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Geschichte

  • Der Zeitstrahl - vom Mittelalter bis heute

    Der Zeitstrahl - vom Mittelalter bis heute

     

  • Die Hurdy Gurdy Girls aus Butzbach

    Die Hurdy Gurdy Girls aus Butzbach
     
    Zu Beginn des 19. Jahrhunderts herrschte in weiten Teilen Europas große Not. Es war kalt, die kleine Eiszeit war noch nicht zu Ende. Die feuchte Kälte reduzierte die Ernteerträge, die Menschen hungerten.

    1815 brach der Vulkan Tambora in Sumbawa, Indonesien aus.

    Der größte und gewaltigste Vulkanausbrauch in der dokumentierten Menschheitsgeschichte. 

    Ca. 160 km³ pyroklastisches Material mit einer Masse von 140 Milliarden Tonnen wurden innerhalb eines Tages in die Atmosphäre geschleudert. (1)

    Die Aschewolke verteilte sich um die gesamte Erde und führte 1816 in Europa und Nordamerika zu einem „Jahr ohne Sommer“.

    „Im Juni verdunkelte sich wiederholt der Himmel und es schneite. Im August gab es mehrfach Frost“ berichteten die Zeitzeugen.

    Die Pflanzen verkümmerten und die Tiere starben.

    Die Aschewolke verbreitete sich mehrere Jahre lang in der Erdatmosphäre.

    In der Wetterau, rund um den Vogelsberg und im Taunus waren die Böden mager und der Hunger groß. Die Not zwang die Bewohner zur Heimarbeit.  In den langen kalten Nächten stellten sie Korbwaren her, fertigten Hutschachteln und Fliegenwedel. (2)

    Waren die kargen Äcker im Frühjahr bestellt verließen die Menschen ihre Dörfer. 

    Wenige blieben. Das Vieh, das noch lebte, musste versorgt werden.

    Viele arbeiteten als Erntehelfer, zogen bis nach Holland und brachten nach drei Monaten harte Gulden mit zurück. 

    Andere verkauften ihre im Winter hergestellten Produkte in den großen Städten. 

    Oft waren ganze Familienclans mit ihren Kindern unterwegs. 

    Als die Eifel preußisch wurde revoltierte die Bevölkerung gegen die Schulpflicht. 

    Die „Landgänger“ aus dem Hintertaunus zogen durch ganz Europa. 

    Ihre Töchter sangen oberhessische Lieder in Paris und tanzten 

    zur Drehleier in Petersburg. (3)

     

    Die „Drehleier Mädchen“ nannte man jene junge Frauen, die zunächst mit dem Drehorgel- oder Drehleier- und Harmonikaspielern mitzogen, deren Instrumente trugen und vor allem durch ihr Tanzen, Singen und Betteln wesentlich zum Erfolg der Fahrten der hausierenden hessischen Landgänger beitrugen.
     
    Drehleiermädchen 1737
    Drehleiermädchen, Radierung, 1737
    Museum Butzbach

     

    Bald waren die Mädchen wichtiger als die Fliegenwedel.

    Sie gingen „über Land“, reisten nach Holland, England, Schweden und Russland oder wanderten aus - in die neue Welt, nach Amerika. (4)

    Das war nicht ungefährlich.

     

    Warnung
    Deutsches Auswanderer Haus Bremerhaven

     

    Viele hessische Mädchen, die ihre Reisigbesen bis nach London verkauften, wurden von Schleppern als broom-girls (Besenmädchen) an Zuhälter verkauft.

    In Amerika landeten viele der jungen Frauen als Hurdy Gurdy Girls in Saloons, Tanzhäusern und Bordellen. 

     

    HGG Bakersville
    Hurdy Gurdy Girls in Bakersville, 1865
    Museum Butzbach
     

    Nur wenige kamen als diereicheTante aus Amerika wieder in ihre Heimat zurück. 

     

    (1) Clive Oppenheimer: Climatic, environmental and human consequences of the largest known historic eruption: Tambora volcano (Indonesia) 1815. In: Progress in Physical Geography. 27, Nr. 2, 2003, S. 230–259. 

     

    (2) Der reich verzierte und bunt bemalte Fliegenwedel war die Erfindung des Besenfabrikanten Ulm aus Espa. Ab 1817 war dieser praktische und schöne Wedel der Renner, die Fliegenwedelhändler etablierten sich unter den Sparten der Hausierer und verkauften ihre Fliegenwedel bis nach England.

     

    (3) Die Drehleier (engl. hurdy gurdy), anfangs ein Kircheninstrument, war ein in der Bevölkerung über die Jahrhunderte hinweg sehr beliebtes Musikinstrument.

    W.A. MozartDeutscher Tanz KV 602/3

    https://www.youtube.com/watch?v=I7TQCNxN0HY

    Auch die Drehleierspieler wurden besungen.

    Donovan, hurdy gurdy man

    https://www.youtube.com/watch?v=jRsrDLkACTs

     

    (4) Zwischen 1821 und 1912 wanderten ca. 6 Millionen Deutsche in die USA aus.

    Friedrich Naumann, Die amerikanische Neutralität, Wochenschrift für Politik, Literatur und Kunst, Berlin, 1916

     

    Auswanderung 1841 1859
    Freiheitsmuseum Rastatt

     

    Links zu Museen

    Deutsches Auswanderer Haus, Bremerhaven

     

    Museum der Stadt Butzbach

  • Eduard Fortunat von Baden-Rodemachern

    Eduard Fortunat von Baden-Rodemachern
    geb. am 17. September 1565 in London, † 19. Juni 1600 in Schloss Kastellaun,liebte den Reichtum, die Macht und sich selbst.

     

    Eduard Fortunat

     Eduard gilt als das schwärzeste Schaf aller Badischen Markgrafen in der Geschichtsschreibung.

    Nicht weil er sich sträubte die Frau seiner Kinder zu heiraten, Falschmünzerei betrieb, oder ein Familienmitglied vergiften wollte.
    Oder weil er seine Markgrafschaft in den Bankrott führte.

    Vielleicht, weil schwarze Schafe gebraucht werden.

    An einem sonnigen Herbsttag des Jahres 1565 kam in der alten Londoner Saint Paul’s Cathedral der Adel zusammen.
    Die englische Königin Elisabeth I. hob einen neuen Erdenbürger aus dem Taufbecken.
    Ihrem verstorbenen Bruder zu Ehren nannte sie ihn Eduard und aus unbekannten Gründen Fortunatus - den Glückseligen.

    Neben dem brüllenden Eduard stand seine Mutter, Cäcilia Wasa.
    Sie galt zu ihrer Zeit als die schönste und verschwendungssüchtigste Frau am Schwedischen Königshof. (1)

      Cäcilia Wasa     

    Christoph II. von Baden Rodemachern

     

     

    Vor einem Jahr hatte sie Christoph II. von Baden-Rodemachern geheiratet, einen Abenteurer, der den Spaniern in den Niederlande gedient hatte und nun in den Landen Unterstützer und Söldner für den schwedischen Krieg gegen Dänemark requirierte.


    Vermutlich war Cäcilia bei der Tauffeier zufrieden, wenn nicht glücklich.
    Sie hatte ihrem ehrgeizigen Ehemann einen Sohn geboren. Außerdem stand noch ein hohes Brautgeld ihrer Eltern in Aussicht und ihr Mann würde auch bald wieder abreisen.

    Cäcilia blieb in London, auf Einladung und Apanage ihrer königlichen Freundin.

    Sie warb für ihr Heimatland, für eine Heirat Eriks mit Elisabeth I., für Handelserleichterungen und versuchte englische Schiffsmannschaften für  Kaperfeldzüge gegen dänische Handelsschiffe zu gewinnen.
    Nachts feierte sie ihre Feste. Cäcilia lebte über ihre Verhältnisse, ihre Schulden wuchsen.

    Christoph muss nach London reisen, kann aber die Gläubiger nicht beruhigen. Die junge Familie flüchtet aus England.
    Noch im Hafen kurz vor ihrer Abreise beschlagnahmt ein Gläubiger Cäcilias Schmuck. Vielleicht war er in Eduards Unterkleidern versteckt.

    Was ihnen blieb, war der sichere Hafen - Schloss Kastellaun.

    Als sein Vater Christoph II. stirbt, ist Eduard zehn Jahre alt.
    Seine Mutter tritt zum katholischen Glauben über. Eduards Vormund wird Wilhelm V. Herzog von Bayern. (2)
    Ein Jahr später konvertieren Eduard und seine Brüder zum katholischen Glauben.

    Eduard interessierte sich derweil zum Leidwesen seiner jesuitischen Lehrer mehr für Magie und Zauberbücher.
    Außerdem war er rotzfrech. Er beleidigte seine Mutter, verhöhnte die Stände.
    Er reiste lieber nach Italien, nach Schweden. Egal wohin, Hauptsache er war an angesagten Höfen.

    Als zwanzigjähriger traf er sich mit seinen Verwandten in Baden-Baden.

    Jakobe von Baden, eine Cousine Eduards, sollte Johann Wilhelm von Jülich-Kleveberg heiraten. So hatte es der Clan beschlossen.
    Man traf sich im Oostal im neuen Schloss des Markgrafen Philipp II. um dann weiter nach Düsseldorf zu reisen. (3)
    Sein Vetter Ernst Friedrich war auch dabei. (4)

    Drei Jahre später starb Philipp II. - der letzte Markgraf der Baden-Badener Linie, ohne Erben.
    Nun bestand eine Chance auf Wiedervereinigung der beiden Markgrafschaften (Baden-Durlach und Baden-Baden)
    Doch dies wusste man zu verhindern. Die Söhne aus der Rodemachernschen Linie wurden als rechtmäßige Erben anerkannt und Eduard als Markgraf von Baden und Sponheim installiert.
    Seine Brüder erhielten Gebiete im heutigen Luxemburg und eine stattliche jährliche Summe Geld die ihnen natürlich nie ausgezahlt wurde.

    So wurde Eduard Fortunat Markgraf von Baden.

    Er war zu jener Zeit in Danzig und half seinem schwedischen Vetter Sigismund auf den polnischen Thron. Als Dank erhielt er Minenregale in Polen (Schürfrechte in Edelmetall- und Erz-Minen) die er über seine bayrischen Freunde an die Fugger verkaufte.

    In Baden setze er konsequent seinen Herrschaftsanspruch durch. (5)

    Eduard blieb nur wenige Monate in Baden, dann zog es ihn wieder nach Brüssel, an den Hof des Herzogs von Parma, der ihn als militärischen Berater im achtzigjährigen Krieg Spaniens gegen die Niederlande in seine Dienste aufgenommen hatte.

    Dort traf er Maria von Eicken.
    Die beiden verliebten sich. Aber Maria bestand auf einer richtigen Heirat. (6)

    Eduard liebte es zu Reisen, das war chic, aber kostspielig. Neben den Herrschaften reiste das Hofpersonal mit, so dass eine muntere Gesellschaft zusammen kam.
    Eduard und Maria zogen nach Italien, nach Venedig.
    Auf der Insel Moreno wurde ihr erstes Kind, ein Mädchen geboren.

    Die junge Familie kehrte nach Baden zurück. Maria war wieder schwanger und nach zwei Jahren Hinhaltetaktik heiratete Eduard seine Maria nun endlich im Neuen Schloss von Baden-Baden.

    Eduard zog es wieder nach Brüssel. Er wollte seine gesamte Markgrafschaft an Fugger verpfänden, verhökerte die letzten Erbstücke Philipps und bezahlte die Beamtengehälter nicht mehr.
    So geriet er immer mehr in das Blickfeld von Kaiser Rudolf II. (7)

    Höchste Zeit für Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach Fakten zu schaffen.

    In einer nebeligen Novembernacht des Jahres 1594 besetzten Durlacher und kurpfälzische Soldaten die Markgrafschaft Baden.

    Die „Badische Okkupation“ beunruhigte das katholische Lager.
    Ein Protestant vereinnahmt eine katholische Markgrafschaft.

    Wie so oft war Eduard zu dieser Zeit nicht in Baden.
    Er versuchte eine Söldnerarmee aufzustellen, scheiterte an der Finanzierung.

    Mit calvinistischer Gründlichkeit zerrte Ernst Friedrich nun alle bösen Taten Eduards ans Licht.

    Die Stände und die Städter, die Bauern und das fahrende Volk, sie alle wussten dass Eduard reiche Kaufleute ausrauben ließ und Herbergswirte persönlich aufsuchte, um sie nach ihren Gästen zu befragen.

    Die Badener kannten auch Eduards italienisches Kleeblatt aus Moreno. Eduard und sein langjähriger Diener und jetziger Hauptmann Paul Pestalozzi hatten dafür gesorgt, dass Franciscus Muscatellus, Corsico und Dualdo, die Yburg als Zauberplatz nutzen konnten.
    (8)

    Damit war jetzt Schluss.

    Pestalozzi und Muscatella wurde der Prozess gemacht.
    Am 10.Dezember 1594 wurden sie enthauptet, gevierteilt und an langen Eichenstecken in den Einfallstraßen von Durlach platziert.

    Nicht gut für Eduards Pläne, Ernst zu beseitigen. Aber er versuchte es immer wieder.
    Alle seine Versuche flogen auf und endeten im „vierteilen und aufstecken.“ Natürlich nicht für Eduard, sondern für die von ihm beauftragten Mordbuben. (9)

    Inzwischen installierten die Habsburger einen neuen Gouverneur in den südlichen Niederlanden, Erzherzog Albrecht von Österreich.
    Eduard löste seine Eintrittskarte.

    1598 traf Eduard seinen Vetter Sigismund III. in Danzig. Der war inzwischen König von Polen und Schweden. Die beiden segelten mit ihren Söldnern nach Schweden.
    Sigismund wollte seinen Machtanspruch bei seinem protestantischen Vetter in Schweden durchsetzen und Eduard half ihm dabei.

    Doch dieses Unternehmen scheiterte und war für Sigismund, aber vor allem für Eduard ein vernichtender Schicksalsschlag.

    1599 setzt der schwedische Reichstag ihren König Sigismund III. Wasa ab.
    Nachfolger wurde sein Vetter, den er in seine Schranken weisen wollte. Sigismund katholische Verbündete wurden hingerichtet.

    Auch Eduard verlor mehr als seinen Einsatz. Auf seiner Flucht verhafteten ihn auch noch die Dänen. Er strandete, wie so oft, am Hof von Brüssel.
    Doch die schlechten Nachrichten hatten sich herumgesprochen.
    Eduard verlor seine letzten Gönner und Gläubiger.

    Er ging in sein Nest zurück, in den Hunsrück, nach Kastellaun.

    Aber auch dieser letzte Rückzugsort gehörte ihm nicht mehr alleine. Er stritt sich mit Herzog Karl schon lange um die Herrschaft­­­­­ in Sponheim und damit auch um Schloss Kastellaun.

     

    Kastellaun


    Karl kam immer wieder.

    Am späten Abend des 18. Juni 1600 geisterte Eduard ums Schloss. „Wehe meiner armen Seele!“ soll er immer wieder gerufen haben.

    Eduard stieg die Treppen zum Schlossturm hinauf. Er blickte auf das Dorf. Er sah nichts.

    Dann ging er zurück zur Treppe. Er blieb stehen, schloss die Augen und schritt voran.

    Vielleicht.

    Vielleicht war er betrunken und stürzte die Treppe hinunter.

    Vielleicht war er nicht betrunken, weil er auch den letzten Messwein verkauft hatte und deshalb auf den steilen Treppenstufen ins Zittern kam.

    Vielleicht stürzte ihn Herzog Karl die Treppe hinunter, weil der allein in Sponheim herrschen wollte.

    Vielleicht schlich sich Eduard so aus seinem Leben.

    Vielleicht wollte er kein schwarzes Schaf mehr sein.

    Sicher ist, dass Eduard sich das Genick brach.
     

    (1)    Cäcila Wasa (geb. 1540, † 1627) war die Schwester ihres geisteskranken Bruders König Erik XIV. (1.1), der acht Jahre lang König von Schweden war. Sie war schön und verwöhnt, neugierig und lebenshungrig.
    Als sie 11 Jahre alt wurde starb ihre Mutter.
    Seit dieser Zeit lebte sie ohne Regulativ.
    Sie liebte die Maskerade, Männer, Musik und Tanz, Kunst und Theater, Unterhaltung und Bälle bis in den frühen Morgen.
    Die Liste der Heiratskandidaten wurde ständig aktualisiert. Zar Iwan der Schreckliche, König Sigismund II. von Polen, Pfalzgrafen – alle abgewiesen.
    Den Gesandten des polnischen Königs, Graf Johann von Tenczin wollte sie heiraten. Aber der starb, als er, um die Hochzeit vorzubereiten, bei seiner Heimreise in dänische Gefangenschaft geriet.
        Dann traf sie Christoph.

    (1.1)    Erik XIV. (geb. 1533, † 1577) war von 1560 bis 1568 König von Schweden.
    Als er zwei Jahre alt war starb seine Mutter. Seine Stiefmutter bevorzugte ihren eigenen Sohn Johann.
    Erik agierte psychotisch, litt unter seinem Verfolgungswahn.
    Sein Stiefbruder setzte ihn 1568 ab und Johann wurde der neue König.  Neun Jahre später starb Erik XIV. Er wurde vergiftet.

