    Flügelschwingend brüllt der Stier,
    Zähnefletschend brüllt der Löwe,
    Zeigt das Bild den Winter dir.

    Ein Engel kommt zur Viertelstunde,
    Mit dem Palmenzweige,
    Beim Viertelschlag der Sensenmann,
    Um schnell die Zeit zu zeigen.

    Mit dem Helm das Haupt bedecket,
    Einer Waage, Schwert und Schild,
    Mit dem Schwert die Viertel schlagend
    Zeig’ ich dir ein Engelbild.

    Jedesmal zur Viertelglocke
    Kommt ein Menschenalterbild,
    Eine Sanduhr stellt ein Engel,
    Wenn der Stunde Lauf erfüllt.
    Sinn und Deutung all’ der Bilder
    Zeigt die heilige Schrift dir an.
    Nur lebendiger Gottesglaube
    Steht dem wahren Christen an.

    Weitere Deutung meiner Bilder
    Überlass ich jedem gern!
    Mag mein Anblick dich erfreuen
    Und erbauen nah und fern.

        C.J. Späth, 1888


    Bildnachweis:

    Wikimedia Commons:
    - Karl Julius Späth, Rastatter Heimatmuseum, Fotografie: Martin Dürrschnabel
    - Astronomische Uhr, Stadtmuseum Rastatt
    - Illenau Gesamtansicht Nach einer Lithografie von J. Vollweider und C. Kiefer      Lithografische Anstalt L. Geissendörfer Carlsruhe - Reproduktion von Florian Hofmeister.


        Literatur:

        Gottfried Zurbrügg, Eine Uhr für die Ewigkeit, Casimir Katz Verlag, 2006
        Ein wunderbares Buch über Meister Späth

    Dr. J.L.A. Koch, Kurzgefaßter Leitfaden der Psychiatrie , Ravensburg, Verlag der Dorn’schen Buchhandlung, 1889.

  • Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg

    Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg

    Sybilla Augusta 200 1675, † 10.06.1733
    war Markgräfin von Baden-Baden.
    Sie war die Bauherrin von Schloß Ettlingen, bei Karlsruhe und Schloß Favorite.

    Sibylla wuchs zusammen mit ihrer älteren Schwester Anna Maria Franziska im Schloss Schlackenwerth in Nordböhmen auf. Als sie 6 Jahren alt war starb ihre Mutter.

    Unterrichtet wurde sie von Christian August von Sulzbach, einem toleranten Pfalzgrafen und Fürsten, der den Bewohnern das Recht gab ihren evangelischen oder katholischen Glauben frei auszuüben, und von Gräfin Werschowitz die später verdächtigt wurde Sybillas Vater vergiftet zu haben.

    Schon mit 13 Jahren beschrieb sie in ihren Aufzeichnungen "Vierfacher Handschrein: Unterschiedliche Kunst, Speiß, Confiture und Medicinal-Sachen"   Wege zur Farbenherstellung und detaillierte Anleitungen zur Herstellung ostasiatischer Lack-Arbeiten. Bald darauf verwaltete sie die väterliche Kunstsammlung.

    Der sehr wohlhabende Vater, Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg starb 1689 und hatte die Verheiratung seiner beiden Töchter testamentarisch Kaiser Leopold I. übertragen.

    Also konnte Leopold I. seinen beiden erfolgreichen Feldherren und Fürsten Ludwig Wilhelm und dessen Cousin Prinz Eugen von Savoyen eine vielversprechende Heirat in Aussicht stellen.

    Als Ludwig Wilhelm 1690 in Schlackenwerth eintraf, verliebte er sich nicht in die vom Kaiser gewählte ältere Schwester Anna Maria sondern in die jüngere, die 14-jährige Franziska Sibylla Augusta. Im gleichen Jahr heirateten die beiden und wohnten in dem neuerbauten Seitenflügelschloss von Schlackenwerth - dem Weißen Schloss.

