Baden Geotouren                                                                   

Menschen & Werke

  • Der Mummelsee. Fresko von Jakob Götzenberger in der Trinkhalle Baden-Baden, 1844

    Der Mummelsee
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  • Wilhelm Trübner - Schloss Baden-Baden

    Wilhelm Trübner - Neues Schloss in Baden-Baden

     

  • Tony Haller - Der Rosengarten von Sankt Cyprian

    Tony Haller - Der Rosengarten von Sankt Cyprian
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  • Johann Peter Büttgen: Das Alte Schloss bei Baden, 1842

    Johann Peter Büttgen
    Das Alte Schloss bei Baden, 1842
     
    1000
  • Eduard Fortunat von Baden-Rodemachern

    Eduard Fortunat von Baden-Rodemachern
    geb. am 17. September 1565 in London, † 19. Juni 1600 in Schloss Kastellaun,liebte den Reichtum, die Macht und sich selbst.

     

    Eduard Fortunat

     Eduard gilt als das schwärzeste Schaf aller Badischen Markgrafen in der Geschichtsschreibung.

    Nicht weil er sich sträubte die Frau seiner Kinder zu heiraten, Falschmünzerei betrieb, oder ein Familienmitglied vergiften wollte.
    Oder weil er seine Markgrafschaft in den Bankrott führte.

    Vielleicht, weil schwarze Schafe gebraucht werden.

    An einem sonnigen Herbsttag des Jahres 1565 kam in der alten Londoner Saint Paul’s Cathedral der Adel zusammen.
    Die englische Königin Elisabeth I. hob einen neuen Erdenbürger aus dem Taufbecken.
    Ihrem verstorbenen Bruder zu Ehren nannte sie ihn Eduard und aus unbekannten Gründen Fortunatus - den Glückseligen.

    Neben dem brüllenden Eduard stand seine Mutter, Cäcilia Wasa.
    Sie galt zu ihrer Zeit als die schönste und verschwendungssüchtigste Frau am Schwedischen Königshof. (1)

      Cäcilia Wasa     

    Christoph II. von Baden Rodemachern

     

     

    Vor einem Jahr hatte sie Christoph II. von Baden-Rodemachern geheiratet, einen Abenteurer, der den Spaniern in den Niederlande gedient hatte und nun in den Landen Unterstützer und Söldner für den schwedischen Krieg gegen Dänemark requirierte.


    Vermutlich war Cäcilia bei der Tauffeier zufrieden, wenn nicht glücklich.
    Sie hatte ihrem ehrgeizigen Ehemann einen Sohn geboren. Außerdem stand noch ein hohes Brautgeld ihrer Eltern in Aussicht und ihr Mann würde auch bald wieder abreisen.

    Cäcilia blieb in London, auf Einladung und Apanage ihrer königlichen Freundin.

    Sie warb für ihr Heimatland, für eine Heirat Eriks mit Elisabeth I., für Handelserleichterungen und versuchte englische Schiffsmannschaften für  Kaperfeldzüge gegen dänische Handelsschiffe zu gewinnen.
    Nachts feierte sie ihre Feste. Cäcilia lebte über ihre Verhältnisse, ihre Schulden wuchsen.

    Christoph muss nach London reisen, kann aber die Gläubiger nicht beruhigen. Die junge Familie flüchtet aus England.
    Noch im Hafen kurz vor ihrer Abreise beschlagnahmt ein Gläubiger Cäcilias Schmuck. Vielleicht war er in Eduards Unterkleidern versteckt.

    Was ihnen blieb, war der sichere Hafen - Schloss Kastellaun.

    Als sein Vater Christoph II. stirbt, ist Eduard zehn Jahre alt.
    Seine Mutter tritt zum katholischen Glauben über. Eduards Vormund wird Wilhelm V. Herzog von Bayern. (2)
    Ein Jahr später konvertieren Eduard und seine Brüder zum katholischen Glauben.

    Eduard interessierte sich derweil zum Leidwesen seiner jesuitischen Lehrer mehr für Magie und Zauberbücher.
    Außerdem war er rotzfrech. Er beleidigte seine Mutter, verhöhnte die Stände.
    Er reiste lieber nach Italien, nach Schweden. Egal wohin, Hauptsache er war an angesagten Höfen.

    Als zwanzigjähriger traf er sich mit seinen Verwandten in Baden-Baden.

    Jakobe von Baden, eine Cousine Eduards, sollte Johann Wilhelm von Jülich-Kleveberg heiraten. So hatte es der Clan beschlossen.
    Man traf sich im Oostal im neuen Schloss des Markgrafen Philipp II. um dann weiter nach Düsseldorf zu reisen. (3)
    Sein Vetter Ernst Friedrich war auch dabei. (4)

    Drei Jahre später starb Philipp II. - der letzte Markgraf der Baden-Badener Linie, ohne Erben.
    Nun bestand eine Chance auf Wiedervereinigung der beiden Markgrafschaften (Baden-Durlach und Baden-Baden)
    Doch dies wusste man zu verhindern. Die Söhne aus der Rodemachernschen Linie wurden als rechtmäßige Erben anerkannt und Eduard als Markgraf von Baden und Sponheim installiert.
    Seine Brüder erhielten Gebiete im heutigen Luxemburg und eine stattliche jährliche Summe Geld die ihnen natürlich nie ausgezahlt wurde.

    So wurde Eduard Fortunat Markgraf von Baden.

    Er war zu jener Zeit in Danzig und half seinem schwedischen Vetter Sigismund auf den polnischen Thron. Als Dank erhielt er Minenregale in Polen (Schürfrechte in Edelmetall- und Erz-Minen) die er über seine bayrischen Freunde an die Fugger verkaufte.

    In Baden setze er konsequent seinen Herrschaftsanspruch durch. (5)

    Eduard blieb nur wenige Monate in Baden, dann zog es ihn wieder nach Brüssel, an den Hof des Herzogs von Parma, der ihn als militärischen Berater im achtzigjährigen Krieg Spaniens gegen die Niederlande in seine Dienste aufgenommen hatte.

    Dort traf er Maria von Eicken.
    Die beiden verliebten sich. Aber Maria bestand auf einer richtigen Heirat. (6)

    Eduard liebte es zu Reisen, das war chic, aber kostspielig. Neben den Herrschaften reiste das Hofpersonal mit, so dass eine muntere Gesellschaft zusammen kam.
    Eduard und Maria zogen nach Italien, nach Venedig.
    Auf der Insel Moreno wurde ihr erstes Kind, ein Mädchen geboren.

    Die junge Familie kehrte nach Baden zurück. Maria war wieder schwanger und nach zwei Jahren Hinhaltetaktik heiratete Eduard seine Maria nun endlich im Neuen Schloss von Baden-Baden.