    (2)    Wilhelm V., der Fromme, Herzog von Bayern (geb. 1548, † 1626)

     

    Wilhelm V

    Lobend äußerte sich einer seiner Lehrer über ihn.
    Er sei „dem Erdkreis als Vorbild vollkommener Tugend geschenkt.“

    Wilhelms Lehrer waren Jesuiten, ihnen überließ er benediktinische Klöster wie Biburg oder die Abtei Ebersberg. Ihnen baute er in München Kirchen, St. Michael und ein weitläufiges, palastartiges Kloster.
    Er vergrößerte seinen Herrschaftsbereich durch Raubzüge, Einnahmen und Eroberungen im Namen des alten, rechten Glaubens (1582 Miesbach).
    Der Besuch der heiligen Messe wurde für alle Pflicht, ansonsten kam der „Heide in den Turm.“ Wer nicht katholisch werden wollte musste sein Land verlassen.
    Wilhelms Meinung zur Erziehung war „daß die heidnischen Schwätzer und Fabelhansen im Unterricht durch christliche Autoren ersetzt werden sollten.“

    1583 trat der katholische Erzbischof Gebhard in Köln zum Protestantismus über.
    Damals ein Skandal....

    Rom benannte sofort einen Gegenbischof und instruierte den köl’schen harten Kern des Capitels.

    Wilhelm V. bezahlte seine spanisch-niederländischen Söldner mit dem Geld aus Rom und zog gegen Köln. Leichte Siege brachten ihm reichen Lohn.

    Von nun an bestimmten die Wittelsbacher, über Jahrhunderte, wer in Köln, Hildesheim, Lüttich oder Münster Bischof wurde.

    Wilhelm V. ließ auch die Scheiterhaufen wieder brennen. In Bayern und in Baden-Baden.

    Die Landstände beklagten die hohen Schulden. Wilhelm hatte eine Schuldenlast von ca. 600.000 fl. übernommen, nun hatte er Schulden von mehreren Millionen fl. , die er auf seinen Sohn als Nachfolger übertrug.
    Er zog sich mit einem von ihm selbst festgelegten Jahressalär von 60.000 fl. in seine „ägyptische Einsiedeleien“ zurück, die er in Schleißheim und auf Neideck hatte bauen lassen, beeinflusste aber weiterhin die Politik Bayerns.

    (3)    Jakobe von Bayern war eine kluge, lebensfrohe Frau, die vier Sprachen sprach, herausragend Klavier und Laute spielte und die sich mit vielen Intellektuellen ihrer Zeit austauschte. Sie war 27 Jahre alt, als sie sich von München aus auf den Weg nach Düsseldorf machte um in eine Familie von Geisteskranken einzuheiraten.

    Ihr zukünftiger Ehemann, Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg litt unter Verfolgungswahn - seine Mitmenschen unter seinen Tobsuchtsanfällen.
    Er starb ohne Erben.

    Dessen Mutter, Maria von Österreich, Habsburgerin und durch Johanna die Wahnsinnige bereits genetisch vorbelastet, war schwermütig und später wohl auch „verruckt.“

    Der geistesverwirrte Vater hasste seinen Sohn, den Bräutigam. Sein geliebter erster Sohn starb früh.

    Jakobe versuchte, ihren Ehemann auf dem diplomatischen Parkett zu vertreten.
    Sie scheiterte, auch weil sie eine fremde Frau war und zudem nicht schwanger wurde.

    Ihre größte Feindin war ihre Schwägerin, Sybille.
    Sie hatte in der Vergangenheit die Fäden gezogen und dachte nicht daran, die Macht über ihren Bruder und damit über die Herrschaft aufzugeben.
    Sybille ließ Jakobe systematisch überwachen. Sie wollte sie vernichten.

    Schließlich verklagte Sybille Jakobe. Von der Hexerei (sie hätte ihren Ehemann verhext; nur deshalb sei er „verruckt“ geworden) über Hurerei bis zum Geiz und zur Habgier reichte die Anklage. Jakobe landete im Gefängnis. Zwei Jahre lang blieb sie da. Eines Morgens wurde sie tot aufgefunden. Wahrscheinlich wurde sie erwürgt.

    (4)    Ernst Friedrich, Markgraf von Baden-Durlach (geb. 1560, † 1604)
    wuchs am lutherischen Hof in Stuttgart auf.

    Als sein Vater starb, stritten sich drei Brüder, als Stellvertreter, über das Erbe.

    Ernst Friedrich, der Älteste, erhielt Durlach und Pforzheim.

    Ernst Friedrich liebte religiös-philosophische Zirkel, förderte das Schulsystem. Ihm ist die Einrichtung des Gymnasiums Ernestinum in Durlach (1583-86) zu verdanken.

    Immer wenn Eduard auf Reisen war, übergab er die Regierungsgeschäfte an Ernst. Da Eduard fast nie in seiner Markgrafschaft war, übte Ernst einen bestimmenden Einfluss in Baden aus.

    Ernst war Eduards „großer Bruder“.

    Eduard hasste ihn.

    Ernst hatte, auch wegen seiner Dauerfehde mit dem Kaiser, immense Schulden.
    Er verkaufte Teile seiner Markgrafschaft an die Württemberger.
    Zuerst Besigheim und Mundelsheim für 300.000 Gulden, später Altensteig und Liebenzell für 500.000 Gulden.

    Ernst konvertierte zum Calvinismus. In den Stafforter Büchern beschrieb er seine Gründe.
    Er rechtfertigte auch seine Badische Okkupation, indem er Eduard so darstellte, wie wir ihn heute wahrnehmen.
        
        Starrsinnig zwang Ernst sein lutherisches Land „reformirt zu werden“.
    Gegen sein rebellisches Pforzheim wollte er einen Kriegszug unternehmen, starb aber unterwegs an einem Schlaganfall.
    Ernst kam in Pforzheim als Leiche an und wurde in der dortigen Stiftskirche beigesetzt.  

    (5)     Zuerst drohte Eduard der katholischen Fraktion mit seinem Übertritt zum Protestantismus.
    Dann gab er sich erzkatholisch und nahm damit auch seinen bayrischen Lehrmeistern den Wind aus den Segeln.
    Er schürte in der Bevölkerung die Ressentiments gegen die Bayern.
    Ab Frühjahr 1589 war er souverän regierender Markgraf.


    (6)     Eduard war ein Kind seiner Zeit. Er hatte Vorbilder in seiner Familie und deren Aufträge zu erfüllen.
        
    Im Mittelater führten viele Adlige eine Ehe der linken Hand.
    Darunter verstanden sie ihr Recht, eine nicht standesgemäße Frauzu heiraten, aus Lust an der Liebe vielleicht, aber die gemeinsamen Kinder nicht anzuerkennen. Diese Ehe konnte jederzeit annulliert werden.
    Heiratete unser Adlige jedoch später eine Standesgemäße, hatte er das Recht  die früheren Kinder anerkennen, und konnte ihnen gestatten seinen Namen, Wappen, Titel, usw. zu tragen.

    Schon damals führte Eduards erster Versuch, die Heirat durch einen als Priester verkleideten Soldaten inszenieren zu lassen, zu Gespött und Heiterkeit.
    Im zweiten Versuch war zumindest ein richtiger Pfarrer bei der Trauung anwesend. Aber die Eheschließung hielt Eduard geheim. Es gab keinen Ehevertrag.
    Zwei Jahre später, am 14. Mai 1593 heiratete Eduard Anna nach Recht und Gesetz, behandelte sie aber weiterhin wie eine Konkubine.
    Die Heirat hinderte Eduard auch nicht daran, sich mit Damen aus Böhmen und Österreich zu vergnügen.

     (7)     Kaiser Rudolf II. befahl „wegen der Verschwendung, grossen Schulden und böser Lebensart M.Eduardi Fortunati, dass die Herzoge von Bayern und Lothringen seiner Lande übernehmen................“
    Kaiserliche „Commissäre“ wurden eingesetzt.
    Der Herzog von Bayern übergab die Sache an den damaligen Kammergerichts-präsidenten, Graf M. Fugger.

    (8)     Die Alchemie, oft reduziert auf die Herstellung von Gold, war das Gesprächsthema bei Hofe. Reichtum durch Zauberei. Das beschäftigte nicht nur Eduard, sondern viele Adlige. Vor allem die, die hochverschuldet waren.
        

    Lassen wir A.Schnezler erzählen:

    „Wie nun immer eine schlechte Handlung die andere nach sich zieht, so hat Markgraf Eduard auch sich des Falschmünzens unterfangen, welches in den Rechten sowohl als in der Kaiserl. Peinlichen Halsgerichtsordnung hoch verboten ist. Aus einer sonderbaren Mixtur von Metallen, welche der Malefikant Franz Muscatello zu bereiten wußte, wurden Ferdinandische Thaler, Klippenthaler, Portugaleser von 10 Dukaten Werth, etc. geprägt, dieselben auf der Frankfurter Messe ausgegeben und die Leute damit betrogen. Er, der Markgraf selbst, war zugegen, wenn gemünzt wurde, und zog das zu Augsburg erkaufte Preßwerk mit eigener Hand. Die Stempelschneider zu bekommen, brauchte er Gewalt und hielt sich Alles für erlaubt.“

     

    Muscatello gestand vor Gericht im Dezember 1594 aus Messing, Kupfer, Silber und Gold unter anderem Mailändische Silberkronen, oder Portugaleser (Nachahmungen von Goldmünzen aus Portugal) hergestellt zu haben.

    Pestalozzi bestätigte vor Gericht im Dezember 1594, dass er dabeigewesen sei und mitgeholfen habe (auf Befehl seines Herrn ) 220 viereckige Taler zu machen, die er dann auf der Frankfurter Messe ausgab, bis auf die, die zu roh waren. Die warf er in den Main.

    (9)    Im sechszehnten Jahrhundert waren die Menschen nicht weniger geneigt einander umzubringen als heute.
    Auf der Frankfurter Messe 1593 trafen sich Ernst und Eduard.
    Beim vereinbarten Abendessen stand der Giftbecher schon bereit, aber Ernst sagte das Treffen ab.
    Alle weiteren Versuche scheiterten.

    Dann stellte das italienische Kleeblatt auf Befehl Eduards Wachsfiguren von Ernst her, ein Priester musste diese weihen und mittels angewandter Magie und Zauberei sollte Ernst sterben, oder zumindest sollte eine Krankheit ihn niederwerfen. Einige meinen, der Zauber habe gewirkt, da Ernst nach der Okkupation erkrankte.
    Vielleicht war es Zufall.


    Quellen / Literatur:

    Urte Schulz, Das schwarze Schaf des Hauses Baden, Markgraf Eduard Fortunatus, Casimir Katz Verlag, 2012
    Ein sehr faszinierendes, faktenreiches Buch über dieses schwarze Schaf.

    Armin Kohnle, Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, G.Braun Buchverlag, 2009

    Johann Christian Sachs, Einleitung in die Geschichte der Marggravschaft und des marggrävlichen altfürstlichen Hauses Baden, Dritter Theil, Karlsruhe 1769, Bayrische Staatsbibliothek
    WIKISOURCE, ADB: Markgrafen von Baden

    Schöpflin, Hist. Zaringo-Badensis. Agricola, Hist. prov. soc. Jes. Germ. super. p. I. Pütter, Mißheirathen teutscher Fürsten und Grafen.

    Schöpflin, Hist. Zaringo-Badensis. Leonh. Hutterus, Concordia concors. Bouginé, Handbuch der allgemeinen Litterargeschichte. Kleinschmidt, Jakob III., Markgraf von Baden und Hochberg.

     

    Willi Andreas Weishaupt 2017

     

  • Emma Herwegh

    Emma Herwegh

     

    EHgeb. 10. Mai 1817 in Berlin, † 24. März 1904 in Paris

    war Literatin, Revolutionärin im badischen Bürgerkrieg 1848/49 und Frauenrechtlerin.

     

    Emma war die aufmüpfige Tochter des wohlhabenden Kaufmanns und Hoflieferanten J.G. Siegmund und dessen Frau Henriette.

    Wie alle jungen Frauen des Bildungsbürgertums spielte sie Klavier, liebte Liszt und malte.

    Aber sie sprach auch mehrere Sprachen und konnte sehr gut schwimmen, reiten und schießen.

    Sie liebte es, sich über die im Biedermeier bestehende Geschlechterrolle hinwegzusetzen.

     

     

     

    "Dem Manne gleichgestellt will ich nicht werden, ich bin es.

    Warum soll ich weniger sein als ein Mann?"

     

    Mit 24 Jahren war Emma noch nicht verheiratet, aber sie war verliebt, in  Georg Herwegh, der die „Gedichte eines Lebendigen“ verfasst hatte.

    Leider hatte sie ihn noch nie gesehen. Aber sie setzte alles daran ihn kennenzulernen.

    Im Winter 1842 war es soweit. Georg besuchte die Familie Siegmund.

    Eine Woche später verlobten sie sich, drei Monate später heirateten sie in Baden in der Schweiz. (1)

     

     In Paris fanden die beiden ihre neue Heimat.

    Jenny und Karl Marx wohnten um die Ecke.

     

    Im Februar 1848 revoltierten die Einwohner von Paris. Der König dankte ab. Metternich musste zurücktreten und die Berliner Barrikaden siegten für kurze Zeit über das preußische Militär.

    Im April 1848 versuchte Friedrich Hecker die Konstanzer Bürger für die Revolution zu begeistern. Zu wenige folgtem ihm.

    Hessische, württembergische und bayrische Truppen, fast 30.000 Mann wurden von den Herrschenden gegen die „demokratischen Agitatoren“ aufgeboten.

    Georg Herwegh wurde von den vielen deutschen Emigranten in Paris zum Präsidenten der Deutschen Demokratischen Liga gewählt.

    Ein bunter Haufen war dann die Revolutionsarmee, die mit Emma und Georg Herwegh zur Unterstützung Heckers nach Straßburg zog.

    Die tapfere Emma durchquerte mehrmals die feindlichen Linien und traf sich mit Hecker. (2)

    Emma lebt in Paris und Zürich.

    1855 plant Emma die Flucht von Felice Orsini aus dem Gefängnis in Mantua.

    Georg Herwegh ist derweil verliebt. Aber nicht in Emma, sondern in die Frau seines Freundes Alexander Herzens.

    Sie versuchen eine Ehe zu viert, aber nach heftigen Streitereien trennt man sich.

    Emma zieht nach Genua.

    Nach drei Jahren Trennung leben die beiden wieder gemeinsam in Zürich.

    Durch die Amnestiegesetze 1866 wird die Rückkehr nach Deutschland wieder möglich.

    Emma lässt sich mit ihrer Familie in Baden-Baden nieder und muss im Laufe der Zeit in immer kleinere Wohnungen umziehen.

    Nach dem Tod ihres Mannes 1875 zieht Emma über Stuttgart wieder nach Paris und lernt dort den Dichter und Verleger Frank Wiedekind kennen.

    Emma Herwegh stirbt mit 86 Jahren, wie Georg an einer Lungenentzündung.

    In „freier Erde“ wird sie in Liestal in der Schweiz an der Seite ihres Mannes beerdigt. Auf der von ihr entworfenen Grabplatte steht:

     

    Von den Mächtigen verfolgt,

    von den Knechten gehasst,

    Von den Meisten verkannt,

    Von den Seinen geliebt.“

     

    Nur eine kleine Plakette erinnert heute in Baden-Baden (Sophienstraße) noch an Emma Herwegh.

     

     

     Emma Herwegh Gedenktafel

     

    Willi Andreas Weishaupt 2015

    © Baden-GEO-Touren

     

    (1) Georg Herwegh wurde wegen Majestätsbeleidigung des Landes verwiesen.

    Im Vorfeld einer Audienz beim preußischen König Friedrich Wilhelm IV. wurde ein Brief Herweghs, in dem er die politischen Verhältnisse anprangerte, publik.

    In Basel-Land bekam er die Bürgerrechte, nur dort konnte er heiraten.

    (2) Doch Hecker zögerte. Am 20. April 1848 trafen die Gegner (Hecker und von Gagern) auf der Scheideck bei Kandern (Wiesental bei Lörrach) aufeinander. General v. Gagern fällt, doch die Schlacht ist für die Aufständischen verloren. Hecker flieht in die Schweiz.

    Freiburg wird von den Bundestruppen eingenommen.

    Die Herweghsche Revolutionsarmee, die inzwischen den Rhein überquert hatte, wurde von den Württembergern in die Flucht geschlagen. Die Herweghs flüchteten in die Schweiz.

     

    Bildnachweis:

    • Wikipedia Commons
    • Baden-GEO-Touren

     

    Literatur:

    • Wolfgang Dreßen, 1848-1849: Bürgerkrieg in Baden, Chronik einer verlorenen Revolution, Klaus Wagenbach Berlin, 1975
    • Ursula Dörge, Emma Herwegh, Dichtergattin und Revolutionärin, aus
    • Zwischen Suppenküche und Allee, Frauengeschichten aus Baden-Baden, Gleichstellungsstelle der Stadt Baden-Baden, 2012

    Die Deutsche...

     

  • Festungen der Bronzezeit

    Festungen der Bronzezeit

  • Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg

    Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg

    Sybilla Augusta 200 1675, † 10.06.1733
    war Markgräfin von Baden-Baden.
    Sie war die Bauherrin von Schloß Ettlingen, bei Karlsruhe und Schloß Favorite.

    Sibylla wuchs zusammen mit ihrer älteren Schwester Anna Maria Franziska im Schloss Schlackenwerth in Nordböhmen auf. Als sie 6 Jahren alt war starb ihre Mutter.

    Unterrichtet wurde sie von Christian August von Sulzbach, einem toleranten Pfalzgrafen und Fürsten, der den Bewohnern das Recht gab ihren evangelischen oder katholischen Glauben frei auszuüben, und von Gräfin Werschowitz die später verdächtigt wurde Sybillas Vater vergiftet zu haben.