    Ludwig Wilhelm war zu dieser Zeit ein berühmter Feldherr.

    Nach seinem Sieg über die Türken in Ungarn befehligte er die Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) und so hielt sich das Markgrafenehepaar häufig in Bayern auf, denn Sibylla begleitete ihren Mann bis ins Feldlager.

    Vier Kinder hatte sie am Ende dieses Krieges zur Welt gebracht, aber keines wurde älter als sechs Jahre.

    Als der Krieg zu Ende ging, begannen die beiden mit dem Wiederaufbau ihrer Markgrafschaft Baden.

    In Rastatt, ihrer neuen Residenzstadt, hatten sie Großes vor. Zuerst wurde eine Festung angelegt, dann fächerförmig die Stadt nach dem Schloss ausgerichtet.
    Das Schloss wurde als dreiflügelige Anlage ganz im Stil Ludwig XIV. konzipiert.
    Der Rohbau stand bereits 1702.

    Doch ein neuer Krieg war ausgebrochen, dessen Ende Ludwig Wilhelm nicht mehr erleben sollte. Er starb im Januar 1707 an einer Kriegsverletzung  in Rastatt. 
    Epitaph und Grab finden wir in der Stiftskirche in Baden-Baden. Sein Herz wurde im Kloster Lichtenthal aufbewahrt.

    Sibylla war jetzt Markgräfin von Baden-Baden, 32 Jahre alt, gebildet, eine selbstbewusste, diplomatisch überaus erfolgreiche Frau, reich, hatte zwei Söhne und eine Tochter - und sie hatte Träume. Einige davon verwirklichte sie, so z.B. Schloss Favorite, ihr Lust- und Porzellanschloss, die gesamte Gartengestaltung im Schloss Rastatt und den Ausbau von Schloss Ettlingen als Alterssitz.

    Sibylla war eine kluge und faszinierende Frau ihrer Zeit.

    Sie liebte Kunst, Musik und Tanz. Legendär waren ihre Maskenbälle. Ihre Lust an der Verkleidung zeigt sich in den „Kostümbilder“, die sich heute im Spiegelkabinett von Schloss Favorite befinden.

    Als selbstbewusste und gut vernetzte Markgräfin war sie einflussreich und trotzte dem Kaiser einen großen Teil seiner versprochenen Belohnungen für Ludwig Wilhelm ab.

    Aber sie war als Kind Böhmens auch sehr katholisch, erlebte früh die dortige Reliquienverehrung, die Wallfahrten und die ausgeprägte Marienverehrung.
    Später kam der Einfluss des Baden-Badener Jesuitenkollegs hinzu.

    1717 rief der Jesuit Joseph Mayr zu einer Bußprozession in Rastatt auf und vorneweg ging Sibylla, wie alle trug sie eine Dornenkrone und geißelte sich selbst.
    Auch soll sie die Verbrennung, mehrerer als zu „anzüglich“ eingestufte Gemälde ihrer Sammlung, veranlasst haben.

    Sie war oft im Benediktinerstift  Einsiedeln. Die dortige Gnadenkapelle ließ sie sowohl in Schlackenwerth als auch in Rastatt wiederauferstehen.
    Sybilla sah sich selbst als Leidensschwester von Maria Magdalena und ganz im Zeichen der Zeit als große Sünderin.

    1727 wurde ihr Sohn Ludwig Georg Simpert Markgraf und Sibylla zog sich nach Schloss Ettlingen zurück.

    Sie starb im Alter von 58 Jahren und wurde in der Schlosskirche Rastatt  beigesetzt.

    Franziska Sibylla Augusta von Baden

     

    Markgrafin Franziska Sibylla Augusta

     

     

  • Ludwig Wilhelm von Baden

    Ludwig Wilhelm von Baden

     

    Türkenlouis 240Geb. 8. April 1655 in Paris, † 4. Januar 1707 in Rastatt

    war Markgraf von Baden-Baden, Bauherr des Rastatter Schlosses, ein erfolgreicher Feldherr und genialer Stratege, ein glückloser Politiker.