    Eduard zog es wieder nach Brüssel. Er wollte seine gesamte Markgrafschaft an Fugger verpfänden, verhökerte die letzten Erbstücke Philipps und bezahlte die Beamtengehälter nicht mehr.
    So geriet er immer mehr in das Blickfeld von Kaiser Rudolf II. (7)

    Höchste Zeit für Markgraf Ernst Friedrich von Baden-Durlach Fakten zu schaffen.

    In einer nebeligen Novembernacht des Jahres 1594 besetzten Durlacher und kurpfälzische Soldaten die Markgrafschaft Baden.

    Die „Badische Okkupation“ beunruhigte das katholische Lager.
    Ein Protestant vereinnahmt eine katholische Markgrafschaft.

    Wie so oft war Eduard zu dieser Zeit nicht in Baden.
    Er versuchte eine Söldnerarmee aufzustellen, scheiterte an der Finanzierung.

    Mit calvinistischer Gründlichkeit zerrte Ernst Friedrich nun alle bösen Taten Eduards ans Licht.

    Die Stände und die Städter, die Bauern und das fahrende Volk, sie alle wussten dass Eduard reiche Kaufleute ausrauben ließ und Herbergswirte persönlich aufsuchte, um sie nach ihren Gästen zu befragen.

    Die Badener kannten auch Eduards italienisches Kleeblatt aus Moreno. Eduard und sein langjähriger Diener und jetziger Hauptmann Paul Pestalozzi hatten dafür gesorgt, dass Franciscus Muscatellus, Corsico und Dualdo, die Yburg als Zauberplatz nutzen konnten.
    (8)

    Damit war jetzt Schluss.

    Pestalozzi und Muscatella wurde der Prozess gemacht.
    Am 10.Dezember 1594 wurden sie enthauptet, gevierteilt und an langen Eichenstecken in den Einfallstraßen von Durlach platziert.

    Nicht gut für Eduards Pläne, Ernst zu beseitigen. Aber er versuchte es immer wieder.
    Alle seine Versuche flogen auf und endeten im „vierteilen und aufstecken.“ Natürlich nicht für Eduard, sondern für die von ihm beauftragten Mordbuben. (9)

    Inzwischen installierten die Habsburger einen neuen Gouverneur in den südlichen Niederlanden, Erzherzog Albrecht von Österreich.
    Eduard löste seine Eintrittskarte.

    1598 traf Eduard seinen Vetter Sigismund III. in Danzig. Der war inzwischen König von Polen und Schweden. Die beiden segelten mit ihren Söldnern nach Schweden.
    Sigismund wollte seinen Machtanspruch bei seinem protestantischen Vetter in Schweden durchsetzen und Eduard half ihm dabei.

    Doch dieses Unternehmen scheiterte und war für Sigismund, aber vor allem für Eduard ein vernichtender Schicksalsschlag.

    1599 setzt der schwedische Reichstag ihren König Sigismund III. Wasa ab.
    Nachfolger wurde sein Vetter, den er in seine Schranken weisen wollte. Sigismund katholische Verbündete wurden hingerichtet.

    Auch Eduard verlor mehr als seinen Einsatz. Auf seiner Flucht verhafteten ihn auch noch die Dänen. Er strandete, wie so oft, am Hof von Brüssel.
    Doch die schlechten Nachrichten hatten sich herumgesprochen.
    Eduard verlor seine letzten Gönner und Gläubiger.

    Er ging in sein Nest zurück, in den Hunsrück, nach Kastellaun.

    Aber auch dieser letzte Rückzugsort gehörte ihm nicht mehr alleine. Er stritt sich mit Herzog Karl schon lange um die Herrschaft­­­­­ in Sponheim und damit auch um Schloss Kastellaun.

     

    Kastellaun


    Karl kam immer wieder.

    Am späten Abend des 18. Juni 1600 geisterte Eduard ums Schloss. „Wehe meiner armen Seele!“ soll er immer wieder gerufen haben.

    Eduard stieg die Treppen zum Schlossturm hinauf. Er blickte auf das Dorf. Er sah nichts.

    Dann ging er zurück zur Treppe. Er blieb stehen, schloss die Augen und schritt voran.

    Vielleicht.

    Vielleicht war er betrunken und stürzte die Treppe hinunter.

    Vielleicht war er nicht betrunken, weil er auch den letzten Messwein verkauft hatte und deshalb auf den steilen Treppenstufen ins Zittern kam.

    Vielleicht stürzte ihn Herzog Karl die Treppe hinunter, weil der allein in Sponheim herrschen wollte.

    Vielleicht schlich sich Eduard so aus seinem Leben.

    Vielleicht wollte er kein schwarzes Schaf mehr sein.

    Sicher ist, dass Eduard sich das Genick brach.
     

    (1)    Cäcila Wasa (geb. 1540, † 1627) war die Schwester ihres geisteskranken Bruders König Erik XIV. (1.1), der acht Jahre lang König von Schweden war. Sie war schön und verwöhnt, neugierig und lebenshungrig.
    Als sie 11 Jahre alt wurde starb ihre Mutter.
    Seit dieser Zeit lebte sie ohne Regulativ.
    Sie liebte die Maskerade, Männer, Musik und Tanz, Kunst und Theater, Unterhaltung und Bälle bis in den frühen Morgen.
    Die Liste der Heiratskandidaten wurde ständig aktualisiert. Zar Iwan der Schreckliche, König Sigismund II. von Polen, Pfalzgrafen – alle abgewiesen.
    Den Gesandten des polnischen Königs, Graf Johann von Tenczin wollte sie heiraten. Aber der starb, als er, um die Hochzeit vorzubereiten, bei seiner Heimreise in dänische Gefangenschaft geriet.
        Dann traf sie Christoph.

    (1.1)    Erik XIV. (geb. 1533, † 1577) war von 1560 bis 1568 König von Schweden.
    Als er zwei Jahre alt war starb seine Mutter. Seine Stiefmutter bevorzugte ihren eigenen Sohn Johann.
    Erik agierte psychotisch, litt unter seinem Verfolgungswahn.
    Sein Stiefbruder setzte ihn 1568 ab und Johann wurde der neue König.  Neun Jahre später starb Erik XIV. Er wurde vergiftet.