    Schon mit 13 Jahren beschrieb sie in ihren Aufzeichnungen "Vierfacher Handschrein: Unterschiedliche Kunst, Speiß, Confiture und Medicinal-Sachen"   Wege zur Farbenherstellung und detaillierte Anleitungen zur Herstellung ostasiatischer Lack-Arbeiten. Bald darauf verwaltete sie die väterliche Kunstsammlung.

    Der sehr wohlhabende Vater, Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg starb 1689 und hatte die Verheiratung seiner beiden Töchter testamentarisch Kaiser Leopold I. übertragen.

    Also konnte Leopold I. seinen beiden erfolgreichen Feldherren und Fürsten Ludwig Wilhelm und dessen Cousin Prinz Eugen von Savoyen eine vielversprechende Heirat in Aussicht stellen.

    Als Ludwig Wilhelm 1690 in Schlackenwerth eintraf, verliebte er sich nicht in die vom Kaiser gewählte ältere Schwester Anna Maria sondern in die jüngere, die 14-jährige Franziska Sibylla Augusta. Im gleichen Jahr heirateten die beiden und wohnten in dem neuerbauten Seitenflügelschloss von Schlackenwerth - dem Weißen Schloss.

    Ludwig Wilhelm war zu dieser Zeit ein berühmter Feldherr.

    Nach seinem Sieg über die Türken in Ungarn befehligte er die Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) und so hielt sich das Markgrafenehepaar häufig in Bayern auf, denn Sibylla begleitete ihren Mann bis ins Feldlager.

    Vier Kinder hatte sie am Ende dieses Krieges zur Welt gebracht, aber keines wurde älter als sechs Jahre.

    Als der Krieg zu Ende ging, begannen die beiden mit dem Wiederaufbau ihrer Markgrafschaft Baden.

    In Rastatt, ihrer neuen Residenzstadt, hatten sie Großes vor. Zuerst wurde eine Festung angelegt, dann fächerförmig die Stadt nach dem Schloss ausgerichtet.
    Das Schloss wurde als dreiflügelige Anlage ganz im Stil Ludwig XIV. konzipiert.
    Der Rohbau stand bereits 1702.

    Doch ein neuer Krieg war ausgebrochen, dessen Ende Ludwig Wilhelm nicht mehr erleben sollte. Er starb im Januar 1707 an einer Kriegsverletzung  in Rastatt. 
    Epitaph und Grab finden wir in der Stiftskirche in Baden-Baden. Sein Herz wurde im Kloster Lichtenthal aufbewahrt.

    Sibylla war jetzt Markgräfin von Baden-Baden, 32 Jahre alt, gebildet, eine selbstbewusste, diplomatisch überaus erfolgreiche Frau, reich, hatte zwei Söhne und eine Tochter - und sie hatte Träume. Einige davon verwirklichte sie, so z.B. Schloss Favorite, ihr Lust- und Porzellanschloss, die gesamte Gartengestaltung im Schloss Rastatt und den Ausbau von Schloss Ettlingen als Alterssitz.

    Sibylla war eine kluge und faszinierende Frau ihrer Zeit.

    Sie liebte Kunst, Musik und Tanz. Legendär waren ihre Maskenbälle. Ihre Lust an der Verkleidung zeigt sich in den „Kostümbilder“, die sich heute im Spiegelkabinett von Schloss Favorite befinden.

    Als selbstbewusste und gut vernetzte Markgräfin war sie einflussreich und trotzte dem Kaiser einen großen Teil seiner versprochenen Belohnungen für Ludwig Wilhelm ab.

    Aber sie war als Kind Böhmens auch sehr katholisch, erlebte früh die dortige Reliquienverehrung, die Wallfahrten und die ausgeprägte Marienverehrung.
    Später kam der Einfluss des Baden-Badener Jesuitenkollegs hinzu.

    1717 rief der Jesuit Joseph Mayr zu einer Bußprozession in Rastatt auf und vorneweg ging Sibylla, wie alle trug sie eine Dornenkrone und geißelte sich selbst.
    Auch soll sie die Verbrennung, mehrerer als zu „anzüglich“ eingestufte Gemälde ihrer Sammlung, veranlasst haben.

    Sie war oft im Benediktinerstift  Einsiedeln. Die dortige Gnadenkapelle ließ sie sowohl in Schlackenwerth als auch in Rastatt wiederauferstehen.
    Sybilla sah sich selbst als Leidensschwester von Maria Magdalena und ganz im Zeichen der Zeit als große Sünderin.

    1727 wurde ihr Sohn Ludwig Georg Simpert Markgraf und Sibylla zog sich nach Schloss Ettlingen zurück.

    Sie starb im Alter von 58 Jahren und wurde in der Schlosskirche Rastatt  beigesetzt.

    Franziska Sibylla Augusta von Baden

     

    Markgrafin Franziska Sibylla Augusta

     

     

  • Friedrich Wilhelm I. - Befehl an die Advocati

    Befehl an die preußischen Advocati
     
    Wir ordnen und befehlen hiermit allen Ernstes, dass die Advocati wollene schwarze Mäntel, welche bis unter das Knie gehen, unserer Verordnung gemäß zu tragen haben, damit man diese Spitzbuben schon von weitem erkennen und sich vor ihnen hüten kann.
     
     

         Friedrich Wilhelm I.

     

  • Georg Groddeck

    Georg Groddeck

    Georg Groddeck 20013. Oktober 1866 † 11. Juni 1934
    Georg Groddeck war Arzt, Schriftsteller und ein maßgeblicher  Wegbereiter der Psychosomatik.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     

    Geboren wurde er am 13.Oktober 1866 in Bad Kösen an der Saale.

    Nach Studium der Medizin in Berlin promovierte er bei Ernst Schweninger, dem Leibarzt Bismarcks.

    1896 übersiedelt er mit seiner Frau Else von der Goltz  nach Baden-Baden und arbeitet als Badearzt im Sanatorium seiner Schwester Caroline.

    Bald erwarb er sich dank seiner einzigartigen Behandlungsmethoden einen Ruf weit über die Stadtgrenzen hinaus.

     

    Diese Methoden, die der Augenarzt Prof. Cohn bei einem Besuch im Sommer 1898 bei Groddeck beschrieb als „Püffe mit geballter Faust in die Gegend der Magengrube“, gefolgt von „Kneifen“ der Bauchdecke, bis „braune und blaue Flecken entstehen“ und „schlussendlich springt der Arzt in ganzer Person auf den Leib des Patienten so daß seine beiden Knie tief in die Magengrube hineindrücken“.

     

    Wir ahnen, warum Groddeck von einigen seiner neidischen Kollegen als „Dr. Grobian“ und „Satan“ bezeichnet wurde.

    Groddeck heilte ein wenig so wie er aussah: durch gütig gelenkte Höllenpein“ urteilte Hermann Graf Keyserling. [1]

    Aber auch seine Entfettungscur war populär und erfolgreich.

    Zu den Essenszeiten wurden viele kleine Portionen, auf kleinen Tellern und Tassen serviert, so war man stundenlang zu Tisch.

    1903 stirbt seine Schwester und er wird Eigentümer der Villa Marienhöhe, Sanatorium Groddeck, dem heutigen Hotel Tanneck (Werderstr.).

     

    Blick vom Hotel Tanneck auf Baden-Baden A

    Hotel Tanneck: Blick über Baden-Baden

     

    Groddeck arbeitet Tag und Nacht. Tagsüber behandelt er seine Patienten und Nachts schreibt er. (Ein Frauenproblem - 1902, Ein Kind der Erde - 1905, Nasamecu, natura sanat, medicus curat - 1913).

    Aber er ist nicht nur Arzt und Psychiater. Als sozialer Reformer ruft er 1911 eine Konsumgenossenschaft ins Leben und war Gründungsmitglied der Baugenossenschaft (1912), so wie Initiator der nach den Plänen von Paul Schmitthenner erbauten Ooswinkel-Siedlung

     

    Ooswinkel-Schautafel A

    Schautafel der Ooswinkel-Siedlung, im April 2012

     

    Ab dem Sommer 1916 hält Groddeck jeden Mittwoch Vorträge, die er als „Arznei“ für seine Patienten bezeichnet.

    „......Die Tätigkeit des Arztes erstreckt sich nicht weiter als auf die Behandlung, das Heilen besorgt nicht er, sondern eben das Es“ schreibt er 1917 an Sigmund Freud.
    Im selben Jahr skizziert er in „Psychische Bedingtheit und psychoanalytische Behandlung organischer Leiden“ die Grundzüge der Psychosomatik.

    1918 gibt Groddeck sein „Satanarium“ heraus, eine Zeitschrift an der seine Patienten aktiv mitarbeiten.

    1921 erscheint sein Roman „Der Seelensucher“, eine satirische Zeitkritik des Wanzenjägers Thomas Weltlein. „So was Freches, Ungeniertes, raffiniert Gescheit-Verrücktes ist von Erzählern unserer Sprache noch nicht gewagt worden“, urteilt Alfred Polgar über diesen Roman.

    G. Groddeck beginnt eine lockere, fiktive Serie von Briefen, den „ Psychoanalytischen Briefen an eine Freundin“ an S. Freud zu schreiben, die 1923 unter dem Titel „Das Buch vom Es“ erscheinen.

    Mit diesem Buch wird er in Europa berühmt, da es ihm gelingt, ein allgemeinverständliches Buch über die Psychoanalyse zu schreiben, „ein wahres Volksbuch der Psychoanalyse“, wie Otto Jägersberg betont und das „zu den Klassikern dieses Jahrhunderts gehört“, wie Ingeborg Bachmann meint. [1]

    1933 erscheint sein letztes Buch „Der Mensch als Symbol“, in dem „Eigentümlichkeiten der Sprache und der bildenden Kunst benutzt werden zu dem Nachweis, wie eng von jeher Symbol und Leben miteinander verbunden sind“, wie er an Freud schreibt.

    1933 setzen die Nationalsozialisten seine Absetzung als Aufsichtsratsvorsitzender der Wohnungsbaugenossenschaft durch. Einige seiner  Bücher werden verboten und verbrannt.

    Am 11.Juni 1934 stirbt er in Knonau, im Kanton Zürich. Sein Grab findet sich auf dem Baden-Badener Stadtfriedhof.

    In der Ooswinkel-Siedlung erinnert eine Gedenktafel an Dr. Georg Groddeck.

     

    Groddeck-Gedenktafel A

    Gärten im Ooswinkel C

     

     

     

     

    Georg Groddeck über Baden-Baden

     

     „Baden-Badens Glück ist seine Schönheit, nur seine Schönheit. Bäder gibt es auch anderswo, Vergnügen gibt es anderswo besser und bequemer, gute Hotels, Sportfeste, Ärzte und Läden sind keine Privilegien Baden-Badens. Eines aber hat Baden-Baden, dessen gleichen es in Europa nicht gibt, seine Schönheit.“

    Dr. G. Groddeck, Die Arche

     

    Quellen:

    Dr. Georg Groddeck in Baden-Baden, Anfang 1934 aus:
    Otto Jägersberg, Dr. Georg Groddeck in Baden-Baden, SPUREN 13

     Willi Andreas Weishaupt 2014

     

     

  • Georg Herwegh

    Georg Herwegh

     

    Georg Herwegh 300geb. 31. Mai 1817 bei Stuttgart, †  7. April 1875 in Baden-Baden
    war Poet, Dichter, Salon-Revolutionär, Vordenker, Shakespeare-Übersetzer und ein Mensch, der selten lachte.

    Georgs Vater Ludwig Herwegh war ein aus Baden eingewanderter Gastwirt.
    Seine Mutter Rosina Märklin stammte aus einer schwäbischen Apothekerfamilie.
    Die Ehe war nicht glücklich. Ludwig und Rosina stritten sich oft, heftig und rau.

     

     

    Mit elf Jahren kam er zu seiner Großmutter nach Balingen, konnte auf Betreiben seiner Mutter die Lateinschule besuchen und als Vorbereitung zur Aufnahme in Maulbronn ein staatliches Examen ablegen.
    Dann wurde er krank.


    Ein angehender Mediziner promovierte über den Fall „Geschichte eines St. Veits-Tanzes (1) welcher mit dem thierischen Magnetismus (2)  behandelt und zum Theil geheilt wurde“.

    Georg war vierzehn Jahre alt, als sich seine Eltern trennten und er in das Maulbronner Seminar aufgenommen wurde. (3)

    Mit Achtzehn verließ er Maulbronn um in Tübingen zu studieren.
    Von dem theologischen Studium unbefriedigt, und unter den kasernenartigen Verhältnissen des Stifts leidend, geriet er nach mehreren „unehrerbietigen Äußerungen“ zunehmend in den Fokus der Verwaltung. (4)

    An einem lauen Sommerabend des Jahres 1836  kam Georg fröhlich angetrunken, aber leider viel zu spät aus dem Wirtshaus zurück ins Stift.  Er war sehr impulsiv, beleidigte die Wache und zwei ältere Studenten, wanderte in den Karzer und wurde aus dem Stift entlassen.

    Georg zog wieder nach Stuttgart, arbeitete bei August Lewald in dessen Zeitschrift „Europa“ mit. Lewald beschreibt ihn als einen „in sich gekehrten, bei Diskussionen schroffen poetischen Geist“.

    Georg wird zum Militärdienst eingezogen. Er sieht seine reale Situation nicht, beleidigt einen Unteroffizier und aus einer durch Lewalds Beziehungen eingefädelten möglichen „Beurlaubung“ wird dank Georgs Ego eine vierwöchige Kasernenhaft.

    Nach verbüßter Haft musste er sein Geld als Übersetzter (Lamartine) verdienen.
    Und als er dann doch wieder auf einen Maskenball ging, warf ihn ein gräflicher Oberstleutnant nach „frechem Benehmen“ hinaus und erstatte Anzeige. Ihm drohte die (Zwangs) Einberufung auf „unbestimmte Zeit, zur besseren Bekanntmachung der Disziplin und Subordination“.

    Im Sommer 1839 floh er mit Hilfe seines Freundes Dietzel auf dem „Schwabenweg“ in die Schweiz zu Heinrich Elsner („Leuchtturm“-Herausgeber in Thurgau).

    Auch in der Schweiz, aber in Zürich und Winterthur, wurde 1841 das „Literarische Comptoir“ gegründet und Julius Fröbel verlegte als erstes Werk Georg Herweghs  „Gedichte eines Lebendigen“. (5)

    Das Buch wurde ein Bestseller.

    Herwegh wurde ins Rampenlicht katapultiert, seine Gedichte trafen den Nerv der Zeit.

    Seinem Gnadengesuch wurde stattgegeben (gegen ihn bestand immer noch ein Haftbefehl wegen Fahnenflucht).
    Nun konnte er wieder in die deutschen Länder reisen.
    Es wurde ein Triumphzug des Weltbürgers, des ehernen Sängers, von Mainz nach Köln (dort lernte er K. Marx kennen) bei Fackelzügen und Banketten, über Leipzig, wo sie unterm Balkon seine Gedichte rezitierten und ihn mit einem Lorbeerkranz schmückten. In Dresden lernte er Arnold Ruge kennen, der ihn wiederum mit Bakunin und Turgenjew bekannt machte. Dann reiste er nach Berlin.

    Hier fieberte bereits Emma, die selbstbewusste Tochter des sehr vermögenden Seidenwaren- und Modehaus-Besitzers Siegmund, im gleichen Monat und Jahr wie Georg geboren, seiner von ihr arrangierten Ankunft entgegen.
    Georg kannte Emma nicht, aber Emma hatte sich schon bei der Lektüre der „Gedichte eines Lebendigen“ in ihren Poeten verliebt.
    Jetzt stand er vor ihr.
    Acht Tage später verlobten sie sich.

    Dann Herweghs Audienz beim preußischen König.
    Stumm und ehrfurchtsvoll blieb er wohl, und „machte seinen Diener“ (Heine).
    Erst im nach hinein rechtfertigte er sich mit seinem „Wort unter vier Augen“. Als dieses Schreiben (angeblich durch Indiskretion) veröffentlicht wurde, musste Herwegh Preußen innerhalb eines Tages verlassen, trennte sich von seiner Verlobten und reiste in die Schweiz, wo er sich die Bürgerrechte im Kanton Baselland kaufte.

    Dort heirateten Georg und Emma am 8. März 1843.
    Emma war eine schöne, temperamentvolle, intelligente Frau und eine gute Partie. (6).

    Die Hochzeitsreise führte über Frankreich nach Italien. Mit dem Schiff dann nach Neapel, für sieben Wochen. Sie zogen nach Paris, ans Seineufer. Das Ehepaar Marx und Ruge wohnten um die Ecke.

    Georg schrieb für den „Vorwärts!“, eine kritische Zeitung, die bald wegen „politischer Beiträge“ verboten wurde.

    Er hatte ein Verhältnis mit Marie Comtesse d’Agoult. Über sie lernte er Liszt kennen, der einige seiner Gedichte vertonte, u.a. das „Rheinweinlied“(7).

    Die Herweghs zog es, mit ihren Freunden Carl Vogt und Michail Bakunin ans Meer, nach St. Malo, nach Nizza.
    Sie fieberten der Revolution entgegen.
    Die ließ auf sich warten. So hatte man Zeit und Muße, Georg widmete sich der Meeresbiologie (8).

    Dann kam sie doch, die Revolution.
    Der französische König floh nach England.
    Auf der anderen Rheinseite forderten Hecker und Struve die deutsche Republik.

    In Paris sammelten sich die deutschen Handwerker in der Deutschen demokratischen Gesellschaft und Herwegh schrieb an Hecker, nannte 5.000 Mann, die „binnen acht Tagen an der Grenze stehen können.“ (9).

