Hexenverfolgung in Baden

Geschichte der Anna Weinhag

 

Anna war eine tapfere und mutige Bürgerin der Stadt Baden-Baden.

Am Neujahrstag des Jahres 1600 stapfte Anna im Schnee durch die Altstadt von Baden-Baden.
Anna war Gewürzkrämerin und auf dem Weg zu ihrem beliebten Laden.
Was das neue Jahr wohl bringen würde?

Anna machte sich keine Illusionen. Die Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten würde weitergehen, der Schrecken bleiben.
Anna schaute zum „Neuen Schloss“ hinauf. Dort hatte die Familie zusammen mit der protestantischen Gemeinde Weihnachten gefeiert, eine eigene Kirche hatten die „Lutheraner“ noch nicht.
Anna fror. Es war bitterkalt. Verwandte hatten ihr erzählt, dass der Bodensee wieder zugefroren sei.
Sie seufzte und ging weiter. Gott sei Dank wusste keiner was die Zukunft bringen würde, dachte sie.

Heute kennen wir Anna Weinhags Zukunft und ihren weiteren Lebensweg.

Sie sollte erleben, wie schon im Februar der ehemalige Dominikanermönch, Philosoph und Astronom  Giordano Bruno zum Tode verurteilt  wurde.

Der Familie ging es unter der Herrschaft des protestantischen Markgrafen Georg Friedrich (1) einigermaßen gut. Hans, Annas Mann, wurde Ratsherr.

Georg Friedrich von Baden-Durlach
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Die Stadt unterstützte ihren Markgrafen auch finanziell.
Bei dem Geschäftsmann und Vorsitzenden der Murgschiffer Jakob Kast lieh sich Georg Friedrich 27.000 Gulden für die die Stadt Baden-Baden bürgte. Die Stadt selbst gab ihm noch ein unverzinsliches Darlehen (1611). Auch mit diesem Geld rüstete der Markgraf seine Armee auf.

Katholische Liga gegen Protestantische Union – dieser Stellvertreterkrieg fand  hauptsächlich im Badischen Land sehr zum Nachteil der dortigen Bevölkerung statt.

In Wimpfen (1622) entschied sich auch Annas Schicksal, der Markgraf unterlag in der Schlacht und Wilhelm I. wurde sein Nachfolger.

Markgraf Wilhelm I.
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Der setzte eine brutale Rekatholisierung durch und holte die Jesuiten nach Baden-Baden. Fronapfel nach Ettlingen und Philipp Zinner nach Baden-Baden. Die Ordensregeln der Jesuiten schrieben für ein Kolleg mindestens 30 Mitglieder und ein Grundkapital von 60.000 Gulden vor. Das Jesuitenkolleg in Baden-Baden finanzierte sich durch dingliche Rechte (Berechtigung zum Einzug vom Zehnten, Grund- und Pachtzinsen) und vor allem durch Immobilienbesitz. Zwischen Ötigheim und Ottersweier besaßen sie bereits drei Mühlen, sowie Hof- und Weingüter auf ca. 250 Hektar. Mit dem Weinverkauf wurden satte Gewinne erzielt.  Ebenso mit der Hexenverfolgung. Jesuiten betreuten die Angeklagten seelsorgerisch, schrieben in Baden-Baden die Prozessprotokolle. Die Angehörigen der Opfer mussten die Prozesskosten bezahlen, viele wurden dadurch gezwungen ihren Grundbesitz an die Jesuiten zu veräußern.   

Noch nicht mal zwei Jahre im Amt und schon stellt Wilhelm seinen Bürgern von Baden-Baden ein Ultimatum. Katholisch sollen sie werden - oder bis Weihnachten die Stadt verlassen.

Anna war anderer Meinung, und mit der hielt sie nicht hinter den Berg. Sie schrieb an den Markgrafen und bat ihn diese Entscheidung zurückzunehmen.
Das war skandalös. Eine Frau, eine „Lutherische“ zudem, kritisiert öffentlich die Entscheidungen des Markgrafen.

Anna war ein Fall für den markgräflichen Rat Matern Eschbach.

Nur wenige Monate nach ihrem Brief wurde Anna als Hexe angeklagt.
Sie seye die gröste hur in Baden, undt darzue ein Hex
so Eschbach.

Eine Kronzeugin, Anna Geiger, ebenfalls als Hexe angeklagt, war schnell gefunden. Auf Hexentänzen habe sie die Weinhag gesehen.

Anna Weinhag wurde noch am selben Tag gefoltert. Vier Tage lang. Durch Aufziehen, durch Anhängen von Gewichtssteinen, durch Beinschrauben wurden ihre Glieder zerquetscht und ihre Gelenke verrenkt. Zwei Tage lang saß sie dann noch auf dem „Wachstuhl“, doch sie legte kein Geständnis ab und nannte keine Namen. Sie musste die Urfehde schwören (Stillschweigen und keine rechtlichen Schritte gegen die Richter, d.h. gegen Eschbach), dann kam sie nach Zahlung der Verfahrenskosten frei, unter Hausarrest.

Nur Monate später wurde sie erneut angeklagt. Diesmal wurde ihr auch Schadenszauber unterstellt.
Nach erneuter Folter und einem Tag Wachstuhl wurde sie in den Spitalturm und danach ins Gefängnis verlegt.

Ihr Mann Hans klagte gegen den Markgrafen vor dem höchsten Gericht des deutschen Reiches, der Reichskammer die, wegen Verfahrensmängel und der überaus harten Folter,  eine Haftaufhebung anordnete.
Anna wurde aus dem Gefängnis entlassen.

Wie Dagmar Kicherer schreibt, „war Anna Weinhag das einzige Opfer des Hexenwahns in der Markgrafschaft Baden-Baden, das zwei Prozesse überlebt hat. Und sie gehört zu den wenigen, die sich selbst unter unmenschlichen Qualen ihren Peinigern nicht gebeugt haben“.

Im Herbst nach ihrer Freilassung verlies Anna Weinhag Baden-Baden.

Ein Stich von Merian (1643) zeigt uns Baden-Baden zu Zeiten Annas

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(1) In der „Oberbadischen Okkupation“ (1594) besetzten die Verwandten des Hauses Baden-Durlach die Markgrafschaft Baden-Baden ihres Vetters Eduard Fortunat, der die/seine Markgrafschaft Baden-Baden an die Fugger verkaufen wollte, Gold herzustellen versuchte, und auf der Yburg Falschmünzerei betrieb.
Die Baden-Durlacher beendeten damit auch die katholische Dominanz in der Markgrafschaft Baden-Baden.

 

Literatur:

  • Dagmar Kicherer, Kleine Geschichte der Stadt Baden-Baden, G.Braun Buchverlag, 2008
  • Gleichstellungsstelle der Stadt Baden-Baden, Zwischen Suppenküche und Allee, Corinna Schneider, Man thue ihr für gott undt aller welt Unrecht, 2012
  • Historisches Museum der Pfalz Speyer, Hexen Mythos und Wirklichkeit, 2009

 

Willi Andreas Weishaupt 2016
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