    (2)    Wilhelm V., der Fromme, Herzog von Bayern (geb. 1548, † 1626)

     

    Wilhelm V

    Lobend äußerte sich einer seiner Lehrer über ihn.
    Er sei „dem Erdkreis als Vorbild vollkommener Tugend geschenkt.“

    Wilhelms Lehrer waren Jesuiten, ihnen überließ er benediktinische Klöster wie Biburg oder die Abtei Ebersberg. Ihnen baute er in München Kirchen, St. Michael und ein weitläufiges, palastartiges Kloster.
    Er vergrößerte seinen Herrschaftsbereich durch Raubzüge, Einnahmen und Eroberungen im Namen des alten, rechten Glaubens (1582 Miesbach).
    Der Besuch der heiligen Messe wurde für alle Pflicht, ansonsten kam der „Heide in den Turm.“ Wer nicht katholisch werden wollte musste sein Land verlassen.
    Wilhelms Meinung zur Erziehung war „daß die heidnischen Schwätzer und Fabelhansen im Unterricht durch christliche Autoren ersetzt werden sollten.“

    1583 trat der katholische Erzbischof Gebhard in Köln zum Protestantismus über.
    Damals ein Skandal....

    Rom benannte sofort einen Gegenbischof und instruierte den köl’schen harten Kern des Capitels.

    Wilhelm V. bezahlte seine spanisch-niederländischen Söldner mit dem Geld aus Rom und zog gegen Köln. Leichte Siege brachten ihm reichen Lohn.

    Von nun an bestimmten die Wittelsbacher, über Jahrhunderte, wer in Köln, Hildesheim, Lüttich oder Münster Bischof wurde.

    Wilhelm V. ließ auch die Scheiterhaufen wieder brennen. In Bayern und in Baden-Baden.

    Die Landstände beklagten die hohen Schulden. Wilhelm hatte eine Schuldenlast von ca. 600.000 fl. übernommen, nun hatte er Schulden von mehreren Millionen fl. , die er auf seinen Sohn als Nachfolger übertrug.
    Er zog sich mit einem von ihm selbst festgelegten Jahressalär von 60.000 fl. in seine „ägyptische Einsiedeleien“ zurück, die er in Schleißheim und auf Neideck hatte bauen lassen, beeinflusste aber weiterhin die Politik Bayerns.

    (3)    Jakobe von Bayern war eine kluge, lebensfrohe Frau, die vier Sprachen sprach, herausragend Klavier und Laute spielte und die sich mit vielen Intellektuellen ihrer Zeit austauschte. Sie war 27 Jahre alt, als sie sich von München aus auf den Weg nach Düsseldorf machte um in eine Familie von Geisteskranken einzuheiraten.

    Ihr zukünftiger Ehemann, Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg litt unter Verfolgungswahn - seine Mitmenschen unter seinen Tobsuchtsanfällen.
    Er starb ohne Erben.

    Dessen Mutter, Maria von Österreich, Habsburgerin und durch Johanna die Wahnsinnige bereits genetisch vorbelastet, war schwermütig und später wohl auch „verruckt.“

    Der geistesverwirrte Vater hasste seinen Sohn, den Bräutigam. Sein geliebter erster Sohn starb früh.

    Jakobe versuchte, ihren Ehemann auf dem diplomatischen Parkett zu vertreten.
    Sie scheiterte, auch weil sie eine fremde Frau war und zudem nicht schwanger wurde.

    Ihre größte Feindin war ihre Schwägerin, Sybille.
    Sie hatte in der Vergangenheit die Fäden gezogen und dachte nicht daran, die Macht über ihren Bruder und damit über die Herrschaft aufzugeben.
    Sybille ließ Jakobe systematisch überwachen. Sie wollte sie vernichten.

    Schließlich verklagte Sybille Jakobe. Von der Hexerei (sie hätte ihren Ehemann verhext; nur deshalb sei er „verruckt“ geworden) über Hurerei bis zum Geiz und zur Habgier reichte die Anklage. Jakobe landete im Gefängnis. Zwei Jahre lang blieb sie da. Eines Morgens wurde sie tot aufgefunden. Wahrscheinlich wurde sie erwürgt.

    (4)    Ernst Friedrich, Markgraf von Baden-Durlach (geb. 1560, † 1604)
    wuchs am lutherischen Hof in Stuttgart auf.

    Als sein Vater starb, stritten sich drei Brüder, als Stellvertreter, über das Erbe.

    Ernst Friedrich, der Älteste, erhielt Durlach und Pforzheim.

    Ernst Friedrich liebte religiös-philosophische Zirkel, förderte das Schulsystem. Ihm ist die Einrichtung des Gymnasiums Ernestinum in Durlach (1583-86) zu verdanken.

    Immer wenn Eduard auf Reisen war, übergab er die Regierungsgeschäfte an Ernst. Da Eduard fast nie in seiner Markgrafschaft war, übte Ernst einen bestimmenden Einfluss in Baden aus.

    Ernst war Eduards „großer Bruder“.

    Eduard hasste ihn.

    Ernst hatte, auch wegen seiner Dauerfehde mit dem Kaiser, immense Schulden.
    Er verkaufte Teile seiner Markgrafschaft an die Württemberger.
    Zuerst Besigheim und Mundelsheim für 300.000 Gulden, später Altensteig und Liebenzell für 500.000 Gulden.

    Ernst konvertierte zum Calvinismus. In den Stafforter Büchern beschrieb er seine Gründe.
    Er rechtfertigte auch seine Badische Okkupation, indem er Eduard so darstellte, wie wir ihn heute wahrnehmen.
        
        Starrsinnig zwang Ernst sein lutherisches Land „reformirt zu werden“.
    Gegen sein rebellisches Pforzheim wollte er einen Kriegszug unternehmen, starb aber unterwegs an einem Schlaganfall.
    Ernst kam in Pforzheim als Leiche an und wurde in der dortigen Stiftskirche beigesetzt.  

    (5)     Zuerst drohte Eduard der katholischen Fraktion mit seinem Übertritt zum Protestantismus.
    Dann gab er sich erzkatholisch und nahm damit auch seinen bayrischen Lehrmeistern den Wind aus den Segeln.
    Er schürte in der Bevölkerung die Ressentiments gegen die Bayern.
    Ab Frühjahr 1589 war er souverän regierender Markgraf.


    (6)     Eduard war ein Kind seiner Zeit. Er hatte Vorbilder in seiner Familie und deren Aufträge zu erfüllen.
        
    Im Mittelater führten viele Adlige eine Ehe der linken Hand.
    Darunter verstanden sie ihr Recht, eine nicht standesgemäße Frauzu heiraten, aus Lust an der Liebe vielleicht, aber die gemeinsamen Kinder nicht anzuerkennen. Diese Ehe konnte jederzeit annulliert werden.
    Heiratete unser Adlige jedoch später eine Standesgemäße, hatte er das Recht  die früheren Kinder anerkennen, und konnte ihnen gestatten seinen Namen, Wappen, Titel, usw. zu tragen.