    Nach einigem Exerzieren, vielen Hurra-Rufen und endlosen Reden, zog schließlich ein bunter Haufen von etwa 700 Mann nach Straßburg.

    In Konstanz rief Hecker die Republik aus, zog gen Norden nach Engen.
    Die unerschrockene Emma Herwegh suchte ihn dort auf und bot Hilfe an.

    Am Ostermontag 1848 überquerten ein Poet, der kein Stratege war,
    dessen Frau, die sich vor nichts fürchtete, außer dass ihrem Georg ein Leid geschehen könnte,
    ein paar charakterstarke Kommandeure
    und ungefähr 600 Mann, die 200 Gewehre hatten (der Rest nur Sensen),
    den Rhein,
    um im Vaterland „der Freiheit eine Gasse zu brechen“.

    Es war eine Sackgasse.
    Das Großherzogtum Baden hatte, zusammen mit Hessen, Bayern und Württemberg mehr als 30.000 Soldaten gegen die Aufständischen aufgeboten.
    Hecker und Struve waren bereits geschlagen, die Herwegh’sche Schar konnte nur noch versuchen in die Schweiz zu entkommen.

    Der Tross kam bis Dossenbach (also fast bis Rheinfelden). Eine württembergische Kompanie stellte und besiegte die Freischärler. Emma und Georg entkamen (10).

    Monate später waren sie wieder in Paris.

     

     Zu Frankfurt an dem Main
    Die Wäsche wird nicht rein;
    Sie bürsten und sie bürsten,
    die Fürsten bleiben Fürsten
    Die Mohren bleiben Mohren
    Trotz aller Professoren
    Im Parla – Parla – Parlament
    Das Reden nimmt kein End’!

     

    In Wien machte Fürst zu Windisch-Graetz mit den Revolutionären kurzen Prozess. 2.000 Menschen starben. Der Abgeordnete Robert Blum wurde, trotz seiner Immunität als Abgeordneter, erschossen.

    Georg zog sich zurück. Alle Politik sei Schund, nur die Naturwissenschaft sei wahr.

    Wahr war auch Georgs Liaison mit Natalie Herzen (11). Aus dem Karneval der freien Liebe wurde eine Tragödie (12).

    Zwischen Herwegh und Wagner entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Mit Liszt zusammen, schwärmten sie von großen gemeinsamen musikalischen Werken.

     

    Einige Jahre später wurde Georg in die Führung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins berufen und nach Drängen Lassalles verfasste er sein berühmtes Bundeslied:

    Menschenbienen, die Natur,
    Gab sie euch den Honig nur?
    Seht die Drohnen um euch her!
    Habt ihr keinen Stachel mehr?

    Mann der Arbeit, aufgewacht!
    Und erkenne deine Macht!
    Alle Räder stehen still,
    Wenn dein starker Arm es will.

     

     

     Die finanzielle Situation der Herweghs verschlechterte sich.
    Georg musste auch seine Bibliothek verkaufen und floh vor den Gläubigern aus Zürich.
    Er ließ sich in Baden-Baden (Sophienstraße) nieder. Im Oktober 1866 kam Emma mit den zwei Kindern (Ada und Marcel) nach.
    Die Familie zog nach Lichtental.
    Georg übersetzte Shakespeare.

    Was kein freier, deutscher Patriot sich vorgestellt hatte: nicht die Revolutionäre schufen mit dem Volk „von unten“ ein Deutschland, sondern Bismarck tat dies, mit „Blut und Eisen“, „von oben“ - wie er es angekündigt hatte.

    Georg war entsetzt.


    „Germania mir graut vor dir! Mir graut vor dir, ich glaube fast, daß du, in argen Wahn versunken, mit falscher Größe suchst zu punkten, und daß du, gottesgnadentrunken, das Menschenrecht vergessen hast“.

     

    Wo waren alle seine Freunde? Tot, ausgewandert, auf der anderen Seite?
    Er hatte nur noch wenige, z.B. Carl Dernfeld (Architekt der Kirche St. Bonifatius in Lichtental und des neuen Friedrichsbades).

    Um Georg wurde es einsam.
    Im Alter von 58 Jahren starb er im April des Jahres 1875 an einer Lungenentzündung.

    Emma bestattete ihren geliebten Georg in der Schweiz, im Kanton Baselland in „freier republikanischer Erde“.

    Sein Wunsch, nach dem erhofften Zusammenbruch „Germaniens“ auf seinem Grabstein die Zeilen „Getrost mein Vater, Preußen ist nicht mehr!“ hinzuzufügen, wurde nicht erfüllt.

     

    Die Fragen sind erledigt,
    Die Pfaffen machen bim bam bum;
    Den Armen wird gepredigt
    Das Evangelium.


    (1) Georg erkrankte wahrscheinlich an der Autoimmunkrankheit Chorea, die wie   Parkinson, durch einen Zerfall der Basalganglien eingeleitet wird.

    Demgegenüber war der Veitstanz ein mittelalterliches Massenphänomen in Europa.
    „Die Menschen tanzten......... mit vielerlei Verrenkung,......bis sie zur Erde fielen.“
    Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges werden die Berichte über die „Tanzwut“ spärlicher.

    (2) 1780 entdeckte Luigi Galvani bei Induktionsversuchen mittels Lichtbogenentladungen den Einfluss elektrischer Ströme auf Muskelgewebe bei Fröschen. Verschiedene Metalle und natürliche Magnete galten alsbald als Stoffe mit großer, positiver Wirkung auf den menschlichen Organismus (Mesmerismus).

    (3) Dazu musste Georg eine Prüfung in Latein, Griechisch und Hebräisch ablegen.  

    (4) Die Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse sorgte für ein Klima der Angst. Verbote und Verordnungen bestimmten auch das studentische Leben von Georg.
    Im Stift gab eine strikte Kleiderordnung, der Alltag war minutiös vorgegeben.
    Studentische Organisationen waren verboten. Einrichtungen, wie Turnvereine, aber auch Gartenvereine, waren verboten. Die inländische Presse wurde scharf zensiert, Publikationen aus dem Ausland unterbunden.

    (5) Ein Gedichtband voller Klischees, aber auch Hoffnung mit martialischem, aber auch geflügeltem Vokabular, Zitate: „Reißt die Kreuze aus der Erden! Alle sollen Schwerter werden“, „Voran zum heiligen Krieg“, oder „Und durch Europa brechen wir der Freiheit eine Gasse“, aber auch „O wag’ es doch, nur Einen Tag, Nur Einen, frei zu sein“.
    Heinrich Heine, der Georg Herwegh als „eiserne Lerche“ bezeichnete (in einem Gedicht, was er zu Lebzeiten nicht veröffentlichte), war gegen diesen „Wartburger Spuk“.

    (6) Herwegh, der noch zwei Jahre zuvor um Schuhe betteln musste, erhielt jetzt als Vorschuss auf Emmas Mitgift 20.000 Francs pro Jahr. Ausserdem verdiente er durch die Einnahmen seines Bestsellers anfangs gut.
    20.000 Francs entsprachen damals (1850) ungefähr 6.000 Taler.
    Der Wochenlohn eines Webers betrug 3 Taler und 3 Silbergroschen.

     

    (7) Rheinweinlied:

    Wo solch ein Feuer noch gedeiht,
    Und solch ein Wein noch Flammen speit,
    Da lassen wir in Ewigkeit
    Uns nimmermehr vertreiben.
    Stoßt an! Stoßt an! Der Rhein,
    Und wär’s nur um den Wein,
    Der Rhein soll deutsch verbleiben.

    Der ist sein Rebenblut nicht wert,
    das deutsche Weib, den deutschen Herd,
    Der nicht auch freudig schwingt sein Schwert,
    Die Feinde aufzureiben.
    Frisch in die Schlacht hinein!
    Hinein für unsern Rhein!
    Der Rhein soll deutsch verbleiben.

     

    (8) Im 19. Jahrhundert entwickelten sich die Naturwissenschaften (und die Industrialisierung) in einem atemberaubenden Tempo. Physik, Chemie und Biologie wurden eigenständige Wissenschaften. Es war chic, biologische Studien und Versuche durchzuführen, man suchte das „Lebensprinzip“ zu ergründen.

    (9) In Paris lebten um diese Zeit ca. 50.000 deutsche Handwerker. Im Frühjahr 1848 wurden viele arbeitslos. Vor allem Bornstedt organisierte die Legion, sammelte Geld und Waffen. Herwegh wurde zum Präsidenten der Liga ausgerufen.

    (10) Die Umstände der Flucht, Georg soll sich im Spritzleder (das ist ein Lederschutz an der Seite von Kutschen und Wagen) versteckt haben, führte zu Spottgedichten, „....Heiß fiel es dem Herwegh bei, Daß der Hinweg besser sei...“.

    (11) Natalie Herzen, war die zarte, feine, intelligente Ehefrau von Alexander Herzen, einem adligen Schriftsteller, Publizist und Spross einer reichen russischen Familie. Alexanders Eltern heirateten nicht, er war ein Herzenskind und hieß deshalb Herzen.

    (12) Nach einigem Hin und Her zogen die beiden Paare nach Nizza in ein von Herzen angemietetes Haus.
    Die Herweghs waren nahezu pleite. Emma nahm bei Alexander Herzen einen Kredit über 10.000 Francs auf.
    Die Tragödie begann.
    Große Emotionen, angedrohte Abreisen, Georg flehte Alexander Herzen (über Emma) an, ihm das Leben zu nehmen, Natalie forderte dies von von Georg und Emma bot Alexander an, bei ihm zu bleiben, wenn er Natalie freigäbe.
    Emma trennte sich von Georg, er zog nach Zürich und schrieb weiter seine Liebes-und Rechtfertigungsbriefe an Natalie. Alexander und Natalie versöhnten sich.
    Er schrieb, beleidigend an Alexander. Den Antwortbrief von Natalie schickte er zurück, vertuschte dabei ungeschickt, dass er ihn gelesen hatte.
    Natalie starb nach einer Totgeburt.
    Zwei alte Freunde Alexanders (Haugh und Tessié) suchten Herwegh in dessen Hotel auf. Herwegh leugnete, wurde von Haug geohrfeigt und zum Duell aufgefordert. Herwegh kniff.
    Georg und Emma versöhnten sich und zogen wieder zusammen.

     

    Literatur:
    Ulrich Enzensberger, Herwegh Ein Heldenleben, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 1999
    Ein wunderbares Buch, aus dem die meisten Zitate dieses Beitrags stammen.

    Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz, Herausgeber G.Herwegh, BiblioLife

     

    Bildnachweis:
    Georg Herwegh, gezeichnet von Emma Siegmund 1842, Herwegh Archiv, Dichtermuseum Liestal

    Museen:
    Dichtermuseum Liestal, Baselland



    Revolutionslied ça ira

     

     

     

     

     

       Emma Herwegh

    Biografie von Emma Herwegh

     

    Willi Andreas Weishaupt 2015
    © Baden-GEO-Touren

     

     

  • Geschichte von Baden-Baden

    Geschichte von Baden-Baden

     

     

    Baden-Baden liegt in einem Seitental des mittleren Oberrheingrabens,  umgeben von einem grandiosen Panorama ehemaliger Vulkanhügel, die eine weite Sicht über die Rheinebene, das Murgtal und den Schwarzwald erlauben.

    Der Oberrheingraben ist, bedingt durch seine Entstehungsgeschichte eine ganz eigene Landschaft.

     

    Kloster Lichtenthal 1 A

     THEMA Baden-Baden

     

     

     

         Panorama auf dem Merkur 500

     

    Klimatisch ist Baden-Baden besonders begünstigt. Oft erreicht die warme Luft aus dem Süden über die Rhône, bzw. die Saône die Rheinpforte und wärmt den weiten Graben.
    Die Pfälzer Berge, die Vogesen und der Schwarzwald schützen das Tal.

    Und es gibt die Thermalquellen. Schon über Jahrzehntausende hinweg liefert eine Störungszone, die sich wohl bei der Hebung des Schwarzwalds bildete, die Energie, um Wasser, tausende von Metern tief, auf fast 70 Grad aufzuheizen und dieses, angereichert mit den Mineralien des Tertiärs, an die Oberfläche zu befördern.

    Gewaltige Sinterhügel wuchsen einstmals am Florentinerberg (auf diesem befindet sich heute das Neue Schloss), die jedoch vor dem Bau des Friedrichsbades (1870) abgetragen wurden.

     

    Florentiner Berg

     

    Heute wachsen an diesem Hang die Südfrüchte.

    Und die Quellen sind auch schon lange gezähmt, doch davon später mehr.

    Sicherlich kamen schon in der Frühzeit des Menschen diese auf ihren Streifzügen durch das Tal. Zeugnisse einer dauerhaften Besiedlung gibt es jedoch bis heute nicht.

    Erst die Kelten hinterließen dauerhafte Spuren.

    Eine Wallanlage auf dem Battert ist keltischen Ursprungs und Schloss Hohenbaden steht sicherlich auf keltischen Fundamenten.
    Um Hügelsheim/Söllingen wurden mehrere keltische Grabhügel gefunden, unter ihnen der „Heiligenbuck“, ein frühkeltischer Fürstengrabhügel aus der Hallstattzeit (600 v.Chr.).

    Als die Römer im ersten Jahrhundert n.Chr. ihre Rheinlinie absteckten und Straßen und militärische Wehranlagen errichteten waren die Thermalquellen für sie eine willkommene Bereicherung. Ein kleines Kastell wurde errichtet.

    Die römischen Soldaten fassten die Quellen, nutzten das warme, heilsame Wasser für sich und für ihre Pferde und nannten die Siedlung Aquae (Bad).
    Bald wurden die ersten Steinbauten errichtet.

    Nachdem sich der römische Kaiser  Caracalla in den Thermen von Baden-Baden an der Ausava (Oos) von den Kriegsstrapazen erholt hatte, ließ er die Kaiserthermen erbauen und gab der Stadt den Namen Aquae Aureliae.

    Dann vertrieben die Alemannen die Römer.

     

    „Die Alemannen wohnten nun, etwa vom Jahr 237 nach Christi Geb., in dieser Gegend, und die Oos und die Murg bildeten die nördliche Grenze ihres Gebietes. An Aurelia’s Stelle sehen wir im Laufe der Zeit einen Ort sich erheben, den wir zuerst in einer Urkunde Dagobert’s II. vom Jahr 675 als eine Ostfränkische Besitzung unter dem Namen „Baldin“ erwähnt finden; späterhin begegnet er unserem Blick als der Hauptort des Oosgau’s (auch Uffgau, Usgau), sogenannt von dem Bergwasser, das bei seinem Ursprung Beinnersbach, weiter Oosbach und zuletzt Oelbach heißt.“

    So beschreibt August Schnezler, ein Redakteur und passionierter Sagensammler, 1846 die Gründungsgeschichte von Baden-Baden.

     

    Die Alemannen interessierten sich wenig für bauliche, römische Hinterlassenschaften.
    Ob der Ort weiterhin noch existierte, oder die Thermalquellen genutzt wurden, wissen wir nicht.

    Als die Franken die Alemannen vertrieben, wurde die Oos Grenzfluss und damit auch Sprachgrenze zwischen den beiden Völkern.

    Erst im 8. Jahrhundert finden sich spärliche Dokumente über neu geschlossene Besitzverhältnisse in der Region.

    987 jedenfalls erhält es der Graf Manegold vom späteren Kaiser Otto III. und in dieser Schenkung wird als Ortsname „Badon“ genannt.

    Dann bekommt Hermann II. vom Kaiser Baden-Baden (und Kloster Selz) geschenkt, weil er sich im Investiturstreit auf die richtige Seite schlägt.

    Er nennt sich „Marchio de Baduon“, damit ist er der erste Markgraf von Baden.

    Diese Familie wird über die nächsten acht Jahrhunderte die Entwicklung Baden-Baden’s maßgeblich beeinflussen.

    Es gab Markgrafen wie Jakob I. (1407-1453), der als gerechter Landesherr in den Schriften erwähnt wird, oder Christoph I. (1453-1527), der viel für Wachstum und Wohlstand seiner Markgrafschaft getan hat, und es gab andere wie Philipp II. (1569-1588), der eine brutale Rekatholisierung betrieb und in seiner Regierungszeit 15 Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrennen ließ, oder Eduard Fortunat, der mit seinem verschwenderischen Lebensstil sein Land in den Bankrott trieb, oder Wilhelm (1593-1677) der die Scheiterhaufen (Hinrichtungsstätte, an der heutigen ev. Stadtkirche) wieder zum Brennen brachte.

    Wie sah es aus, das „alte“ Baden (Baden-Baden)?

    Das zeigt uns eine Merian Karte aus dem 17. Jahrhundert (1643).

    Zentrum des Ortes war der Marktplatz, früher befanden sich hier die römischen Bäder. Jetzt stand auf diesem Platz die Stiftskirche (Pfarrkirche Peter und Paul).

     

    Ansicht von Baden-Baden nach Merian 600

    Die Stadtmauer gab es bereits seit Mitte des 14. Jahrhunderts.

    Fünf Tore hatte die Stadt. Ein hinteres und oberes Tor zum Schloss, und eines zur Oos, eines nach Beuern (Lichtental) und eines nach Gernsbach (zum Spital) .

    Außerhalb der Stadtmauer (rechts) befand sich die Spitalkirche und der Friedhof.
    Das Alte Schloss – Hohenbaden im Hintergrund (A) und das Neue Schloss (B) auf dem Florentiner Berg dominierten die Stadt.

