ist eine auf dem Reißbrett geplante Stadt, konzipiert als archetektonisches Abbild der hierarchischen Gesellschaftsstruktur des 17. Jahrhunderts. (1)
Herzog Friedrich I. von Württemberg (1557-1608) (2) war deren Gründer.
Der Ort war gut gewählt. Friedrich kontrollierte damit den Schwabenweg,den Handelsweg zwischen Ulm und Straßburg. Der führte von Oppenau hinauf zum Kniebispass.
Im nahe gelegenen Christophsthal (Freudenstädter Revier) wurden seit dem 13. Jahrhundert Silber-, Kupfer- und Eisenerze abgebaut.
Christophstaler Münze Von Stadtarchiv Freudenstadt - Landesbildungsserver Baden-Württemberg
Friedrichs Stadt war ein Refugium für die Protestanten, eine Antwort auf die Rekatholisierung von 1597.
So entstand im nordöstlichen Schwarzwald auf einem strategisch günstig gelegenen Hochplateau eine befestigte Residenz.
Freudenstadt, Dreizeilenplan Von Heinrich Schickhardt - Hauptstaatsarchiv Stuttgart N 220 B 2, 1 Bl.
Sein Baumeister, Heinrich Schickhardt (3) entwarf Freudenstadt nach den Plänen von Dürers „Befestigungslehre“.Eine quadratische Anlage, je ein Turm in der Seitenmitte. Wie ein Schachbrett. Das Innere ist in neun gleiche Felder geteilt und das mittlere Feld bildet den Marktplatz. In einer Ecke sollte das Schloss liegen. Nicht akzeptabel für den Herzog. Er ist der Mittelpunkt, das Zentrum, also muss das geplante Schloss auch in der Mitte des Platzes liegen.
Am 22. März 1599 wurden im Beisein des Herzogs im förchtig wilden Walddie ersten Häuser und Straßen abgesteckt.
Am 2. Mai legte seine Durchlaucht selbst den Grundstein für die Stadtkirche.
Die Bergleute brachten eine Silber- und eine Kupferstufe (Leib und Blut Christi) in die Grundmauern der neuen Kirche ein.
Das Wasser bekam die Stadt damals von den Langenwaldquellen. Über einen fast 4km langen Teuchelweg (Wasserleitungsrohre: 4m lange Tannenstämme, in Längsrichtung durchbohrt) wurde das Wasser zum Marktplatzbrunnen geleitet. Jahrhunderte lang existierte diese Wasserleitung.
Wasserleitung, Stadtmuseum Reichenbach
1608 stirbt Friedrich mit 51 Jahren, vier Jahre später ist die Innenstadt aufgebaut.
„Friedrichstadt“wurde bald „Freudenstadt“ genannt, die Stadt wuchs dank den protestantischen Glaubensflüchtlingen.
Das Schloss jedoch wurde nie gebaut. Die Einwohner vermissten es nicht, hatten sie doch wenigstens auf dieser Freifläche Raum für den Anbau von Gemüse und Kartoffeln. Auch die Misthäufen hatten dort ihren Platz.
Dann kamen schlechte Zeiten für die Stadt. Hungersnöte und Krankheiten und 1632 ein Feuer, das große Teile der Stadt verwüstete. 1634 zerstörten die Österreicher das was übrig geblieben war und ein Jahr später entvölkerte die Pest die Stadt endgültig (3.000 Einwohner hatte die Stadt, 1636 nur noch 300).
1749 werden einzelne Teile des Markplatzes an Bürger verpachtet und als Nutzgärten angelegt.
Der Bergbau wird eingestellt. Die Heilquellen sprudeln.
Freudenstadt wandelte sich.
Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich Freudenstadt zu einem bekannten und beliebten Kurort - auch durch die Eisenbahnanbindung (Gäubahn zwischen Eutingen und Freudenstadt).
1899 feiert die Stadt ihr 300-jähriges Bestehen mit König Wilhelm II. und Königin Charlotte.
Im 1. Weltkrieg war die Stadt ein großes Lazarett.
Von 1939 an wurde am Kniebis das Führerhauptquartier Tannenberg ausgebaut.