    Schon damals führte Eduards erster Versuch, die Heirat durch einen als Priester verkleideten Soldaten inszenieren zu lassen, zu Gespött und Heiterkeit.
    Im zweiten Versuch war zumindest ein richtiger Pfarrer bei der Trauung anwesend. Aber die Eheschließung hielt Eduard geheim. Es gab keinen Ehevertrag.
    Zwei Jahre später, am 14. Mai 1593 heiratete Eduard Anna nach Recht und Gesetz, behandelte sie aber weiterhin wie eine Konkubine.
    Die Heirat hinderte Eduard auch nicht daran, sich mit Damen aus Böhmen und Österreich zu vergnügen.

     (7)     Kaiser Rudolf II. befahl „wegen der Verschwendung, grossen Schulden und böser Lebensart M.Eduardi Fortunati, dass die Herzoge von Bayern und Lothringen seiner Lande übernehmen................“
    Kaiserliche „Commissäre“ wurden eingesetzt.
    Der Herzog von Bayern übergab die Sache an den damaligen Kammergerichts-präsidenten, Graf M. Fugger.

    (8)     Die Alchemie, oft reduziert auf die Herstellung von Gold, war das Gesprächsthema bei Hofe. Reichtum durch Zauberei. Das beschäftigte nicht nur Eduard, sondern viele Adlige. Vor allem die, die hochverschuldet waren.
        

    Lassen wir A.Schnezler erzählen:

    „Wie nun immer eine schlechte Handlung die andere nach sich zieht, so hat Markgraf Eduard auch sich des Falschmünzens unterfangen, welches in den Rechten sowohl als in der Kaiserl. Peinlichen Halsgerichtsordnung hoch verboten ist. Aus einer sonderbaren Mixtur von Metallen, welche der Malefikant Franz Muscatello zu bereiten wußte, wurden Ferdinandische Thaler, Klippenthaler, Portugaleser von 10 Dukaten Werth, etc. geprägt, dieselben auf der Frankfurter Messe ausgegeben und die Leute damit betrogen. Er, der Markgraf selbst, war zugegen, wenn gemünzt wurde, und zog das zu Augsburg erkaufte Preßwerk mit eigener Hand. Die Stempelschneider zu bekommen, brauchte er Gewalt und hielt sich Alles für erlaubt.“

     

    Muscatello gestand vor Gericht im Dezember 1594 aus Messing, Kupfer, Silber und Gold unter anderem Mailändische Silberkronen, oder Portugaleser (Nachahmungen von Goldmünzen aus Portugal) hergestellt zu haben.

    Pestalozzi bestätigte vor Gericht im Dezember 1594, dass er dabeigewesen sei und mitgeholfen habe (auf Befehl seines Herrn ) 220 viereckige Taler zu machen, die er dann auf der Frankfurter Messe ausgab, bis auf die, die zu roh waren. Die warf er in den Main.

    (9)    Im sechszehnten Jahrhundert waren die Menschen nicht weniger geneigt einander umzubringen als heute.
    Auf der Frankfurter Messe 1593 trafen sich Ernst und Eduard.
    Beim vereinbarten Abendessen stand der Giftbecher schon bereit, aber Ernst sagte das Treffen ab.
    Alle weiteren Versuche scheiterten.

    Dann stellte das italienische Kleeblatt auf Befehl Eduards Wachsfiguren von Ernst her, ein Priester musste diese weihen und mittels angewandter Magie und Zauberei sollte Ernst sterben, oder zumindest sollte eine Krankheit ihn niederwerfen. Einige meinen, der Zauber habe gewirkt, da Ernst nach der Okkupation erkrankte.
    Vielleicht war es Zufall.


    Quellen / Literatur:

    Urte Schulz, Das schwarze Schaf des Hauses Baden, Markgraf Eduard Fortunatus, Casimir Katz Verlag, 2012
    Ein sehr faszinierendes, faktenreiches Buch über dieses schwarze Schaf.

    Armin Kohnle, Kleine Geschichte der Markgrafschaft Baden, G.Braun Buchverlag, 2009

    Johann Christian Sachs, Einleitung in die Geschichte der Marggravschaft und des marggrävlichen altfürstlichen Hauses Baden, Dritter Theil, Karlsruhe 1769, Bayrische Staatsbibliothek
    WIKISOURCE, ADB: Markgrafen von Baden

    Schöpflin, Hist. Zaringo-Badensis. Agricola, Hist. prov. soc. Jes. Germ. super. p. I. Pütter, Mißheirathen teutscher Fürsten und Grafen.

    Schöpflin, Hist. Zaringo-Badensis. Leonh. Hutterus, Concordia concors. Bouginé, Handbuch der allgemeinen Litterargeschichte. Kleinschmidt, Jakob III., Markgraf von Baden und Hochberg.

     

    Willi Andreas Weishaupt 2017

     

  • Anna Weinhag

    Hexenverfolgung in Baden

    Geschichte der Anna Weinhag

     

    Anna war eine tapfere und mutige Bürgerin der Stadt Baden-Baden.

    Am Neujahrstag des Jahres 1600 stapfte Anna im Schnee durch die Altstadt von Baden-Baden.
    Anna war Gewürzkrämerin und auf dem Weg zu ihrem beliebten Laden.
    Was das neue Jahr wohl bringen würde?

    Anna machte sich keine Illusionen. Die Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten würde weitergehen, der Schrecken bleiben.
    Anna schaute zum „Neuen Schloss“ hinauf. Dort hatte die Familie zusammen mit der protestantischen Gemeinde Weihnachten gefeiert, eine eigene Kirche hatten die „Lutheraner“ noch nicht.
    Anna fror. Es war bitterkalt. Verwandte hatten ihr erzählt, dass der Bodensee wieder zugefroren sei.
    Sie seufzte und ging weiter. Gott sei Dank wusste keiner was die Zukunft bringen würde, dachte sie.

    Heute kennen wir Anna Weinhags Zukunft und ihren weiteren Lebensweg.

    Sie sollte erleben, wie schon im Februar der ehemalige Dominikanermönch, Philosoph und Astronom  Giordano Bruno zum Tode verurteilt  wurde.

    Der Familie ging es unter der Herrschaft des protestantischen Markgrafen Georg Friedrich (1) einigermaßen gut. Hans, Annas Mann, wurde Ratsherr.

    Georg Friedrich von Baden-Durlach
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    Die Stadt unterstützte ihren Markgrafen auch finanziell.
    Bei dem Geschäftsmann und Vorsitzenden der Murgschiffer Jakob Kast lieh sich Georg Friedrich 27.000 Gulden für die die Stadt Baden-Baden bürgte. Die Stadt selbst gab ihm noch ein unverzinsliches Darlehen (1611). Auch mit diesem Geld rüstete der Markgraf seine Armee auf.