    Im unteren Bildrand erkennt man die Oos. Hier standen mehrere Mühlen.

    46 Jahre nach der Entstehung dieses Merian-Stiches gab es dieses Baden-Baden nicht mehr. Die Franzosen hinterließen im Pfälzischen Erbfolgekrieg östlich des Rheins nur  verbrannte Erde.

    Nur langsam erholte sich unser Städtchen von den im Raum Baden fast einhundert Jahre lang andauernden Kriegen.

    Mit dem Frieden von Rastatt (1714) verbesserten sich die Lebensumstände, auch in Baden.

    Aber es dauerte noch eine Generation bis auch die Glocken der Stiftskirche wieder läuteten.

    Baden-Baden war zu dieser Zeit eine arme Stadt mit ca. 2.000 Einwohnern. Das Neue Schloss stand leer.

    Als August Georg Simpert von Baden (1706-1771) ohne männliche Nachkommen starb, endete damit auch die Linie der Markgrafen von Baden-Baden und Baden-Baden gehörte zu Baden-Durlach. Die Markgrafschaft Baden entstand.

    Zwei Jahre später wurde das Jesuitengymnasium, die einzige höhere Lehranstalt der Markgrafschaft geschlossen.

    Die Baden-Badener versuchten zu überleben, die Pariser revoltierten.

    Als die französische Revolution dort die Landhäuser des Adels und des reichen Bürgertums erreichte, übersiedelten einige Damen und Herren nach Baden-Baden.
    In Baden-Baden baute man ein hölzernes Promenadenhaus außerhalb der Altstadt, auf der gegenüberliegenden Oosseite.

    Heute steht dort das Kurhaus und die Trinkhalle.

    Auch die Friedensverhandlungen in Rastatt (1797-1799)  spülte viele Diplomaten in die nahe Kurstadt.

    Aloys Schreiber, der noch Schüler des Jesuitenkollegs war, verfasste den ersten Reiseführer, der nicht nur den Kurbetrieb, sondern auch die „Schönheiten“ von Baden-Baden beschrieb, ein Begriff, der in der folgenden Romantik den Aufstieg der Stadt zur Kurstadt wesentlich befördern sollte.

    „Baden-Badens Glück ist seine Schönheit, nur seine Schönheit. Bäder gibt es auch anderswo, Vergnügungen gibt es anderswo besser und bequemer, gute Hotels, Sportfeste, Ärzte und Läden sind keine Privilegien Baden-Badens. Eines aber hat Baden-Baden, dessen gleichen es in Europa nicht gibt, seine Schönheit“, schrieb im späten 19. Jahrhundert der Arzt Georg Groddeck in seiner Zeitschrift.

    Das Neue Schloss wurde herausgeputzt, schließlich kam der Kurfürst  zur Kur.

    Ein „Star-Architekt“ der damaligen Zeit - Friedrich Weinbrenner (1766-1826) - wurde engagiert. Unter seiner Regie entstanden Bauten wie ein „Museum Paleotechnikum“ (Antiquitätenhalle), die (alte) Trinkhalle (hinter der Stiftskirche), das Hotel Badischer Hof und das Kurhaus. Heute vermittelt nur noch die Villa Hamilton (Leopoldsplatz) Weinbrenners Stil. Alle anderen Gebäude wurden entweder abgerissen (Antiquitätenhalle, alte Trinkhalle) oder umgebaut (Hotel Badischer Hof, Konversationshaus, heute Rathaus, Kurhaus).

    Der Aufstieg von Baden-Baden zur Bädermetropole begann.

    Willi Andreas Weishaupt 2015

     

  • Geschichte von Freudenstadt

    Freudenstadt
     

    ist eine auf dem Reißbrett geplante Stadt, konzipiert als archetektonisches Abbild der hierarchischen Gesellschaftsstruktur des 17. Jahrhunderts. (1)

    Herzog Friedrich I. von Württemberg (1557-1608) (2) war deren Gründer. 

    Der Ort war gut gewählt. Friedrich kontrollierte damit den Schwabenweg,den Handelsweg zwischen Ulm und Straßburg. Der führte von Oppenau hinauf zum Kniebispass. 

    Im nahe gelegenen Christophsthal (Freudenstädter Revier) wurden seit dem 13. Jahrhundert Silber-, Kupfer- und Eisenerze abgebaut.

     

    Christophstaler Münze Von Stadtarchiv Freudenstadt Landesbildungsserver Baden Württemberg Gemeinfrei

    Christophstaler Münze Von Stadtarchiv Freudenstadt - Landesbildungsserver Baden-Württemberg

    Friedrichs Stadt war ein Refugium für die Protestanten, eine Antwort auf die Rekatholisierung  von 1597.

    So entstand im nordöstlichen Schwarzwald auf einem strategisch günstig gelegenen Hochplateau eine befestigte Residenz. 

    Freudenstadt Dreizeilenplan Von Heinrich Schickhardt Hauptstaatsarchiv Stuttgart N 220 B 2 1 Bl. Gemeinfrei R

    Freudenstadt, Dreizeilenplan Von Heinrich Schickhardt - Hauptstaatsarchiv Stuttgart N 220 B 2, 1 Bl.

     

    Sein Baumeister, Heinrich Schickhardt (3) entwarf Freudenstadt nach den Plänen von Dürers „Befestigungslehre“.Eine quadratische Anlage, je ein Turm in der Seitenmitte. Wie ein Schachbrett. Das Innere ist in neun gleiche Felder geteilt und das mittlere Feld bildet den Marktplatz. In einer Ecke sollte das Schloss liegen. Nicht akzeptabel für den Herzog. Er ist der Mittelpunkt, das Zentrum, also muss das geplante Schloss auch in der Mitte des Platzes liegen.

    Am 22. März 1599 wurden im Beisein des Herzogs im förchtig wilden Walddie ersten Häuser und Straßen abgesteckt. 

    Am 2. Mai legte seine Durchlaucht selbst den Grundstein für die Stadtkirche. 

    Die Bergleute brachten eine Silber- und eine Kupferstufe (Leib und Blut Christi) in die Grundmauern der neuen Kirche ein.

    Das Wasser bekam die Stadt damals von den Langenwaldquellen. Über einen fast 4km langen Teuchelweg (Wasserleitungsrohre: 4m lange Tannenstämme, in Längsrichtung durchbohrt) wurde das Wasser zum Marktplatzbrunnen geleitet. Jahrhunderte lang existierte diese Wasserleitung.

    Wasserleitung Reichenbach 

    Wasserleitung, Stadtmuseum Reichenbach

     

    1608 stirbt Friedrich mit 51 Jahren, vier Jahre später ist die Innenstadt aufgebaut.

    „Friedrichstadt“wurde bald „Freudenstadt“ genannt, die Stadt wuchs dank den protestantischen Glaubensflüchtlingen. 

    Das Schloss jedoch wurde nie gebaut. Die Einwohner vermissten es nicht, hatten sie doch wenigstens auf dieser Freifläche Raum für den Anbau von Gemüse und Kartoffeln. Auch die Misthäufen hatten dort ihren Platz.

    Dann kamen schlechte Zeiten für die Stadt. Hungersnöte und Krankheiten und 1632  ein Feuer, das große Teile der Stadt verwüstete. 1634 zerstörten die Österreicher das was übrig geblieben war und ein Jahr später entvölkerte die Pest die Stadt endgültig (3.000 Einwohner hatte die Stadt, 1636 nur noch 300).

    1749 werden einzelne Teile des Markplatzes an Bürger verpachtet und als Nutzgärten angelegt.

     

    Der Bergbau wird eingestellt. Die Heilquellen sprudeln.

    Freudenstadt wandelte sich.

    Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich Freudenstadt zu einem bekannten und beliebten Kurort - auch durch die Eisenbahnanbindung (Gäubahn zwischen Eutingen und Freudenstadt). 

     

    1899 feiert die Stadt ihr 300-jähriges Bestehen mit König Wilhelm II. und Königin Charlotte. 

     

    Im 1. Weltkrieg war die Stadt ein großes Lazarett.

     

    Von 1939 an wurde am Kniebis das Führerhauptquartier Tannenberg ausgebaut. 

    Am Schliffkopf und der Hornisgrinde wurden Flak-Stellungen aufgebaut.

    1940 „weihte“ Hitler Tannenberg ein und ließ sich nach dem Frankreich-Feldzug in Freudenstadt feiern. 

     

    Am 16. April 1945 kurz vor Kriegsende kam der Krieg nach Freudenstadt. 

    Der französische General Lattre de Tassigny war auf dem Weg nach Stuttgart.

    Die Wehrmacht hatte die Brücken gesprengt. Stundenlang wurde die Innenstadt bombardiert, stundenlang beschossen. 

    95% der Altstadt verbrannten. Viele starben, viele Frauen wurden vergewaltigt.

    Als „Manoeuvre de Freudenstadt“ fanden die Ereignisse dieser Tage Eingang in die endlose Liste der Kriegsverbrechen des Zweiten Weltkriegs.

    Drei Tage dauerte das Inferno. 

     Freudenstadt 1945 R

    Freudenstadt, Stadthaus, Heimatmuseum 

     

    Danach, zuerst ein mühsamer Anfang. 

    1950 wurde Weihnachten in der Stadtkirche gefeiert.

    Dann ein rascher Wiederaufbau, das „Wunder von Freudenstadt“. 

    Und immer Streit um die weitere Nutzung des Marktplatzes, der der größte umbaute Marktplatz Deutschlands ist. 

    Freudenstadt ist heute eine Stadt mit ca. 24.000 Einwohnern und durch ihre Lage hervorragend geeignet, um mit der Albtalbahn das Murgtal oder über die älteste Ferienstraße Deutschlands den Schwarzwald und den alten Schwabenweg zu erkunden.

    Freudenstadt R

    Monumente, Bettina Vaupel, Karlsruhe oder die Liebe zur Geometrie

     

    Wir überqueren den Marktplatz und nähern uns der Evangelische Stadtkirche mit ihrem rechtwinkligen, nach NO ausgerichteten Grundriss (Uhrenturm im N).

    Evangelische Stadtkirche 400

     

    Die Winkelkirche in Freudenstadt wurde als solche konzipiert.

    Im 19. Jh. saßen Männer und Frauen hier getrennt in den beiden Kirchenschiffen.

    Weibergestühl und Männergestühl

    Beeindruckend ist noch heute die zentrale Mitte, die durch die zwei sich überlagernden Rechtecke geschaffen wird.

    Die Kirche besitzt einen Lesepult und einen Taufstein aus dem 12. Jahrhundert.

     

    Lesepult 300 Taufstein 300

     

     

    (1) Die Idee der „Idealstädte“ bekam mit Beginn der italienischen Renaissance neue Impulse. 

    Das Ziel war eine klar strukturierte Stadt, die die kosmische und die weltliche Ordnung und Hierarchie darstellen und nach persönlicher Auslegung, die absolute Macht des Landesherrn repräsentieren sollte.

    Karlsruhe (Fächerstadt) und Mannheim(Schachbrettstadt) sind weitere Beispiele dieses Architekturkonzepts.

     

     (2) Friedrich der I. von Württemberg nutzte intensiv die Bodenschätze (Silber, Kupfer und Eisenerze) seines Herzogtums. Er stellte Alchimisten ein, die die Lagerstätten untersuchten und analysierten. Bei Erfolglosigkeit wurden sie hingerichtet.

    1604 richtete Friedrich I. im Christophstal eine Münzstätte ein und ließ den Christophstaler herstellen. So umging er die Stuttgarter Münzpräge.

     

    (3) Heinrich Schickhardt von Herrenberg (geb.1558 in Herrenberg † 1635 in Stuttgart) war der bedeutendste Baumeister der Hochrenaissance in Deutschland.

    Schickhardt baute Brücken (Köngen), Festungen, Schlösser, Kirchen, Städte.

    Europ. kulturstrasse H.Schickhardt

    Literatur:

    Markus und Meinrad Bittmann, Das Murgtal, Kreisarchiv Rastatt

    Bettina Vaupel, Karlsruhe oder die Liebe zur Geometrie, Monumente

    Mannheimer Morgen, Konstantin Groß, 7. April 2018

    Wikipedia

    Brockhaus Konversationslexikon, 1902, Freudenstadt 

     

    Bildnachweis:

    Wikipedia Commons

    Bettina Vaupel, Karlsruhe oder die Liebe zur Geometrie, Monumente 

    WAW, eigenes Werk

    Wikimedia commons

     

    Museen:

    • Heimatmuseum im Stadthaus, mit sehr guten Sonderausstellungen
    • Besucherbergwerk Freudenstadt
  • Geschichte von Pforzheim

    Geschichte von Pforzheim
    Stadt des Geistes (Humanismus), des Handels und des Goldes

    Wir sind in einem Ballon unterwegs und befinden uns am Rand des nord-westlichen Schwarzwaldes. Wir fahren weiter nach Norden, in die Kraichgausenke.

    Unten auf der Erde fliessen drei Flüsse (Enz, Nagold und Würm) ihrem Mündungsziel in Pforzheim entgegen.

    Pforzheim ENW

    Wir landenan der Enz, bei der heutigen Altstädter Brücke.

    Hier verlief die Römerstraße von Ettlingen nach Cannstatt und hier, an der Furt entstand der Ort.

    In der Nähe (Friolsheim) wurde ein römischer Leugenstein mit der Aufschrift „A PORT L V“ (Von Portus 5 Leugen) gefunden, Portus hieß die Siedlung bei den Römern.

    Erst im 11. Jahrhundert taucht „Fortzheim“ in einer Urkunde (Heinrich IV.) wieder auf.

    Anfang des 13. Jahrhunderts übernahmen die Badischen Markgrafen (Hermann V.) die beiden Städte, die an der Enzfurt und die „Neue Stadt“ am Schloßberg. 

    Pforzheim war vom 13. bis zum 16. Jahrhundert mit ihren ca. 3.000 Einwohnern die größte Stadt der Markgrafschaft.

    Berühmt und geschätzt wurde die dortige Lateinschule.

    Johann Reuchlin, in Phorce (so seine Schreibweise) geboren und Philipp Melanchthon (aus Bretten) waren die zwei bekanntesten Schüler.

    Im Jahr 1502 gründete Thomas Anshelm aus Baden-Baden hier eine Buchdruckerei.

    Er druckte fast alle Werke Reuchlins.

    So kam der Humanismus von Pforzheim über die Nagold und den Neckar zum Rhein und damit in die weite Welt.

    Ein Stich von Merian (1643) zeigt uns die Stadt.


    Pforzheim nach MERIAN 600

    Die Stadtanlage zieht sich vom markgräflichen Schloss bis hin zur Enz und zur Nagold.

    Zu dieser Zeit lebten die ca. 3.500 Einwohner vom Handel, der Flößerei, von der Landwirtschaft und vom Fischfang, von der Produktion (Textilien).

    Pforzheim beherbergte drei Klöster und  zwei Spitäler.

    Jahre später gab es diese Stadt nicht mehr.

    Bayrische Truppen legten bei ihrem Abzug 1645 Feuer an.

    Im pfälzischen Erbfolgekrieg brannten die Franzosen Pforzheim dreimal nieder, 1692 bis auf die Grundmauern.

    Ein paar Hundert Menschen blieben.

    Hugenottische Religionsflüchtlinge bauten gemeinsam mit den Einwohnern die Stadt wieder auf.

    Als Markgraf Karl Friedrich 1767 dem wendigen und windigen Franzosen Jean François Autran das Privileg gab, im Waisenhaus (dem ehemaligen Dominikanerinnenkloster) eine Uhren- und Bijouterie-Fabrik zu gründen, begann Pforzheims Aufstieg zum „Klein-Genf“, wenn auch anfangs etwas holperig.

    Autran lockten die billigen Arbeitskosten im Waisenhaus (ca. 200 Kinder), sowie die Kapitalbeteiligung des Markgrafen.

    Doch die Schweizer beherrschten den Markt und die Pforzheimer-Uhrenindustrie schwächelte.

    Nicht so die Schmuckproduktion.

    Sie verlor durch den notwendigen Verkauf (Autran war pleite) zwar ihre Privilegien (und der Markgraf viel Geld) aber es entstanden, durch die von Karl Friedrich eingeführte Gewerbefreiheit, zahlreiche neue kleine und flexible Gewerbebetriebe, die - da oft unter der Leitung der ehemals Privilegierten - „Kabinette“ genannt wurden.

    Das Kabinett war die Kommandozentrale und das Schatzhaus der Schmuckproduktion zugleich. Vom Kabinett aus steuerte und koordinierte der "Kapo", der Kabinettmeister, die Produktion. Er verwaltete und verwahrte auch die verwendeten kostbaren Materialien

    1838 gab es 54 Kabinette in Pforzheim.

    Eine Eisenbahnstrecke und eine neue Straße wurden gebaut.

    1873 überzeugte der „Franzosen-Weber“ einige Pforzheimer Schmuckfabrikanten von den Vorteilen der Doubléfabrikation.****

    Erfindungsreichtum, Wagemut sorgten dafür, dass Pforzheimer Doubléerzeugnisse zum Welt-Standard wurden.

    Zwei Drittel der Pforzheimer Produktion ging in den Export.

    Die Wertsendungen der Post kamen vom Wert her gleich hinter Berlin.

    Pforzheim war reich.

    Dann kam der Krieg wieder in die Stadt.

    Und zu Ende des zweiten versank unser Ort erneut in Schutt und Asche.

    Am 23. Februar 1945 vernichteten in nur 20 Minuten britische Bomber die gesamte Innenstadt und 17.000 Menschen starben.