     Ludwig Wilhelm war der einzige Nachkomme einer unglücklichen Ehe zwischen Ferdinand Maximilian von Baden-Baden (1625-1669) und der französischen Prinzessin Luise Christine von Savoyen-Carignan (1627-1689), die am Hofe des Sonnenkönigs lebten. Ludwig XIV. war Ludwig Wilhelms Taufpate.

    Da Luise sich weigerte Versailles zu verlassen, zogen Vater und der 6 Monate alte Ludwig allein nach Baden-Baden.
    Als der Vater nach einem Jagdunfall unerwartet stirbt, ist Ludwig 14 Jahre alt.

    Mit 15 unternimmt er seine Kavaliersreise, die ihn von Frankreich nach Italien, Mailand, Florenz und Rom führt. Er besucht Vorlesungen, trifft Papst Klemens X., besucht die Medici’s , kehrt als 19-jähriger zurück nach Baden-Baden und tritt in die kaiserliche Armee ein.

    Schnell macht er Karriere und wird dabei von seinem Onkel Hermann unterstützt, Hofkriegsratpräsident des Heiligen Römischen Reiches und von Raimondo Montecuccoli, einem bedeutenden Militärstrategen des 17. Jahrhunderts. Nach der Einnahme der Festung Philippsburg verleiht ihm der Kaiser ein Infanterieregiment.

    Mit 22 Jahren wird er Markgraf von Baden-Baden.

    Aber er ist selten zu Hause.

    Als die Franzosen 1689 seine Markgrafschaft verwüsteten und neben Baden-Baden mit seinem Ahnenschloss auch Städte wie Ettlingen, Rastatt, Bühl und Oberkirch (u.v.a.) in Rauch aufgehen, feiert er eine siegreiche Schlacht gegen die Türken.

    Ein Jahr später heiratet Ludwig Wilhelm die Prinzessin Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg.

    Nach dem Frieden von Nimwegen wird er Major und erlebt im großen Türkenkrieg in der Schlacht von Slankamen (bei Belgrad) 1691 seinen größten militärischen Sieg. Fortan wird er als „Erretter der Christenheit“ in ganz Europa gefeiert und erhält seinen Beinamen „Türkenlouis“.

    1693 übernimmt er das Kommando im Pfälzischen Erbfolgekrieg am Oberrhein, doch ohne die militärische Unterstützung des Kaisers ist sein Ziel “Frankreich in Frankreich zu bekämpfen“ nicht realisierbar.

    „Ohne Armee, ohne Geld, ohne Proviant, ohne alle übrigen Requisiten habe ich nicht Ursache, große Hoffnungen zu hegen“, schrieb er nach Wien.

    Als sich Ludwig Wilhelm beim Kaiser in seiner üblichen offenen Art über die mangelnde Unterstützung Wiens, noch immer hat er kein Reichsheer, beschwert, unterstellt der Kaiser dem Mann, der ihm Thron und Reich rettete, geheime Konspiration mit dem Feind.

    Leopold beauftragte darüber hinaus den Prinzen Eugen mit der Überwachung Ludwig Wilhelms. Als sein Vetter Ludwig Wilhelm „von allen Verleumdungen freispricht“, war dieser zwar offiziell rehabilitiert, aber schuf sich, da er weiterhin an den „Mönchen“, wie er die Geistlichen des Wiener Hofes nannte, Kritik übte, weitere Feinde.

    Schon 1695 hat er die Befestigungen von Sinsheim und Eppingen wiederherstellen lassen und formt mit den „Eppinger Linien“ den ersten „Westwall“.
    Weitere Befestigungen reichten von Kehl bis Phillipsburg, wobei besonders die Linie Bühl-Stollhofen in die Geschichte einging. Durch ein Schleusensystem konnte das flache Land unter Wasser gesetzt werden.