    Katholische Liga gegen Protestantische Union – dieser Stellvertreterkrieg fand  hauptsächlich im Badischen Land sehr zum Nachteil der dortigen Bevölkerung statt.

    In Wimpfen (1622) entschied sich auch Annas Schicksal, der Markgraf unterlag in der Schlacht und Wilhelm I. wurde sein Nachfolger.

    Markgraf Wilhelm I.
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    Der setzte eine brutale Rekatholisierung durch und holte die Jesuiten nach Baden-Baden. Fronapfel nach Ettlingen und Philipp Zinner nach Baden-Baden. Die Ordensregeln der Jesuiten schrieben für ein Kolleg mindestens 30 Mitglieder und ein Grundkapital von 60.000 Gulden vor. Das Jesuitenkolleg in Baden-Baden finanzierte sich durch dingliche Rechte (Berechtigung zum Einzug vom Zehnten, Grund- und Pachtzinsen) und vor allem durch Immobilienbesitz. Zwischen Ötigheim und Ottersweier besaßen sie bereits drei Mühlen, sowie Hof- und Weingüter auf ca. 250 Hektar. Mit dem Weinverkauf wurden satte Gewinne erzielt.  Ebenso mit der Hexenverfolgung. Jesuiten betreuten die Angeklagten seelsorgerisch, schrieben in Baden-Baden die Prozessprotokolle. Die Angehörigen der Opfer mussten die Prozesskosten bezahlen, viele wurden dadurch gezwungen ihren Grundbesitz an die Jesuiten zu veräußern.   

    Noch nicht mal zwei Jahre im Amt und schon stellt Wilhelm seinen Bürgern von Baden-Baden ein Ultimatum. Katholisch sollen sie werden - oder bis Weihnachten die Stadt verlassen.

    Anna war anderer Meinung, und mit der hielt sie nicht hinter den Berg. Sie schrieb an den Markgrafen und bat ihn diese Entscheidung zurückzunehmen.
    Das war skandalös. Eine Frau, eine „Lutherische“ zudem, kritisiert öffentlich die Entscheidungen des Markgrafen.

    Anna war ein Fall für den markgräflichen Rat Matern Eschbach.

    Nur wenige Monate nach ihrem Brief wurde Anna als Hexe angeklagt.
    Sie seye die gröste hur in Baden, undt darzue ein Hex
    so Eschbach.

    Eine Kronzeugin, Anna Geiger, ebenfalls als Hexe angeklagt, war schnell gefunden. Auf Hexentänzen habe sie die Weinhag gesehen.

    Anna Weinhag wurde noch am selben Tag gefoltert. Vier Tage lang. Durch Aufziehen, durch Anhängen von Gewichtssteinen, durch Beinschrauben wurden ihre Glieder zerquetscht und ihre Gelenke verrenkt. Zwei Tage lang saß sie dann noch auf dem „Wachstuhl“, doch sie legte kein Geständnis ab und nannte keine Namen. Sie musste die Urfehde schwören (Stillschweigen und keine rechtlichen Schritte gegen die Richter, d.h. gegen Eschbach), dann kam sie nach Zahlung der Verfahrenskosten frei, unter Hausarrest.

    Nur Monate später wurde sie erneut angeklagt. Diesmal wurde ihr auch Schadenszauber unterstellt.
    Nach erneuter Folter und einem Tag Wachstuhl wurde sie in den Spitalturm und danach ins Gefängnis verlegt.

    Ihr Mann Hans klagte gegen den Markgrafen vor dem höchsten Gericht des deutschen Reiches, der Reichskammer die, wegen Verfahrensmängel und der überaus harten Folter,  eine Haftaufhebung anordnete.
    Anna wurde aus dem Gefängnis entlassen.

    Wie Dagmar Kicherer schreibt, „war Anna Weinhag das einzige Opfer des Hexenwahns in der Markgrafschaft Baden-Baden, das zwei Prozesse überlebt hat. Und sie gehört zu den wenigen, die sich selbst unter unmenschlichen Qualen ihren Peinigern nicht gebeugt haben“.

    Im Herbst nach ihrer Freilassung verlies Anna Weinhag Baden-Baden.

    Ein Stich von Merian (1643) zeigt uns Baden-Baden zu Zeiten Annas

     via Wikipedia Commons

    (1) In der „Oberbadischen Okkupation“ (1594) besetzten die Verwandten des Hauses Baden-Durlach die Markgrafschaft Baden-Baden ihres Vetters Eduard Fortunat, der die/seine Markgrafschaft Baden-Baden an die Fugger verkaufen wollte, Gold herzustellen versuchte, und auf der Yburg Falschmünzerei betrieb.
    Die Baden-Durlacher beendeten damit auch die katholische Dominanz in der Markgrafschaft Baden-Baden.

     

    Literatur:

    • Dagmar Kicherer, Kleine Geschichte der Stadt Baden-Baden, G.Braun Buchverlag, 2008
    • Gleichstellungsstelle der Stadt Baden-Baden, Zwischen Suppenküche und Allee, Corinna Schneider, Man thue ihr für gott undt aller welt Unrecht, 2012
    • Historisches Museum der Pfalz Speyer, Hexen Mythos und Wirklichkeit, 2009

     

    Willi Andreas Weishaupt 2016
            © Baden-GEO-Touren
     
  • Georg Herwegh

    Georg Herwegh

     

    Georg Herwegh 300geb. 31. Mai 1817 bei Stuttgart, †  7. April 1875 in Baden-Baden
    war Poet, Dichter, Salon-Revolutionär, Vordenker, Shakespeare-Übersetzer und ein Mensch, der selten lachte.

    Georgs Vater Ludwig Herwegh war ein aus Baden eingewanderter Gastwirt.
    Seine Mutter Rosina Märklin stammte aus einer schwäbischen Apothekerfamilie.
    Die Ehe war nicht glücklich. Ludwig und Rosina stritten sich oft, heftig und rau.

     

     

    Mit elf Jahren kam er zu seiner Großmutter nach Balingen, konnte auf Betreiben seiner Mutter die Lateinschule besuchen und als Vorbereitung zur Aufnahme in Maulbronn ein staatliches Examen ablegen.
    Dann wurde er krank.


    Ein angehender Mediziner promovierte über den Fall „Geschichte eines St. Veits-Tanzes (1) welcher mit dem thierischen Magnetismus (2)  behandelt und zum Theil geheilt wurde“.