    Pforzheim hatte die höchsten Verluste aller deutschen Städte, bedingt durch alliierte Bombenangriffe, im zweiten Weltkrieg zu tragen.*****

    Heute ist Pforzheim eine Stadt mit ca. 120.000 Einwohnern und für uns ein Tor zu Exkursionen ins Rheintal, zum Kraichgau, zum Neckar und zum Schwarzwald.

     

    (1)

    Leugensteine gaben die Entfernung bis zum nächsten Ort in gallischen Leugen (2,2 km) an.

    (2)

    Doublé, der „französische Billigschmuck“, wurde bereits im 18. Jahrhundert in Paris und Birmingham produziert. Eine dünne Lage Gold wurde auf ein anderes Metall (Kupfer, Eisen) aufgehämmert, später aufgelötet, dann geschweißt und gehämmert. Schmuck für jedermann.

    Double R

     

    Tafel, Technisches Museum der Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie

     

     

    Literatur :

    Reinhard Mürle, Baden-Württemberg, Pforzheim, 1/85, G.Braun Karlsruhe

    Hans Leopold Zollner, Baden-Württemberg, Pforzheim, 1/85, G.Braun Karlsruhe

    Chris Gerbing, Die Geschichte der Goldschmiedeschule mit Uhrmacherschule (Festschrift zum 250 jährigen Bestehen 2018)

    Bildnachweis : Wikipedia Commons, Willi Weishaupt 

     

    Museen: Reuchlinhaus, Stadtmuseum, Städtische Galerie, Schmuckmuseum Kirchen: Schloss- und Stiftskirche St. Michael

  • Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

    Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen

     

    Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen 240geb. um 1623 in Gelnhausen, † 17. August 1676 in Renchen

    war ein deutscher Schriftsteller. Mit seinem Hauptwerk, dem Simplicissimus schuf er den ersten barocken Roman in deutscher Sprache, der als umfassendstes Dokument des Dreißigjährigen Krieges überragende Bedeutung hat.

     Er stammt aus einer adeligen, später verarmten und verbürgerten Familie, die im 16. Jahrhundert ihren Stammsitz an der Werra aufgab, um sich im protestantischen Gelnhausen (Hessen) nieder zu lassen.

    Hans Jakobs Vater stirbt früh, seine Mutter heiratet erneut und folgt ihrem Mann nach Frankfurt.

    Hans Jakob wächst bei seinem Großvater, einem Bäcker auf, der seinen Adelstitel abgelegt hat und sich einfach Christoph nennt.

    Bis 1634 kann er die Lateinschule besuchen.

    In diesem Jahr kommt der Dreißigjährige Krieg nach Gelnhausen. Die katholische Liga brandschatzt die Region. Hans Jakob kann in die Festung  Hanau flüchten, fällt jedoch den kaiserlichen Truppen in die Hände. [1]

    So erlebt er schon als Zehnjähriger, als Troßbube, die Schrecken des Krieges, nimmt an der blutigen Schlacht bei Wittstock teil und kommt 1639 mit dem Leibdragonerregiment des General Götz nach Baden um das von den Schweden belagerte Breisach zu entsetzen.

    In Offenburg war er Musketier beim Oberstleutnant Hans Reinhard von Schauenburg. Den Schauenburgern diente er später als Schreiber und Sekretär. [2]

    Als dann endlich Frieden war, heiratete Hans Jakob  nach katholischem Ritus die einundzwanzigjährige Catharina Henninger, Tochter eines angesehenen Leutnants im Schauenburgischen Regiment.

    Mit ihr hatte er zehn Kinder.

    Er wurde Verwalter der Schauenburgischen Familiengüter in Gaisbach (bei Oberkirch) in der Ortenau.

    Über den Straßburger Arzt Johannes Küeffer lernt er den Bischof von Straßburg kennen, der ihn 1667 zum Schultheis (Ortsvorsteher, Gerichtsverwalter und Steuereinzieher) von Renchen (bei Oberkirch) macht. [2]

    Nun endlich hat Hans Jakob Christoph, der sich seit seiner Heirat wieder Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen nennt, ein geregeltes Auskommen und vor allem Muße.

    Alle seine Romane schreibt und publiziert er in den letzten zehn Jahren seines Lebens.

    Der abenteuerliche Simplicissimus-1 2401668 erscheint, bei dem Nürnberger Verleger Wolff Eberhard Feißecker einer der ersten Bestseller im deutschen Raum, Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch, unter seinem anagrammatischen Namen GERMAN SCHLEIFHEIM von Sulsfort.

    Er veröffentlicht in rascher Folge das sechste Buch zum Simplicissimus und weitere Romane und Erzählungen.

    Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen stirbt, noch nicht einmal fünfundfünfzig Jahre alt,  am 17. August 1676 in Renchen.

    Durch seine Kriegserfahrungen ist ihm keine Grausamkeit, keine Rohheit fremd.

    Er raubt, betrügt, hurt und mordet wie andere auch in dieser aus den Fugen geratenen Zeit.

    Aber er beobachtet sich und sehnt sich nach einer besseren Welt.

    Die Erzählung ist keine Abenteuergeschichte, sondern ein sich entwickelnder Reifeprozess des Protagonisten in seiner Welt.

    Und über die sagt er:

    „Adieu Welt! Denn bei dir ist nichts Beständiges. Die hohen Türme werden vom Blitz erschlagen, die Mühlen vom Wasser hinweggeführt; das Holz wird von den Würmern, das Korn von Mäusen, die Früchte von Raupen und die Kleider von Schaben gefressen; das Vieh verdirbt vor Alter und der arme Mensch vor Krankheit.“

    Simplicius trifft im Wald auf ein Bildnis des Gottes Baldanders. Der hat ihn geformt:

    Bald groß, bald klein, bald reich bald arm, bald hoch bald nieder, bald lustig bald traurig, bald bös bald gut und in Summa bald so und bald anders.“

    Der Ich-Erzähler wächst im Spessart auf einem Bauernhof auf.

    Er weiß nicht wie er heißt oder wo er herkommt.

    Ein Söldnertrupp  brandschatzt das Gehöft. Der Bub flieht in den Wald und findet einen Einsiedler, der ihn Simplicius nennt und unterrichtet.

    Der Einsiedler stirbt und er wandert fort.

    Die Schweden fangen ihn, dort wird er Hofnarr.

    Dann macht der Sohn des Einsiedlers Karriere, wird der berühmte Jäger von Soest, und sogar reich.

    Er heiratet, verliert sein Vermögen und geht nach Frankreich. Die Damen von Paris erwarten ihn.

    Er hat Pocken, sinkt zum Landstreicher und wird wieder Soldat.

    Er trifft seinen Freund Ulrich Herzbruder und sie beschließen eine Wallfahrt nach Maria Einsiedeln zu unternehmen.

    Simplex heiratet und wird Bauer.

    Er wandert zum Mummelsee, wirft Steine ins Wasser um die dortigen Geister zu rufen. Die  erscheinen und geleiten ihn in phantastische Unterwasserwelten, die miteinander verbunden, bis ins Zentrum der Erde führen.

    Zum Abschied schenkt ihm der König der Sylphen einen Stein der, wenn man ihn auf den Boden legt, eine Mineralquelle hervorsprudeln lässt.

    Beim Weg nach Hause verirrt er sich und trifft Harz- und Holzmacher die ihn argwöhnisch beäugen. Derart abgelenkt, legt er sich hin und denkt nicht mehr an seinen magischen Stein. Alsbald sprudelt eine Heilquelle an seinem Schlafplatz hervor. Enttäuscht und mit „nichts als müde Bein und den Hergang vor den Hingang“ kehrt er zu seinem Bauernhof zurück.

    Als seine Frau stirbt, zieht er nach Russland und Asien und kehrt wieder zurück, um Einsiedler auf einer Schwarzwaldhöhe zu werden.

    Damit endet das fünfte Buch

    Aber diese Behaglichkeit bekommt ihm nicht und so reist er über Italien ins Heilige Land, wird überfallen, als Sklave verkauft und rettet sich in eine Robinsonade.

    Clemens Brentano nennt den Simplicissimus einen der vortrefflichsten Bücher.

    Es hat mir so wollen behagen, Mit Lachen die Wahrheit zu sagen.
    'Simplicius Simplicissimus'

    Quellen:

    [1] Brockhaus Konversations-Lexikon, Neue Revidierte Jubiläums-Ausgabe, Achter Band, 1903

    [2] Emil Ermatinger, Der abenteuerliche SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS, Kiepenheuer & Witsch Köln Berlin, 1968

    Willi Andreas Weishaupt 2014

    Ausflug zum Mummelsee

  • Heinrich Hertz

    Heinrich Hertz


     
    Heinrich Hertz 240Geb. 22. Februar 1857 in Hamburg, † 1. Januar 1894 in Bonn

    war ein bedeutender Physiker. Er entwickelte Maxwells Theorien weiter und hat den ersten Sender elektromagnetischer Wellen theoretisch begründet, entwickelt und angewandt. Auch hat er die von James Clark Maxwell vorhergesagten elektromagnetischen Eigenschaften des Lichtes nachgewiesen.

     

     

     

     

     

  • Historischer Stadtbummel durch Oberkirch

  • Im Fluss der Geschichte - Der Rhein

    Im Fluss der Geschichte - Der Rhein
     
     
     Arnold Forstmann: Nonnenwerth, Rolandseck und Drachenfels
    via Wikipedia Commons
     

    Der Rhein ist ein alter Fluss. Über die Jahrtausende hat er seinen Namen behalten, was auch bei Flüssen selten ist. 

    Und über viele Millionen von Jahren ist er groß geworden. 

    Vor 50 Mio. Jahren:                                                                                                                

    Der älteste der Rheinbrüder ist der Ur-Alpenrhein. Er entwässerte den nordöstlichen Ur-Alpenraum und mündete in die Ur-Donau. 

    Durch den Druck der Alpen zog sich im Alpennordland das Meer immer weiter zurück.

    Vor 40 Mio. Jahren:                                                                                                                

    Der mittlere Rheinbruder, der Ur-Oberrhein entstand. Er entsprang bei Straßburg und mündete bei Mainz ins Meer. 

    Die Alpen wuchsen. Das Land hob und senkte sich.

    Vor 30 Mio. Jahren:                                                                                                                

    Der jüngste Rheinbruder, der Ur-Mittelrhein entsteht. Er wurde bei Koblenz geboren und mündete bei Bonn in die Ur-Nordsee. 

    Vor 25 Millionen Jahren existierten also drei Vorläufer des heutigen Rheins, die jedoch nicht miteinander verbunden waren.

    Vor 15 Mio. Jahren floss der Oberrhein in den Mittelrhein. Dieser Rhein war 500 km lang und bestand über Jahrmillionen. 

     

    Eine Million Jahre vor unserer Zeit war es dann soweit. Die Gletscher der letzten Eiszeit schmolzen weiter und als sich der Rheingraben immer weiter senkte, fand der Ur-Alpenrhein als einziger Alpenfluss seinen Weg nach Norden, zum tiefergelegenen Oberrhein.

    Dann wurde es wieder kälter. Vor 160.000 Jahren lenkten die skandinavischen Gletscher den Rhein nach Westen um.

    Seit 30.000 Jahren besteht das heutige Mündungsgebiet.

     

    Man stelle sich vor, der Rhein hätte einen anderen Weg gefunden.

    Städte wie Basel, Worms oder Köln lägen, wenn sie denn überhaupt gegründet worden wären, nicht an einem sie verbindenden Fluss, sondern am Rande einer gewaltigen Schlucht ähnlich (wenn auch kleiner) dem heutigen Grand Canyon oder dem afrikanischen Rift Valley.

    Aber so kam es nicht. Der Rhein floss gen Norden.

    Die Lachse zogen rheinaufwärts.

    Für unsere Vorfahren war der Rhein eine wichtige Handelsroute.

    Schon vor vielen Jahrtausenden wurden Waren wie Bernstein, von der Nord- und Ostseeküste über Rhein und Rhône, Mittelmeer und Nil nach Afrika und bis nach Asien exportiert.

     

    Wie sah er aus, der Vater Rhein?

     

     

    Johann Ludwig Bleuler: Zusammenfluss von Rhein und Ill,
    von Nordosten (bei Meiningen, Vorarlberg; gegenüberliegende Rheinseite: Oberriet, Kanton St. Gallen); Aquatinta, koloriert
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    Der Alpenrhein war wild und nur sehr eingeschränkt schiffbar. Der Rheinfall war und ist noch heute noch eine unüberwindbare Barriere für den Schiffsverkehr.

    Der Oberrhein war ein kilometerbreiter Strom, mit aufgespülten Sandinseln, Treibsand, breite flache, sumpfige, tote Arme. Jedes Frühjahr (nach der Schneeschmelze in den Alpen) trat er über seine vielen Ufer (es gab nicht nur einen, sondern drei Fluss-Arme, die sich veränderten, mäanderten) und überflutete riesige Flächen.

    Am Oberrhein umspülte der Fluss mehrere tausend Inseln.

    Der Mittelrhein (von Bingen bis Bonn) war der Schrecken der Flößer und Schiffer.

    Nicht nur eine schöne Frau verhexte dort die Männer, starke Strömungen und gewaltige Strudel, verursacht durch Felsen im Fluss, machten die Durchfahrt zum gefährlichen Abenteuer.

    Das Binger Loch verhinderte die durchgehende Befahrung des Rheins.

    Ab Köln war das Flussbett breit und tief und Seeschiffbar.

    Der Rhein war immer ein verbindender Fluss.

     

    Nikolai von Astudin: Blick auf Köln
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    Ein Grenzfluss wurde er in römischer Zeit.

    Auf Galeeren und Flößen brachten die Römer ihre Soldaten in Stellung.

    Innerhalb von 10 Tagen errichteten sie eine 400 m lange Holzbrücke über den Rhein (zwischen Andernach und Koblenz) um einen Rachefeldzug gegen die Germanen zu führen. Nach dem erfolgreichen Rückzug der römischen Legionen wurde die Brücke wieder abgebaut.

    Der Rhein floss nun durch römische Provinzen und beförderte die Güter, die den Reichtum von Rom begründeten.

    Hierzu wurden Städte gegründet, Straßen und Häfen gebaut, Flussmündungen befestigt.

    Straßburg, Seltz, Worms, Mainz, Bingen, Koblenz, Remagen, Bonn, Köln, Neuss, Xanten, Kleve, fast alle linksrheinischen Städte haben römische Wurzeln.

    Ein buntes Völkchen bewohnte die Städte.

    Dann zogen die römischen Garnisonstruppen ab und neue Herren kamen.

     

    Johann Adolf-Lasinsky: Koblenz-Ehrenbreitstein, 1828
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    So auch in Worms. 413 ließen sich die Burgunder dort nieder.

    Sie kamen von der Ostsee und wurden von den Römern in Worms angesiedelt um dort deren Grenzen zu sichern. Ihnen aber lag mehr daran die römische Oberherrschaft abzuschütteln, was ihnen jedoch nicht gelang. Erst wurden sie von den Römern geschlagen (435) und ein Jahr später von den in die Rheinebene einbrechenden Hunnen fast vernichtet.

    Dieses Trauma floss in den Erzählungen ihrer und anderer Nachfahren ein.

    Ein anonymer Autor (1) hat in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts diese damals sehr beliebten Heldensagen zusammengefasst.

    Heute kennt man sie unter dem Namen „Nibelungenlied“.

     

     

    Siegfrieds Tod
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    Und folgt man diesen Gesängen und Versen, hat der Rhein bei Worms den „Nibelungenhort“, seinen gewaltigen Goldschatz bis in die heutige Zeit sicher verwahrt. Noch heute findet man Gold im Rhein.

    An einem Frühlingstag im Jahr 723 verlässt ein 50-jähriger Engländer die Stadt Mainz.

    Seit kurzem ist er Bischof und seitdem rastlos unterwegs. Er ist nicht allein, sondern fränkische Soldaten, Handwerker und Zimmerleute, Schmiede und Steinmetze begleiten ihn.

    Die Expedition hat das Ziel Stützpunkte des Glaubens zu errichten und das Christentum von den heidnischen Irrlehren zu „reinigen.“

    Der Engländer, der später unter seinem vom Papst ausgewählten Namen Bonifatius heilig gesprochen wurde, erreichte die Büraburg (beim heutigen Fritzlar), ein fränkisches Bollwerk, ein Außenposten. Dorthin konnte er sich zurückziehen, falls sein angekündigter Coup, die seit Urzeiten dem Gott Thor geweihte Eiche zu fällen, misslingen würde.

     

    Wirken und Martyrium des Bonifatius
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    Bonifatius fällte den Lebensbaum und hatte, da die göttliche und damit auch die menschliche Vergeltung auf diesen Frevel ausblieb, die Zweifler von der Macht des Christentums überzeugt und zudem Bauholz für eine Kapelle.

    Bonifatius war ein ausgezeichneter Organisator. Er ordnete die Bistümer neu und so gab es lange vor einem politischen bereits ein kirchliches Deutschland mit der Hauptstadt Mainz am Rhein.

    Die damaligen Bischöfe der Kirchenprovinzen waren „Kämpfer Gottes“.

    Zwischen 886 und 901 kamen zehn Bischöfe im Kampf gegen die Normannen auf den Schlachtfeldern ums Leben.

    Aber nicht nur die Bischöfe waren Wegbereiter der Missionierung.

    Das waren auch die damaligen Klöster: Lorsch, Weißenburg, Fritzlar, Fulda und viele andere mehr.

    Historisch sind wir in der mittelalterlichen Warmzeit. Auf Grönland wurde Wein angebaut, das Polarmeer war in beide Richtungen schiffbar.