Am Schliffkopf und der Hornisgrinde wurden Flak-Stellungen aufgebaut.
1940 „weihte“ Hitler Tannenberg ein und ließ sich nach dem Frankreich-Feldzug in Freudenstadt feiern.
Am 16. April 1945 kurz vor Kriegsende kam der Krieg nach Freudenstadt.
Der französische General Lattre de Tassigny war auf dem Weg nach Stuttgart.
Die Wehrmacht hatte die Brücken gesprengt. Stundenlang wurde die Innenstadt bombardiert, stundenlang beschossen.
95% der Altstadt verbrannten. Viele starben, viele Frauen wurden vergewaltigt.
Als „Manoeuvre de Freudenstadt“ fanden die Ereignisse dieser Tage Eingang in die endlose Liste der Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs.
Drei Tage dauerte das Inferno.
Freudenstadt, Stadthaus, Heimatmuseum
Danach, zuerst ein mühsamer Anfang.
1950 wurde Weihnachten in der Stadtkirche gefeiert.
Dann ein rascher Wiederaufbau, das „Wunder von Freudenstadt“.
Und immer Streit um die weitere Nutzung des Marktplatzes, der der größte umbaute Marktplatz Deutschlands ist.
Freudenstadt ist heute eine Stadt mit ca. 24.000 Einwohnern und durch ihre Lage hervorragend geeignet, um mit der Albtalbahn das Murgtal oder über die älteste Ferienstraße Deutschlands den Schwarzwald und den alten Schwabenweg zu erkunden.
Monumente, Bettina Vaupel, Karlsruhe oder die Liebe zur Geometrie
Wir überqueren den Marktplatz und nähern uns der Evangelische Stadtkirche mit ihrem rechtwinkligen, nach NO ausgerichteten Grundriss (Uhrenturm im N).
Die Winkelkirche in Freudenstadt wurde als solche konzipiert.
Im 19. Jh. saßen Männer und Frauen hier getrennt in den beiden Kirchenschiffen.
Weibergestühl und Männergestühl
Beeindruckend ist noch heute die zentrale Mitte, die durch die zwei sich überlagernden Rechtecke geschaffen wird.
Die Kirche besitzt einen Lesepult und einen Taufstein aus dem 12. Jahrhundert.
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(1) Die Idee der „Idealstädte“ bekam mit Beginn der italienischen Renaissance neue Impulse.
Das Ziel war eine klar strukturierte Stadt, die die kosmische und die weltliche Ordnung und Hierarchie darstellen und nach persönlicher Auslegung, die absolute Macht des Landesherrn repräsentieren sollte.
Karlsruhe (Fächerstadt) und Mannheim(Schachbrettstadt) sind weitere Beispiele dieses Architekturkonzepts.
(2) Friedrich der I. von Württemberg nutzte intensiv die Bodenschätze (Silber, Kupfer und Eisenerze) seines Herzogtums. Er stellte Alchimisten ein, die die Lagerstätten untersuchten und analysierten. Bei Erfolglosigkeit wurden sie hingerichtet.
1604 richtete Friedrich I. im Christophstal eine Münzstätte ein und ließ den Christophstaler herstellen. So umging er die Stuttgarter Münzpräge.
(3) Heinrich Schickhardt von Herrenberg (geb.1558 in Herrenberg † 1635 in Stuttgart) war der bedeutendste Baumeister der Hochrenaissance in Deutschland.
Schickhardt baute Brücken (Köngen), Festungen, Schlösser, Kirchen, Städte.
Literatur:
Markus und Meinrad Bittmann, Das Murgtal, Kreisarchiv Rastatt
Bettina Vaupel, Karlsruhe oder die Liebe zur Geometrie, Monumente
Mannheimer Morgen, Konstantin Groß, 7. April 2018
Wikipedia
Brockhaus Konversationslexikon, 1902, Freudenstadt
Bildnachweis:
Wikipedia Commons
Bettina Vaupel, Karlsruhe oder die Liebe zur Geometrie, Monumente
WAW, eigenes Werk
Wikimedia commons
Museen:
- Heimatmuseum im Stadthaus, mit sehr guten Sonderausstellungen
- Besucherbergwerk Freudenstadt