    Georg war vierzehn Jahre alt, als sich seine Eltern trennten und er in das Maulbronner Seminar aufgenommen wurde. (3)

    Mit Achtzehn verließ er Maulbronn um in Tübingen zu studieren.
    Von dem theologischen Studium unbefriedigt, und unter den kasernenartigen Verhältnissen des Stifts leidend, geriet er nach mehreren „unehrerbietigen Äußerungen“ zunehmend in den Fokus der Verwaltung. (4)

    An einem lauen Sommerabend des Jahres 1836  kam Georg fröhlich angetrunken, aber leider viel zu spät aus dem Wirtshaus zurück ins Stift.  Er war sehr impulsiv, beleidigte die Wache und zwei ältere Studenten, wanderte in den Karzer und wurde aus dem Stift entlassen.

    Georg zog wieder nach Stuttgart, arbeitete bei August Lewald in dessen Zeitschrift „Europa“ mit. Lewald beschreibt ihn als einen „in sich gekehrten, bei Diskussionen schroffen poetischen Geist“.

    Georg wird zum Militärdienst eingezogen. Er sieht seine reale Situation nicht, beleidigt einen Unteroffizier und aus einer durch Lewalds Beziehungen eingefädelten möglichen „Beurlaubung“ wird dank Georgs Ego eine vierwöchige Kasernenhaft.

    Nach verbüßter Haft musste er sein Geld als Übersetzter (Lamartine) verdienen.
    Und als er dann doch wieder auf einen Maskenball ging, warf ihn ein gräflicher Oberstleutnant nach „frechem Benehmen“ hinaus und erstatte Anzeige. Ihm drohte die (Zwangs) Einberufung auf „unbestimmte Zeit, zur besseren Bekanntmachung der Disziplin und Subordination“.

    Im Sommer 1839 floh er mit Hilfe seines Freundes Dietzel auf dem „Schwabenweg“ in die Schweiz zu Heinrich Elsner („Leuchtturm“-Herausgeber in Thurgau).

    Auch in der Schweiz, aber in Zürich und Winterthur, wurde 1841 das „Literarische Comptoir“ gegründet und Julius Fröbel verlegte als erstes Werk Georg Herweghs  „Gedichte eines Lebendigen“. (5)

    Das Buch wurde ein Bestseller.

    Herwegh wurde ins Rampenlicht katapultiert, seine Gedichte trafen den Nerv der Zeit.

    Seinem Gnadengesuch wurde stattgegeben (gegen ihn bestand immer noch ein Haftbefehl wegen Fahnenflucht).
    Nun konnte er wieder in die deutschen Länder reisen.
    Es wurde ein Triumphzug des Weltbürgers, des ehernen Sängers, von Mainz nach Köln (dort lernte er K. Marx kennen) bei Fackelzügen und Banketten, über Leipzig, wo sie unterm Balkon seine Gedichte rezitierten und ihn mit einem Lorbeerkranz schmückten. In Dresden lernte er Arnold Ruge kennen, der ihn wiederum mit Bakunin und Turgenjew bekannt machte. Dann reiste er nach Berlin.

    Hier fieberte bereits Emma, die selbstbewusste Tochter des sehr vermögenden Seidenwaren- und Modehaus-Besitzers Siegmund, im gleichen Monat und Jahr wie Georg geboren, seiner von ihr arrangierten Ankunft entgegen.
    Georg kannte Emma nicht, aber Emma hatte sich schon bei der Lektüre der „Gedichte eines Lebendigen“ in ihren Poeten verliebt.
    Jetzt stand er vor ihr.
    Acht Tage später verlobten sie sich.

    Dann Herweghs Audienz beim preußischen König.
    Stumm und ehrfurchtsvoll blieb er wohl, und „machte seinen Diener“ (Heine).
    Erst im nach hinein rechtfertigte er sich mit seinem „Wort unter vier Augen“. Als dieses Schreiben (angeblich durch Indiskretion) veröffentlicht wurde, musste Herwegh Preußen innerhalb eines Tages verlassen, trennte sich von seiner Verlobten und reiste in die Schweiz, wo er sich die Bürgerrechte im Kanton Baselland kaufte.

    Dort heirateten Georg und Emma am 8. März 1843.
    Emma war eine schöne, temperamentvolle, intelligente Frau und eine gute Partie. (6).

    Die Hochzeitsreise führte über Frankreich nach Italien. Mit dem Schiff dann nach Neapel, für sieben Wochen. Sie zogen nach Paris, ans Seineufer. Das Ehepaar Marx und Ruge wohnten um die Ecke.

    Georg schrieb für den „Vorwärts!“, eine kritische Zeitung, die bald wegen „politischer Beiträge“ verboten wurde.

    Er hatte ein Verhältnis mit Marie Comtesse d’Agoult. Über sie lernte er Liszt kennen, der einige seiner Gedichte vertonte, u.a. das „Rheinweinlied“(7).

    Die Herweghs zog es, mit ihren Freunden Carl Vogt und Michail Bakunin ans Meer, nach St. Malo, nach Nizza.
    Sie fieberten der Revolution entgegen.
    Die ließ auf sich warten. So hatte man Zeit und Muße, Georg widmete sich der Meeresbiologie (8).

    Dann kam sie doch, die Revolution.
    Der französische König floh nach England.
    Auf der anderen Rheinseite forderten Hecker und Struve die deutsche Republik.

    In Paris sammelten sich die deutschen Handwerker in der Deutschen demokratischen Gesellschaft und Herwegh schrieb an Hecker, nannte 5.000 Mann, die „binnen acht Tagen an der Grenze stehen können.“ (9).

    Nach einigem Exerzieren, vielen Hurra-Rufen und endlosen Reden, zog schließlich ein bunter Haufen von etwa 700 Mann nach Straßburg.

    In Konstanz rief Hecker die Republik aus, zog gen Norden nach Engen.
    Die unerschrockene Emma Herwegh suchte ihn dort auf und bot Hilfe an.

    Am Ostermontag 1848 überquerten ein Poet, der kein Stratege war,
    dessen Frau, die sich vor nichts fürchtete, außer dass ihrem Georg ein Leid geschehen könnte,
    ein paar charakterstarke Kommandeure
    und ungefähr 600 Mann, die 200 Gewehre hatten (der Rest nur Sensen),
    den Rhein,
    um im Vaterland „der Freiheit eine Gasse zu brechen“.

    Es war eine Sackgasse.
    Das Großherzogtum Baden hatte, zusammen mit Hessen, Bayern und Württemberg mehr als 30.000 Soldaten gegen die Aufständischen aufgeboten.
    Hecker und Struve waren bereits geschlagen, die Herwegh’sche Schar konnte nur noch versuchen in die Schweiz zu entkommen.

