Kalenderblatt 10. November 

Baden-Baden, am 10. November 1938

 

7:00

2-Mann-Trupps (ein SS-Mann und ein Polizist) suchen die ihnen zugeteilten Häuser auf, nehmen die dort wohnenden jüdischen Männer fest und bringen sie zur Polizeidirektion.

 

11:00

Mit einem plakatgroßen Judenstern, auf dem „Gott verläßt uns nicht!“ stand, mussten ca. 80 jüdische Männer durch die Stadt marschieren.

Vom Polizeigebäude (heutiges Ärztehaus Vincenti, Sophienstr. 47) ging es durch die Gernsbacher Straße zum Jesuitenplatz, dann die Lange Straße entlang bis zur Sternstraße, Richtung Trinkhalle bis zur Luisenstraße. Von dort zurück über den Leopoldsplatz in die Lichtentaler Straße. Zwischen Augusta- und Bertholdplatz links ab in die schmale Stephanienstraße und dann bis zur Synagoge (heutig profan als Parkplatz des Badischen Tagblatts genutzt).

 Baden Baden Festnahme von Juden

Bundesarchiv

12:00

Die jüdischen Männer müssen durch ein Spalier von SS- und Gestapo-Männern, die sie schlagen und anspucken, ihr Gotteshaus betreten.

 

13:00

A.Flehinger wird gezwungen Passagen aus „Mein Kampf“ vorzulesen.

Den Juden wird befohlen das „Horst-Wessel-Lied“ zu singen, ihre Kopfbedeckung abzunehmen und groteske Turnübungen vorzuführen.

Sie müssen vor der Synagoge ihre Notdurft verrichten.

 

14:00

Die Männer werden in das jüdische Hotel Central (Sophienstr. 2) geführt.

Dort werden sie von dem örtlichen Gestapochef Schray in „Schutzhaft“ genommen. Die „Haftfähigen“ wurden noch am Abend zum Bahnhof und von dort in das KZ Dachau gebracht.

 

14:30

Die leergeräumte Synagoge wird von SS-Leuten in Brand gesetzt.

Die Abbruchkosten (9.000 RM) mussten von der jüdischen Gemeinde bezahlt werden.

Als im Februar 1937 die jüdischen Kurgäste von den Heilbädern ausgeschlossen wurden protestierten die Hoteliers und einige Bewohner.

1938 erhob sich keine Stimme mehr.

 

BT 11.11.1938

Badisches Tagblatt, 11.11.1938

 

Quelle: Angelika Schindler, Der verbrannte Traum, Elster Verlag