    1703 sollten sich diese Vorkehrungen bewähren. Die französischen Marschälle Villars und Tallard wollten „Le prince de Bade“ überrumpeln, scheiterten jedoch an den Befestigungen und dem uneinnehmbaren Stollhofen.

    Vereint mit den holländisch-englischen Truppen unter Marlborough, schlugen Prinz Eugen und Ludwig Wilhelm die französisch-bayrischen Armeen letztendlich bei Donauwörth. Ludwig Wilhelm erlitt auf den Höhen des Schellenberges eine Verletzung, von der er sich nicht mehr erholen sollte.

    Trotz Aufforderung des neuen Kaisers Joseph I. den Rhein zu überschreiten und das Elsass zu befreien, beschränkte sich Ludwig Wilhelm auf die Verteidigung, ließ an seinem Schloss in Rastatt weiterbauen und  sah dem Treiben der triumphierenden Helden Marlborough und Prinz Eugen mit wachsender Verbitterung zu.

    Noch einmal sollte ihn der Wiener Hof brüskieren. Als die polnischen Stände Ludwig Wilhelm ihre Königskrone anboten, intervenierten die Habsburger.

    Ludwig Wilhelm litt. Unter seinem schlechten Gesundheitszustand, seiner Kriegsverletzung und unter dem Undank des Wiener Hofes.

    Er hatte nicht mehr viel Zeit, schrieb an Joseph I., sorgte sich um seine Gemahlin und seine Kinder.

    Joseph I. wusste inzwischen vom wahren Gesundheitszustand des Markgrafen und antwortete ungewohnt herzlich.

    An einem kalten Wintermorgen, am 4. Januar 1707 stirbt der krebskranke Ludwig Wilhelm im Alter von 51 Jahren in seinem Schloss in Rastatt.

    Sein Heimatland hat seinen Tod wenig betrauert. Obwohl er es schützte wie kein anderer Markgraf.

    Ludwig Wilhelm hat 23 Schlachten geschlagen, 25 Belagerungen geleitet und niemals eine Niederlage erlitten.

    Aber er war auch Befehlsempfänger Habsburgs. Er hatte Krieg zu führen.

    Sein Drama war, dass er diese Kriege in seinem eigenen Land ausfechten musste.

    Das Haus Habsburg hat ihm seine Dienste schlecht gedankt.

    Willi Andreas Weishaupt 2014


    Literatur:

    Baden-Württemberg 1/83, G.Braun

    Katalog zur Sonderausstellung 300 Jahre, Der Friede von Rastatt, „....das aller Krieg eine Thorheit sey.“, Stadt Rastatt

  • PAMINA Rheinpark

      Förderverein Knielinger Museum e.V.
      Rheinauen-Portal der NaturFreunde Rastatt 
        Museen im PAMINA Rheinpark
  • Residenzschloss Rastatt

    Residenzschloss Rastatt

     

    Schloss Rastatt 600Das Schloss Rastatt ist die älteste Barockresidenz am Oberrhein. Bauherr war Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden-Baden (1655-1707).

    Das dortige Jagdschloss ließ der Markgraf bis auf die Kellerebene abreißen um darauf nach den Plänen von  Domenico Egidio Rossi seinen Regierungssitz zu errichten.

    Vorbild war die dreiflügelige Schlossanlage von Versailles.

     Schloss Rastatt spiegelt das absolutistische Selbstverständnis der damaligen Herrscher wieder. Da Rastatt in den Pfälzischen Erbfolgekriegen von den Franzosen 1689 fast vollständig zerstört wurde, konnte danach auch das Stadtareal neu konzipiert  und aufgebaut werden.  So wurden - nach Versailler Vorbild, fächerförmige Straßen zum Schloss hin ausgerichtet, die Patte d’oie.