    Der Tross kam bis Dossenbach (also fast bis Rheinfelden). Eine württembergische Kompanie stellte und besiegte die Freischärler. Emma und Georg entkamen (10).

    Monate später waren sie wieder in Paris.

     

     Zu Frankfurt an dem Main
    Die Wäsche wird nicht rein;
    Sie bürsten und sie bürsten,
    die Fürsten bleiben Fürsten
    Die Mohren bleiben Mohren
    Trotz aller Professoren
    Im Parla – Parla – Parlament
    Das Reden nimmt kein End’!

     

    In Wien machte Fürst zu Windisch-Graetz mit den Revolutionären kurzen Prozess. 2.000 Menschen starben. Der Abgeordnete Robert Blum wurde, trotz seiner Immunität als Abgeordneter, erschossen.

    Georg zog sich zurück. Alle Politik sei Schund, nur die Naturwissenschaft sei wahr.

    Wahr war auch Georgs Liaison mit Natalie Herzen (11). Aus dem Karneval der freien Liebe wurde eine Tragödie (12).

    Zwischen Herwegh und Wagner entwickelte sich eine tiefe Freundschaft. Mit Liszt zusammen, schwärmten sie von großen gemeinsamen musikalischen Werken.

     

    Einige Jahre später wurde Georg in die Führung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins berufen und nach Drängen Lassalles verfasste er sein berühmtes Bundeslied:

    Menschenbienen, die Natur,
    Gab sie euch den Honig nur?
    Seht die Drohnen um euch her!
    Habt ihr keinen Stachel mehr?

    Mann der Arbeit, aufgewacht!
    Und erkenne deine Macht!
    Alle Räder stehen still,
    Wenn dein starker Arm es will.

     

     

     Die finanzielle Situation der Herweghs verschlechterte sich.
    Georg musste auch seine Bibliothek verkaufen und floh vor den Gläubigern aus Zürich.
    Er ließ sich in Baden-Baden (Sophienstraße) nieder. Im Oktober 1866 kam Emma mit den zwei Kindern (Ada und Marcel) nach.
    Die Familie zog nach Lichtental.
    Georg übersetzte Shakespeare.

    Was kein freier, deutscher Patriot sich vorgestellt hatte: nicht die Revolutionäre schufen mit dem Volk „von unten“ ein Deutschland, sondern Bismarck tat dies, mit „Blut und Eisen“, „von oben“ - wie er es angekündigt hatte.

    Georg war entsetzt.


    „Germania mir graut vor dir! Mir graut vor dir, ich glaube fast, daß du, in argen Wahn versunken, mit falscher Größe suchst zu punkten, und daß du, gottesgnadentrunken, das Menschenrecht vergessen hast“.

     

    Wo waren alle seine Freunde? Tot, ausgewandert, auf der anderen Seite?
    Er hatte nur noch wenige, z.B. Carl Dernfeld (Architekt der Kirche St. Bonifatius in Lichtental und des neuen Friedrichsbades).

    Um Georg wurde es einsam.
    Im Alter von 58 Jahren starb er im April des Jahres 1875 an einer Lungenentzündung.

    Emma bestattete ihren geliebten Georg in der Schweiz, im Kanton Baselland in „freier republikanischer Erde“.

    Sein Wunsch, nach dem erhofften Zusammenbruch „Germaniens“ auf seinem Grabstein die Zeilen „Getrost mein Vater, Preußen ist nicht mehr!“ hinzuzufügen, wurde nicht erfüllt.

     

    Die Fragen sind erledigt,
    Die Pfaffen machen bim bam bum;
    Den Armen wird gepredigt
    Das Evangelium.


    (1) Georg erkrankte wahrscheinlich an der Autoimmunkrankheit Chorea, die wie   Parkinson, durch einen Zerfall der Basalganglien eingeleitet wird.

    Demgegenüber war der Veitstanz ein mittelalterliches Massenphänomen in Europa.
    „Die Menschen tanzten......... mit vielerlei Verrenkung,......bis sie zur Erde fielen.“
    Gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges werden die Berichte über die „Tanzwut“ spärlicher.

    (2) 1780 entdeckte Luigi Galvani bei Induktionsversuchen mittels Lichtbogenentladungen den Einfluss elektrischer Ströme auf Muskelgewebe bei Fröschen. Verschiedene Metalle und natürliche Magnete galten alsbald als Stoffe mit großer, positiver Wirkung auf den menschlichen Organismus (Mesmerismus).

    (3) Dazu musste Georg eine Prüfung in Latein, Griechisch und Hebräisch ablegen.  

    (4) Die Umsetzung der Karlsbader Beschlüsse sorgte für ein Klima der Angst. Verbote und Verordnungen bestimmten auch das studentische Leben von Georg.
    Im Stift gab eine strikte Kleiderordnung, der Alltag war minutiös vorgegeben.
    Studentische Organisationen waren verboten. Einrichtungen, wie Turnvereine, aber auch Gartenvereine, waren verboten. Die inländische Presse wurde scharf zensiert, Publikationen aus dem Ausland unterbunden.

    (5) Ein Gedichtband voller Klischees, aber auch Hoffnung mit martialischem, aber auch geflügeltem Vokabular, Zitate: „Reißt die Kreuze aus der Erden! Alle sollen Schwerter werden“, „Voran zum heiligen Krieg“, oder „Und durch Europa brechen wir der Freiheit eine Gasse“, aber auch „O wag’ es doch, nur Einen Tag, Nur Einen, frei zu sein“.
    Heinrich Heine, der Georg Herwegh als „eiserne Lerche“ bezeichnete (in einem Gedicht, was er zu Lebzeiten nicht veröffentlichte), war gegen diesen „Wartburger Spuk“.

    (6) Herwegh, der noch zwei Jahre zuvor um Schuhe betteln musste, erhielt jetzt als Vorschuss auf Emmas Mitgift 20.000 Francs pro Jahr. Ausserdem verdiente er durch die Einnahmen seines Bestsellers anfangs gut.
    20.000 Francs entsprachen damals (1850) ungefähr 6.000 Taler.
    Der Wochenlohn eines Webers betrug 3 Taler und 3 Silbergroschen.

     

    (7) Rheinweinlied:

    Wo solch ein Feuer noch gedeiht,
    Und solch ein Wein noch Flammen speit,
    Da lassen wir in Ewigkeit
    Uns nimmermehr vertreiben.
    Stoßt an! Stoßt an! Der Rhein,
    Und wär’s nur um den Wein,
    Der Rhein soll deutsch verbleiben.