    Im dichten Morgennebel fuhren Piratenschiffe rheinaufwärts.

    Die Drachenboote der Wikinger erreichten Köln.

    Die Wikinger kannten sich aus. Sie waren nicht zum ersten Mal hier.

    Schon lange betrieben sie mit ihren einzigartigen Schiffen Handel - auch auf dem Rhein.

     

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    Auch jetzt wurde „verhandelt“. Die Städte am Rhein (Dorestad, Xanten, Duisburg, Köln, Bonn, Andernach und andere) mussten entweder Schutzgeld bezahlen oder wurden kurzerhand geplündert und niedergebrannt. Kirchen, Klöster und reiche Höfe waren davon nicht ausgenommen.

    Am 1. Mai 1006 erleuchtete plötzlich ein grelles Licht das südliche Firmament. Die heute als SN 1006 bezeichnete Supernova war wahrscheinlich das hellste Gestirn, das jemals den Himmel erleuchtete (2).

    Am den Ufern des Rheins begann ein Bauboom.

    Romanische Basiliken wie der Mainzer Dom oder St. Pantaleon in Köln entstanden.

    In St. Pantaleon liegt Theophanu, die erste Kaiserin des ostfränkisch-deutschen Reiches begraben. Sie selbst hätte dieser Wortwahl widersprochen, sie war der Kaiser.

     

    Köln im Jahr 1499
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    Köln war im Mittelalter die größte und reichste Stadt Deutschlands. Ihre Kaufleute handelten mit Venedig, Flandern, England. Viele englische Kaufleute lebten in Köln, englische Münzen waren ein gültiges Zahlungsmittel.

    Im 12. Jahrhundert verlieh der englische König Heinrich II. den Kölner Kaufleuten guildhall die Gildehalle in London.

    Sein Sohn Richard Löwenherz, der auf seinem Heimweg vom Kreuzzug in Gefangenschaft geriet wurde mit dem Geld der Kölner Kaufmannsleute freigekauft. Als Dank verlieh Richard ihnen üppige Privilegien, wie sie keine andere deutsche Stadt damals innehatte.

    Dies interessierte die Lübecker und darauf bauten auch die Privilegien der Ostseestädte des 13. Jahrhunderts, aus denen sich die Gemeinschaft der niederdeutschen Kaufleute, die hansa Alemanie, entwickeln sollte (3).

    Die Hanse entstand nicht (nur) in Lübeck, sie hat ihre Wurzeln auch am Rhein und natürlich im Ausland.

     

    Die rheinischen Städte existierten nicht nur innerhalb von Staaten, manche waren Staaten.

    Dieses Streben nach eigner Stärke und der Suche nach Bündnispartnern führte im Jahr 1254 zum ersten Rheinischen Städtebund.

    Fast 60 Rheinstädte schlossen sich zusammen. Die Handelswege sollten durch eine eigene Flotte geschützt und die Zollstationen (es gab über dreißig) reduziert werden. Und obwohl auch einige Landesfürsten diese Forderungen der Städte unterstützen, war man nicht einig und mächtig genug, dies durchzusetzen und so zerfiel dieses Bündnis innerhalb kurzer Zeit.

    Der Winter 1341/42 war lang und kalt. Es schneite fast jeden Tag. 

    Im Februar folgte eine kurze Tauphase, die zu ersten Überschwemmungen führte. Bis in den April hinein war es frostig kalt und der Schnee schmolz nicht. 

    Im Mai regnete es tagelang. 

    Der Sommer war kurz, heiß und trocken. Es fiel kein Tropfen Regen. Der Boden wurde hart wie Beton.

    Im Juli 1342 zog ein riesiges Tiefdruckgebiet von Italien nordostwärts, diese Konstellation wird heute als Vb-Wetterlage bezeichnet. 

    Damit begann eine der größten Naturkatastrophen der letzten 2.000 Jahre.

    Ab dem 18. Juli regnete es im gesamten Rheingebiet vier Tage und Nächte  lang.

    In manchen Gebieten fielen bis zu 200 l/qm Regen. 

    Am Oberrhein führten die Wassermassen, gespeist durch Aare, Neckar, Main und Mosel, zu einem gigantischen Wasserstrom, der alles mit sich riss und das gesamte enge Mittelrheintal überflutete.

    In Köln stieg der Wasserspiegel um 11m. 

    Im Mainzer Dom stand „ einem Mann das Wasser bis zum Gürtel“.

    Mauern, Brücken, Häuser – alles zerstört. 

    Die Wassermassen trugen 13 Milliarden Tonnen Ackerboden ab. Der fruchtbare Löß wurde in den Rhein gespült und vernichtete große Teile der Landwirtschaft. 

    Die ohnehin geringen Baumbestände des 14. Jahrhunderts wurden weiter dezimiert, so dass es fast keine Wälder mehr gab.

    Zehntausende von Menschen starben durch die Magdalenenflut.

    https://www.spektrum.de/news/magdalenenflut-als-das-mittelalter-den-boden-unter-den-fuessen-verlor/2148510?utm_source=sdwv_daily&utm_medium=nl&utm_content=heute

     

    Aber der Geist der Stadtluft, dieLuft diefrei macht, verbreitete sich vom Niederrhein bis nach Lothringen.

    Die freien Städte wurden immer reicher und mächtiger. Doch sie waren nur Inseln im Fluss.

    Links und rechts des Rheins galt ein anderes Recht, nämlich das der herrschenden Fürsten.

    Hier die reichen Städte, mit ihren Bürger- und Zunftrechten, aber nicht Willens politisch über die städtischen Grenzmauern hinaus zu blicken.

    Keine rheinische Stadt, außer Basel, liegt auf beiden Seiten des Flusses.

    Dort die Fürstentümer, untereinander vernetzt oder verfeindet, manche geführt von Egomanen, alle fürchterlich wichtig. Viele lebten gut, besonders von ihren Untertanen.

     

    Aber die taten sich zusammen.

    1525 wurde in Memmingen die erste europäische Menschenrechts-Deklaration „die Zwölf Artikel“ verfasst und gedruckt und am Rhein wurden von der Gemeinschaft geplante Deiche gebaut.

    Neue Ideen setzen sich schnell durch. Nach Gutenberg gab es kein Halten mehr.

    Im 16. Jahrhundert wurden in Europa über 200 Millionen Bücher gedruckt.

     

    Was das mit dem Rhein zu tun hat?

     

    Um 1500 gab es in Haguenau über 30 Druckereien.

    Thomas Anshelm von Badensis (Baden-Baden) druckte in Tübingen, Haguenau und Pforzheim die Werke Reuchlins und damit auch die ersten hebräische Texte in Deutschland.

    Die Hälfte aller Schriften Luthers wurde in Straßburg gedruckt.

    Und der Rhein verbreitete sie.

    1540 war der extremste Sommer des vorigen Jahrtausends.

    Elf Monate regnete es praktisch nicht.

    Die Temperatur lag fünf bis sieben Grad über den heutigen Normalwerten, verbreitet wurden im Sommer 40 Grad erreicht.

    In Spanien wurden bereits im Oktober 1539 Bittgottesdienste für Regen abgehalten.

    In Norditalien fiel von Oktober 1539 bis März 1540 kein Tropfen Regen.

    In der Schweiz (Zürich) von Februar bis September 1540.

    Schon im Frühjahr fehlte das Wasser.

    Der Rhein, die Elbe oder die Seine konnten zu Fuß durchwatet werden.

    Lindau am Bodensee war mit dem Festland verbunden.

     

    Als 1581 die Republik der sieben Vereinigten Provinzen (die heutigen Niederlande) ihre Unabhängigkeit proklamierte, kam es zu einem Einschnitt.

    Mitten durch den Rhein ging nun die Grenze zwischen den calvinistischen Niederlande und dem katholischen späteren Belgien.

    Damit wurde der Rhein endgültig zum Grenzfluss und die erste Rhein-Achseentstand.

     

    Unser Lachs kannte keine Achsen, geomagnetische vielleicht. Er schwamm, wie seit Jahrtausenden, den Rhein und seine Nebenflüsse hinauf.

    Im Rhein und seinen Zuflüssen existierte die größte Lachspopulation des Atlantischen Ozeans.

     

    „... Die grösten Salmen bey unß, kommen biß uff ein halben Centner schwer“, berichtet uns ein Straßburger Fischer (1647).

     

    Während dessen reihte sich Krieg an Krieg. Der achtzigjährige Krieg, der den Niederlande die Freiheit brachte, der dreißigjährige Krieg (mit dem Seekrieg auf dem Bodensee), in dem die Bevölkerung, vor allem die Süddeutschlands, magdeburgisiert wurde, der neunjährige Krieg - der Rhein sah unendliches Leid und trug viele in ihr kaltes, feuchtes Grab.

     

    Auch am Rhein wurde es immer feuchter und kälter.

    In manchen Jahren regnete es sintflutartig. Der Rhein überschwemmte Städte und Felder. Es gab keine Ernten. Hunger herrschte.

    Die Winter waren lang und kalt, und der Rhein fror für viele Monate zu.

     

    Kleine-Eiszeit
    Bernhard Gottfried Manskirch (1736-1817), Volksfest auf dem zugefrorenen Rhein 1767,
    Mittelrhein-Museum Koblenz
    via Wikipedia Commons

     

    Im Winter 1783 war es ab Dezember in ganz Europa außergewöhnlich kalt. Dann schneite es im Rheingebiet bis Ende Februar fast jeden Tag. Ein Wärmeeinbruch brachte das Eis und den Schnee zum Schmelzen und es regnete und regnete.

    Die Eisflut brach los. Riesige Eisschollen und entfesselte Wassermassen zerstörten Brücken, Häuser, ja ganze Dörfer mit all ihren Menschen fielen dem Rhein zum Opfer.

    Die „kleine Eiszeit“ ließ die Bevölkerung hungern und sterben.

    Adel und Klerus waren von direkten Steuern ausgenommen, erhoben ihrerseits weitere Abgaben auf Besitzveränderungen oder Erbschaften, forderten erweiterte Jagdrechte, und da sind wir wieder beim Lachs, der erst spät ein „Arme Leute Essen“ wurde.

     

     

    Lachs800

    Ein Lachs, Heinrich Lihl, Werkstatt um 1750,
    bez. „disen Lachs haben Ihro durchl. Herr Margraff von Baden-Baden in dem Mürgener laxfang gestochen..“, Dauerleihgabe der Sparkasse Rastatt-Durlach, Stadtarchiv Rastatt
     

    „Dem gemeinen Volk“war es lange Zeit verboten Lachse für den Eigenbedarf zu fischen (4). 

    Die Franzosen nahmen die amerikanische Unabhängigkeitserklärung (und ihre leeren Mägen) zum Anlass und revoltierten. Andere versuchten, den nächsten Tag zu überleben.

    Wieder andere zogen mit ihren Armeen über den Rhein, Blücher am 1. Januar bei Kaub.

     

    Blücher

    Wilhelm Camphausen (1818-185), Blüchers Rheinübergang bei Kaub im Januar 1814,
    Mittelrhein-Museum Koblenz
    via Wikipedia Commons

     

    Hier erreichte angeblich vor vielen Jahrhunderten der Mainzer Bischof Theonest das rettende Ufer nachdem ihn die Germanen in ein marodes Fass gesteckt und in den Rhein geworfen hatten. Dieser Bischof soll den Einwohnern den Weinbau gelehrt haben.

    Blücher mochte Wein. In Paris gab es Rheinwein für die Sieger.

    Mit der Industrialisierung Europas im 19. Jahrhundert ging es dem Rhein an den Kragen.

    Ein Vertrag zwischen Baden und Frankreich ermöglichte 1842 den Beginn der großen Rheinbegradigung, die Johann Tulla bereits vor 20 Jahre vorgeschlagen hatte. (6)

    Auch die Felssprengungen am Binger Loch (ab 1850) erleichterten die Arbeit der Flößer und begünstigte die Schifffahrt. Nun war der Rhein von Basel bis Rotterdam schiffbar.

    Rotterdam ruht auch auf den mächtigen Baumstämmen des Schwarzwalds.

    Die „Holländer-Flöße“ boomten und 1856 verkaufte die „Rheinische Dampfschiffahrts-Gesellschaft“ bereits über eine Million Fahrscheine für eine Fahrt auf dem Rhein. Von 1860 bis 1960 kamen 2 Milliarden Besucher ins Mittelrheintal.

     

    Dann war da noch ein Poet, Weltbürger und Revolutionär. Der überquerte 1848 bei Straßburg den Rhein, zusammen mit einem bunten Haufen, bestehend aus ca. 700 deutschen Handwerkern aus Paris, und um die 200 Franzosen waren auch dabei. Sie alle wollten der deutschen Revolution zum Sieg verhelfen. Einige Jahre zuvor hatte der von H. Heine als „eiserne Lerche“ bezeichnete Poet den Rhein „besungen.“ (7)

    Heine selbst verfasste seine berühmten Verse über die „Lore-Ley“, die 100 Jahre später L. Feuchtwanger neu interpretierte. (8)

     

    Loreley800

    Louis Bleuler, Blick auf die Loreley und auf den Lachsfang
    via Wikipedia Commons
     
     

    "Berufsfischerei am Rhein war früher eine Goldgrube. Jahrhundertelang war der Strom Deutschlands fischreichstes Gewässer. 

    In den Lokalen längs des Flusses galt der Rheinsalm als Spezialität. Rheinaale waren kostbare Leckerbissen. Eine alte rheinische Gesindeordnung verbot im 19. Jahrhundert, daß den Hausangestellten öfter als dreimal in der Woche Lachs zugemutet werden durfte. 1885 zählten die Fischer 130 000 gefangene Lachse, 1900 waren es nur noch 60 000, 1930 mußten sich die Fischer bereits einen Ertrag von 10 000 Lachsen teilen, 1950 zogen sie nur noch 3000 Lachse an Land. Heute existiert die Lachsfischerei nicht mehr. Auch die übrigen Rheinfische verschwanden rapide: 1950 gingen noch 4316 Kilogramm Salme ins Netz; drei Jahre später nur noch dreißig Kilogramm. 

    Der letzte Stör wurde im Sommer 1931 gefangen. Die Fischbrut geht an der Uferböschung durch Ölrückstände zugrunde".

    s. Sepp Binder, DIE ZEIT, Nr.37/1971

     

    Der Rhein als deutsches Gut wurde im neuen Kaiserreich immer aggressiver thematisiert.

    Die (in)offizielle Nationalhymne der Deutschen war „Die Wacht am Rhein“,

    mit den Zeilen: „...Reich, wie an Wasser..., ist Deutschland ja an Heldenblut!“

    Wer kein Held sein wollte, war einsam. Auch Jahrzehnte später.

     

    Lorenz Clasen 1860 - Germania auf der Wacht am Rhein
    via Wikipedia Commons

     

    1932 veröffentlichte Erich Kästner seinen „Handstand auf der Loreley“. (9)

     

    13 Jahre später war es vorbei mit den Helden. Der Rhein floss durch zerbombte Städte und verwüstete Landschaften. 

    Millionen deutscher Kriegsgefangene wurden nach Kriegsende in den „Rheinwiesenlagern“ interniert. 

     

    Damals war das Wasser noch so klar, dass man auf den Grund des Rheins schauen konnte.

    Dann kam das Wirtschaftswunder. 

    Der Rhein war nur noch Transportweg und Abwasserkanal.

    1967 wurde in der französichen Gemeinde Rhinau (Höhe Kappeln-Grafenhausen auf deutscher Seite) der letzte Lachs aus dem Rhein gefischt.

    Am 19. Juni 1969 wurde der Rhein silbern. 

    Die heißen Sommertage hatten den Rhein schon fast in die Knie gezwungen, da der Sauerstoffgehalt unter 2mg / l (bei 1,5 mg/l ist der Fluß "biologisch tot") lag.

    Dazu kam eine unbekannte Menge des Pflanzenschutzmittels "Thiodan" (Handelsnahme, ist Endosulfan) die am 19. Juni in den Rhein gelangte. Verursacher war entweder der Produzent Hoechst AG am Untermain, oder ein Lastschiff hatte einige Fässer des Giftes bei Bingen verloren.

    "Von oben sah der Rhein silbern aus, so viele Fischkadaver trieben auf dem Wasser". Die Ratten flüchteten aus dem Rhein. Über 100 km rheinabwärts erstreckte sich der Leichenzug. Bis heute ist der Verursacher dieses Unglücks nicht benannt.

    In den 1970er Jahren war der Rhein eine Kloake. Ausbaden mussten das vor allem die Niederländer, die die Rheinstaaten zum Handeln zwangen. Klärwerke wurden gebaut, Einleitungen der Industrie reduziert, Meldesysteme etabliert.

    Am 1. November 1986 wurde der Rhein rot.

    In dem Baseler Industriegebiet Schweizerhalle geriet eine Lagerhalle der Fa. Sandoz in Brand.

    In der Halle lagerten 1.350 Tonnen Pestizide, Insektizide (darunter 1,9 Tonnen Endosulfan), Herbizide (Atrazin) und diverse Lösungsmittel.

    Alle Chemikalien dieser Lagerhalle verbrannten, sickerten in den Boden, oder floßen mit dem Löschwasser (min. 30 Tonnen) in den Rhein. 

    Erst am 3. November informierte Sandoz die Wasserwerke rheinabwärts.

    Auf mehr als 400 km, bis nach Bingen, starb alles; Fisch und Krebs, Aal und Muschel.

    Trotz seiner schnellen Fließgeschwindigkeit erholte sich der Rhein nur langsam.