    Auch Ludwigs Verwandter, der Markgraf Karl Wilhelm von Baden-Durlach wählte für seine Residenzstadt Karlsruhe diesen Fächergrundriss.

    Die barocken Wegachsen wurden auch außerhalb der Städte weitergeführt. So sind z.B. die beiden Eingangsfrontseiten der Schlösser Rastatt und Ettlingen exakt aufeinander ausgerichtet, d.h. der Markgraf konnte damals auf einer schnurgeraden Pappel-  und Kastanienallee von Schloss Rastatt nach Schloss Ettlingen fahren und kam genau am anderen Schlosseingang an.
    Der Verlauf der heutigen Bundesstr. 3 erinnert noch heute daran.

    Auch Schloss Favorite ist nach Schloss Ettlingen ausgerichtet.

    Markgraf Ludwig Wilhelm erlebte die Fertigstellung von Schloss Rastatt nicht mehr.

    Die bei seinem Tode 32 Jahre alte Gemahlin Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg übernahm die Regierungsgeschäfte und ließ in ihrer 20 Jahre dauernden Regierungszeit neben dem Schloss Rastatt auch Schloss Favorit und Schloss Ettlingen er- oder ausbauen.

    Schloss Rastatt wurde nie zerstört und beherbergt heute, neben den markgräflichen Prunkgemächern, ein Wehrkundemuseum und eine Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte.

     

    Willi Andreas Weishaupt 2014
    © Baden-GEO-Touren

     

  • Schloss Favorite

    Schloss Favorite

     

    P1010577Zum Themenkreis Badische Burgen und Schlösser fahren wir heute Richtung Rastatt und besuchen Schloss Favorite.

     

     

    Nach einem Mittagessen im Schloss Café wandern wir durch den herrlichen Park des Schlosses.

    Danach fahren wir zu den Rastatter Rheinauen, oder bei schlechtem Wetter zum Rastatter Residenzschloss.

    Erbaut wurde das, als einziges in seiner ursprünglichen Form erhaltende „Porzellanschloss“ in Deutschland, von Johann Michael Ludwig Rohrer für die Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden in den Jahren 1710 bis 1730. 

     

    Sibylla hatte sehr klare Vorstellungen, wie ihr „Lustschloss“ auszusehen hatte, sollte es doch Schaufenster für ihre Leidenschaften der Maskerade, des Jagdspiels und des Porzellans sein. Sie war die Witwe des „Türkenlouis“,  des „roten Königs“, wie ihn die Türken nannten, der im Alter von 51 Jahren in seinem noch nicht fertiggestellten Schloss in Rastatt an seinen Verletzungen, die er bei der Schlacht am Schellenberg erhalten hatte, verstarb.

     

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    Einzigartig ist die reichhaltige Sammlung an chinesischem Porzellan, sowie an Lackmalereien, sowie die Kunstwerke der ersten 20 Jahre Meißener Porzellanproduktion ab 1710.

     

    Eremitage C

    Etwas abseits befindet sich die Eremitage –franz. „Einsiedelei“, die ebenfalls M.L. Rohrer erbaute. Der achteckige Bau beherbergt in seinem zentralen Innenbereich eine Magdalenenkapelle, die von fünf Räumen umschlossen wird. In der Kapelle und in Speisezimmer finden sich lebensgroße Wachsfiguren der heiligen Familie. In dieser einfachen Einsiedelei verbrachteSibylla ihre Buß- und Bettage.


    Sibylla war sehr religiös. 1717 rief der Jesuit Joseph Mayr zu einer Bußprozession in Rastatt auf und vorneweg ging Sybila, wie alle trug sie eine Dornenkrone und geißelte sich selbst.

    Schloss Favorite besuchte auch Mark Twain, s. „Bummel durch Europa“.

     

     

     Rückseite R

    Willi Andreas Weishaupt 2014
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  • Schloss Rastatt

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    RA Schloss 1000H

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