    Ausgesetzte Lachse kommen heute bis zur Sieg und finden dort vielleicht in Zukunft einen Laichplatz, aber bis Basel hat es noch keiner geschafft.

    2015 wurden 228 aufsteigende Lachse am Fischpass Iffezheim gezählt.

    Seit zwei Generationen hat der Rhein keinen Krieg mehr gesehen. 

    Man hat ihn ausgezeichnet und in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

    Ein Wassertropfen braucht etwa einen Monat von der Quelle bis zur Mündung. 

    Dabei setzt man im Bodensee eine mittlere Fließgeschwindigkeit des Rheins voraus. 

    Es soll ja Wassertropfen geben, die jahrelang im Bodensee verbleiben.

    Anmerkungen

     

     

    (1)       Heutzutage wird Bligger II. von (Nekkar-) Steinach, der um 1200 am Hof der Wormser Bischöfe lebte und arbeitete als Verfasser des Liedes angesehen.

     

    (2)       Außer der Sonne natürlich. Die Supernova war jedoch so hell, dass man sie monatelang auch bei Tag sehen konnte und jahrelang mit bloßem Auge des Nachts.

     

    (3)       Gisela Graichen, Rolf Hammel-Kiesow, Die deutsche Hanse, rowohlt, 2011

     

    (4)       Die ländliche Bevölkerung war ohne Rechte, sie waren Sklaven der Großgrundbesitzer.

    Ihre winzigen „eigenen“ Parzellen mussten intensiv genutzt werden, so z.B. in Irland mit Kartoffeln. Als dort 1845 ein Pilz die gesamte Kartoffelernte vernichtete, hatten die Iren nichts mehr zu essen, da alle Felderzeugnisse nach England verschifft wurden. Als die Iren verhungerten, verließen jeden Tag Schiffe beladen mit Weizen, Gerste, Gemüse, usw. die Häfen von Irland.

                    
     

    (5)       Vor 200 Jahren (1815) brach in Indonesien der Vulkan Tambora aus, die heftigste Vulkaneruption seit 25.000 Jahren (VEI: 7). Der Himmel verdunkelte und färbte sich. Das „Jahr ohne Sommer“ begann. Viele Jahre gab es keinen Sommer. In den Mittelgebirgen von Europa und in weiten Teilen Amerikas schmolz der Schnee übers Jahr nicht mehr; es schneite im Sommer. Im Sommer froren die Brunnen zu. Vielerorts gab es keine Ernten. Globale Windsysteme veränderten sich. Die Cholera kam nach Europa.

     

    (6)       1825 veröffentlichte Johann Tulla sein Buch „Über die Rektifikation des Rheins von seinem Austritt aus der Schweiz bis zu seinem Eintritt in das Großherzogtum Hessen.“ Auf 88 Seiten beschreibt er die Ist-Situation am Rheingraben, schlägt, belegt durch Messungen, die Begradigung des Rheins vor und liefert eine Kosten-/Nutzen- Rechnung, die zeigt, dass das gesamte Wasservolumen nur bewältigt werden kann, wenn der Rhein sein Flussbett tiefer gräbt. Höhere Deiche bedeuteten höhere Kosten.

     

    1876 waren die Bauarbeiten am Rhein beendet. Korrektionsdämme links und rechts begrenzten den Kanal, Hochwasserdämme im Hinterland sollten die Überschwemmungen stoppen. Der Rhein wurde kürzer, die Fließgeschwindigkeit nahm zu und der Rhein grub sich (bis zu 10m) in die Tiefe. Der Wasserspiegel sank, Felsen tauchten im Rhein auf, Felder vertrockneten, auch weil der Rhein nicht mehr über seine Ufer treten konnte.

    Die „Korrektur“ des Rheins dauert bis heute an.

     

    (7)       Rheinweinlied

    Wo solch ein Feuer noch gedeiht,

    Und solch ein Wein noch Flammen speit,

    Da lassen wir in Ewigkeit

    Uns nimmermehr vertreiben.

    Stoßt an! Stoßt an! Der Rhein,

    Und wär’s nur um den Wein,

    Der Rhein soll deutsch verbleiben.

    ........

    Der ist sein Rebenblut nicht wert,

    das deutsche Weib, den deutschen Herd,

    Der nicht auch freudig schwingt sein Schwert,

    Die Feinde aufzureiben.

    Frisch in die Schlacht hinein!

    Hinein für unsern Rhein!

    Der Rhein soll deutsch verbleiben.

     Georg Herwegh

     

     

    (8)      „Als ich den Rhein hinauffuhr, inmitten von Hochzeitspärchen,
    sangen die zumeist aus Deutschland stammenden Leute,
    sie seien traurig infolge alter Märchen,
    und sie wüßten nicht, was das bedeute.

    Wenn mein Sohn dergleichen Unsinn äußerte,
    noch dazu singend,
    würde ich sofort einen Arzt konsultieren.“

     

     Lion Feuchtwanger, Rheinfahrt

     

    (9)       Der Handstand auf der Loreley (1932)

    (Nach einer wahren Begebenheit)

     

    Die Loreley, bekannt als Fee und Felsen,

    ist jener Fleck am Rhein, nicht weit von Bingen,

    wo früher Schiffer mit verdrehten Hälsen,

    von blonden Haaren schwärmend, untergingen.

    Wir wandeln uns. Die Schiffer inbegriffen.                

    Der Rhein ist reguliert und eingedämmt.

    Die Zeit vergeht. Man stirbt nicht mehr beim Schiffen,

    bloß weil ein blondes Weib sich dauernd kämmt.

    Nichtsdestotrotz geschieht auch heutzutage

    Noch manches, was der Steinzeit ähnlich sieht.          

    So alt ist keine deutsche Heldensage,

    Daß sie nicht doch noch Helden nach sich zieht.

    Erst neulich machte auf der Loreley

    Hoch überm Rhein ein Turner einen Handstand!

    Von allen Dampfern tönte Angstgeschrei,                  

    als er kopfüber oben auf der Wand stand.

    Er stand, als ob er auf dem Barren stünde.

    Mit hohlem Kreuz. Und lustbetonten Zügen.

    Man frage nicht: Was hatte er für Gründe?

    Er war ein Held. Das dürfte wohl genügen.                  

    Er stand, verkehrt, im Abendsonnenscheine.

    Da trübte Wehmut seinen Turnerblick.

    Er dachte an die Loreley von Heine.

    Und stürzte ab. Und brach sich das Genick.

    Er starb als Held. Man muß ihn nicht beweinen.          

    Sein Handstand war vom Schicksal überstrahlt.

    Ein Augenblick mit zwei gehobnen Beinen

    Ist nicht zu teuer mit dem Tod bezahlt!

    P.S. Eins wäre allerdings noch nachzutragen:

    Der Turner hinterließ uns Frau und Kind.                    

    Hinwiederum, man soll sie nicht beklagen.

    Weil im Bezirk der Helden und der Sagen

    die Überlebenden nicht wichtig sind.

     

    Erich Kästner

     

    Parodie, Kästner folgt der Melodie des SA-Lieds „Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen!“

     

    Literatur: 

     

    Bildnachweis:

    • Bernhard Gottfried Manskirch (1736-1817), Volksfest auf dem zugefrorenen Rhein 1767, Mittelrhein-Museum Koblenz
    • Ein Lachs, Heinrich Lihl, Werkstatt um 1750, bez. „disen Lachs haben Ihro durchl. Herr Margraff von Baden-Baden in dem Mürgener laxfang gestochen..“, Dauerleihgabe der Sparkasse Rastatt-Durlach, Stadtarchiv Rastatt
    • Wilhelm Camphausen (1818-185), Blüchers Rheinübergang bei Kaub im Januar 1814, Mittelrhein-Museum Koblenz, Willy Horsch, Wikimedia Commons
    • Louis Bleuler, Blick auf die Loreley und auf den Lachsfang

     

    Links:

    Die Quellen des Rheins

    https://www.youtube.com/watch?v=YAjPc7UJodc

    Der unsichtbare Fluss unterhalb des Rheins, SWR

    https://www.youtube.com/watch?v=7n2bqd-t2E0

    Großbrand von Schweizerhalle

     https://de.wikipedia.org/wiki/Grossbrand_von_Schweizerhalle

    Wie lange braucht das Rheinwasser durch den Bodensee?

    Willi Weishaupt 

              © Baden-GEO-Touren

     

     

  • Irmengard von Baden

    Markgräfin Irmengard von Baden

     

    Kloster Lichtenthal Fürstenkapelle A
    gründete im 13. Jahrhundert
    das Kloster Lichtenthal

     

    Um 1200 wurde Irmengard von Baden geboren. Sie entstammte den beiden mächtigsten Geschlechtern des deutschen Mittelalters, Welfen und Staufer.Sie war die Tochter des Welfen Heinrichs I., ein Sohn Heinrich des Löwen und Agnes, die Erbtochter des  Staufers Konrad, Pfalzgraf bei Rhein.

     

     1210 verlobte sich die junge Pfalzgräfin mit Markgraf Hermann V. von Baden und heirate ihn 1219.

    Im frühen Mittelalter lebten viele Klöster im Konflikt zwischen geistlichem Streben gemäß der Klosterlehre und dem weltlichem Anspruch des Adels.
    Deshalb wurde der Ruf nach Reformen des monastischen Lebens immer lauter.

    Aus dieser Sehnsucht heraus, verließen 1098 Mönche der Abtei Mosleme in Frankreich ihr Kloster, um in der Gegend von Cîteaux (lat. Cistercium) nach der alten Regula Benedicti, ein einfaches, von der Hände Arbeit bestimmtes Leben zu führen. Als 1113 der Abt Bernhard von Clairvaux nach Cîteaux kam, der durch seine charismatische Art viele Anhänger und Freunde auch im weltlichen und politischen Leben hatte, begann für die Cistercienser ihre Blütezeit in Europa, später oft das „bernhardinische Zeitalter“ genannt.

    Das erste deutsche Cistercienserkloster wurde 1123 in Klamp, dem heutigen Kreis Wesel zugehörig, gegründet.

    Heinrichs zweite Frau Agnes von Landsberg gründete zwischen den Jahren 1225 und 1233 das Cistercienserinnenkloster Wienhausen bei Celle.

    Somit führte Irmengard von Baden einerseits die Familientradition fort, als sie 1245 die Cistercienserinnen-Abtei Lichtenthal gründet, war doch das Kloster für Frauen des Mittelalters der einzig mögliche Raum, geistliche und vereinzelt auch weltliche Erziehung zu erfahren und dies dort zur Entfaltung zu bringen und andererseits suchte die Markgräfin nach dem Tod ihres Ehemanns 1242 auch nach einem Ort , der als Grablege der Familie dienen konnte.

    Doch vielen männlichen Geistlichen, vor allem solchen, die auch weltliche Macht erstrebten oder innehatten, waren diese Frauenkloster suspekt und so wurde Ende des 13. Jahrhunderts die Zahl der Frauenklöster „eingefroren“ und Neugründungen nicht mehr erlaubt.

     

    Heilige

    Links: Gerungus, Uta von Schauenburgs Sohn, erster Abt des Klosters Allerheiligen,
    Mitte: Helena, Mutter des röm. Kaisers Konstantin, Rechts: Uta von Schauenburg, Stifterin von Allerheiligen

     

    Alle drei Sandsteinfiguren stammen aus dem aufgehobenen Kloster Allerheiligen.

     Irmengard selbst hatte bei der Gründung des Klosters Lichtenthal anfangs viele Gegner, auch den Bischof von Straßburg, der alle Pläne der Markgräfin auf Gründung eines neuen, weiteren Klosters ablehnte.
    Diese wusste sich zu wehren, leitete den Grenzfluss Oos einfach um und so gehörte das Kloster nunmehr, da rechts der Oos gelegen, zum Bistum Speyer.

     Nonnen aus dem Kloster Wald bei Meßkirch trafen ein, Irmengard kümmert sich um die päpstliche Anerkennung, die Innozenz IV. in einem Schutzbrief und einem Ordensprivileg auch bestätigte.

     Irmengards Söhne, Hermann und Rudolf stellten im März 1245 den Stiftungsbrief aus und übergaben damit ihrer Mutter „das Patronatsrecht der Kirchen in Ettlingen und Baden, ihren Zehnten in Iffezeim, die Dörfer Winden und Beuren mit allem Zubehör, zwei Höfe in Oos, einen in Eberstein und 12 Pfund Straßburger Münze von ihren Zinsen in Selz“.

    1248 wird Frau Trudine zur ersten Äbtissin bestellt und das Kloster Lichtenthal wird in den Cistercienserorden aufgenommen.
    Im gleichen Jahr überträgt Irmengard ihre Güter dem Kloster und lebt dort im Konvent.

    Am 24. Februar 1260 stirbt Markgräfin Irmengard und wird im Altarraum der Kirche, neben ihrem Gemahl beigesetzt.

    Quelle: 750 Jahre Kloster Lichtenthal, Festschrift zum Klosterjubiläum 1245-1995, ebd.

     

    Willi Andreas Weishaupt 2014
    © Baden-GEO-Touren

     

  • Johannes Schroth

    Johannes Schroth

     

    Johann Schroth 180geb. 18. Dezember 1859 in Jöhlingen, † 23.11.1923 bei Offenburg

    war Architekt, Baurat und um 1900 einer der wichtigsten Kirchenbaumeister im badischen Raum, begann ein Architekturstudium in Karlsruhe und Charlottenburg.

     

     

     

     

     

    Mit 25 Jahren begann er seine Architekten-Laufbahn im erzbischöflichen Bauamt Heidelberg unter Ludwig Maier.*

    Nach drei Jahren geht er nach Berlin zu August Orth, einem angesehenen freien Architekten in der Reichshauptstadt.

    Doch bereits ein Jahr später (1888) kommt er zurück, jetzt ins erzbischöfliche Bauamt Karlsruhe unter Adolf Williard.

    Dort wird er 1893 zunächst nur kommissarischer und dann vier Jahre später offizieller Leiter der Baubehörde.

    Bereits früh benutzt er neuromanischen Formen, wie etwa bei St. Johannes in Wagshurst, wo er sich an der Benediktiner-Abtei in Schwarzach orientiert.

    Beim Bau der Sinzheimer Pfarrkirche eskaliert der Streit zwischen Schroth und Meckel und erst nach dessen Entlassung baut Schroth Kirche um Kirche.

    Karlsruhe war um 1900 eines der Zentren des Jugendstils in Deutschland.

    Schroth übernimmt diese Bauform. Die Avantgarde waren andere: Hermann Billing, der die Kunsthalle in Baden-Baden erbaute, Robert Curjel oder Karl Moser.

    Die bauen die Pauluskirche in Basel, die Christuskirche und die Lutherkirche in Karlsruhe, aber die Lutherkirche in Baden-Baden errichtet Martin Elsaesser.

    Und Schroth baute St. Bernhard in Badens Weststadt. Ein Kuppelbau aus hellem Murgtaler Sandstein, vielleicht dem wichtigsten Jugendstilbau in der Erzdiozöse Freiburg.

    Die kirchliche Empörung war groß.

    Doch Schroth setzte sich durch.

    Schroth wurde mehrfach geehrt und 1918 hat der badische Großherzog ihn zum Baurat ernannt.

    Die Aufbruchsstimmung der 1920er Jahre sollte Johannes jedoch nicht mehr erleben.

    Er starb, noch nicht einmal 64 Jahre alt. Begraben wurde er in Karlsruhe.

    * Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es vier Erzbischöfliche Bauämter im Großherzogtum Baden:
    Karlsruhe und Freiburg, dann Heidelberg und Konstanz.

    Max Meckel, ausgebildet in Köln, jetzt erzbischöflicher Baudirektor in Freiburg, war Vorgesetzter aller vier Bauämter und nicht gut auf Schroth zu sprechen. Er warf ihm vor „wenig geschult“ zu sein.

    Schroth keilte dagegen.

    Die Erzbischöfe ließen nur neugotisch oder neuromanisch designte Kirchen zu.

    Die Konflikte waren vorgegeben.

    Quellen:

    [1] Foto aus dem St.-Lioba-Blatt Nr.42 vom 19.10.1913, Diözesanarchiv Freiburg

    Ulrich Coenen, BNN, Januar bis März 2014


    Interessante Kirchen:

    Achern, St. Stefan

    Daxlanden, Heilig-Geist-Kirche

    Ettlingen, Herz Jesu

    Gengenbach, Kirche der Franziskanerinnen

    Hockenheim, St. Georg

    Kappelrodeck, St. Nikolaus, „Achertäler Dom“

    Karlsruhe, St. Bonifatius

    Kehl, St. Johannes Nepomuk

    Kuppenheim, St. Sebastian

    Neusatz, Jugendstil

    Offenburg, Dreifaltigkeitskirche

    Ottenau, St. Jakob

    Ottersweier, Pfarrkirche

    Steinbach, St. Jakobus

    Wagshurst, St. Johannes der Täufer


     

    Willi Andreas Weishaupt 2014
    © Baden-GEO-Touren
  • Jüdische Friedhöfe Steinheim-Institut

     

    Worms Heiliger Sand

    Worms, Heiliger Sand

     

    GF Jüdischer Friedhof III 

    Gifhorn, Jüdischer Friedhof

     

    Jüdische Synagoge Bodenplatte

    Baden-Baden, Jüdischer Friedhof

    Das Steinheim-Institut

     

    http://steinheim-institut.de/wiki/index.php/Hauptseite

     

    epidat

    http://www.steinheim-institut.de/cgi-bin/epidat

  • Jungsteinzeit am Oberrhein

    Fund einer jungsteinzeitlichen Speerspitze in Achern

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