    Der ist sein Rebenblut nicht wert,
    das deutsche Weib, den deutschen Herd,
    Der nicht auch freudig schwingt sein Schwert,
    Die Feinde aufzureiben.
    Frisch in die Schlacht hinein!
    Hinein für unsern Rhein!
    Der Rhein soll deutsch verbleiben.

     

    (8) Im 19. Jahrhundert entwickelten sich die Naturwissenschaften (und die Industrialisierung) in einem atemberaubenden Tempo. Physik, Chemie und Biologie wurden eigenständige Wissenschaften. Es war chic, biologische Studien und Versuche durchzuführen, man suchte das „Lebensprinzip“ zu ergründen.

    (9) In Paris lebten um diese Zeit ca. 50.000 deutsche Handwerker. Im Frühjahr 1848 wurden viele arbeitslos. Vor allem Bornstedt organisierte die Legion, sammelte Geld und Waffen. Herwegh wurde zum Präsidenten der Liga ausgerufen.

    (10) Die Umstände der Flucht, Georg soll sich im Spritzleder (das ist ein Lederschutz an der Seite von Kutschen und Wagen) versteckt haben, führte zu Spottgedichten, „....Heiß fiel es dem Herwegh bei, Daß der Hinweg besser sei...“.

    (11) Natalie Herzen, war die zarte, feine, intelligente Ehefrau von Alexander Herzen, einem adligen Schriftsteller, Publizist und Spross einer reichen russischen Familie. Alexanders Eltern heirateten nicht, er war ein Herzenskind und hieß deshalb Herzen.

    (12) Nach einigem Hin und Her zogen die beiden Paare nach Nizza in ein von Herzen angemietetes Haus.
    Die Herweghs waren nahezu pleite. Emma nahm bei Alexander Herzen einen Kredit über 10.000 Francs auf.
    Die Tragödie begann.
    Große Emotionen, angedrohte Abreisen, Georg flehte Alexander Herzen (über Emma) an, ihm das Leben zu nehmen, Natalie forderte dies von von Georg und Emma bot Alexander an, bei ihm zu bleiben, wenn er Natalie freigäbe.
    Emma trennte sich von Georg, er zog nach Zürich und schrieb weiter seine Liebes-und Rechtfertigungsbriefe an Natalie. Alexander und Natalie versöhnten sich.
    Er schrieb, beleidigend an Alexander. Den Antwortbrief von Natalie schickte er zurück, vertuschte dabei ungeschickt, dass er ihn gelesen hatte.
    Natalie starb nach einer Totgeburt.
    Zwei alte Freunde Alexanders (Haugh und Tessié) suchten Herwegh in dessen Hotel auf. Herwegh leugnete, wurde von Haug geohrfeigt und zum Duell aufgefordert. Herwegh kniff.
    Georg und Emma versöhnten sich und zogen wieder zusammen.

     

    Literatur:
    Ulrich Enzensberger, Herwegh Ein Heldenleben, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 1999
    Ein wunderbares Buch, aus dem die meisten Zitate dieses Beitrags stammen.

    Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz, Herausgeber G.Herwegh, BiblioLife

     

    Bildnachweis:
    Georg Herwegh, gezeichnet von Emma Siegmund 1842, Herwegh Archiv, Dichtermuseum Liestal

    Museen:
    Dichtermuseum Liestal, Baselland



    Revolutionslied ça ira

     

     

     

     

     

       Emma Herwegh

    Biografie von Emma Herwegh

     

    Willi Andreas Weishaupt 2015
    © Baden-GEO-Touren

     

     

  • Carl Julius Späth

    Carl Julius Späth

    geb. 12. April 1838 in Steinmauern, † 2. April 1919 in Steinmauern

    war Weber und Uhrmacher, verschroben, genial, Erbauer einer einzigartigen astronomischen Uhr.

    Carl war das erste Kind eines Flachs- und Hanfwebers.
    Die Eltern kamen aus Ottenau, da wo die wilde Murg endet und fanden in Steinmauern (1) ihr neues Zuhause.

    Als er sechs Jahre alt wurde, half er zum ersten Mal seinem Vater am Webstuhl. Von nun an war Weben seine tägliche Arbeit.
    Außer am Sonntag. Da gingen (fast) alle in die neugebaute Kirche und danach trafen sich die Männer im „Schiff“ oder in den Flößer-Wirtschaften „Anker“ und „Sonne“.

    Carl ging zur Schule, arbeitete am Webstuhl, suchte Gold im Rhein, verliebte sich, schnitt Gras für die eigenen Kaninchen und für die Ziege auf den besitzlosen Inseln des Rheins, fing Fische und Krebse und sammelte Weinbergschnecken für die Franzosen. (2)

    Im Revolutionsjahr 1848 flogen Kanonenkugeln über das Dorf.
    Er bestand seine Gesellenprüfung und lernte von seinem Vater nicht nur das Weben, sondern auch vieles über das Uhrmacherhandwerk.
    Carls Vater hatte bereits einen „Zahnstuhl“, eine Drehbank, mit der er Zahnräder herstellen konnte.

    Mit 21 Jahren wird Carl zum Militär einberufen. Er absolviert die Grundausbildung und dient als Bursche bei einem Major in Mannheim.
    Nach dem Militärdienst, zurück in Steinmauern, verlässt er das Elternhaus, geht nach Plittersdorf, kehrt nach Steinmauern zurück, übernimmt nach dem Tod des Vaters dessen Werkstatt und heiratet seine Theresa.

    Die Weber bekamen immer weniger Aufträge. Die Webmaschinen in den Fabriken machten ihnen Konkurrenz.

    Carl baute seine erste Uhr. Eine Pendeluhr - von den Zahnrädern bis zur Mechanik des geschnitzten „Mittagshahns“, vom gemalten Uhrenschild bis zu den Zeigern – sein Werk.
    Er reparierte Uhren, aber davon konnte die vierköpfige Familie nicht leben.

    Er plante eine Uhr mit Uhr-, Schlag- und Spielwerk. In einem Jahr sollte sie fertig sein.
    Was seine Dorfnachbarn nicht erwarteten - und viele ihm auch nicht wünschten - geschah. Carl baute und verkaufte diese Uhr.

    Seine nächste Uhr sollte noch komplexer werden. Tagsüber schloss er sich in seine Werkstatt ein, nachts ging er zur Murg.

    Deutschland wurde Kaiserreich. Carl vermaß den Planetenlauf und die Positionen der Fixsterne.

    Keines seiner Kinder durfte in die Werkstatt, keinem brachte er ein Handwerk bei.  Sein ältester Sohn ging in die Schweiz. Theresa hatte inzwischen sieben Kinder geboren.

    Carl verkauft seine neueste Uhr an den Berliner Hof, der Kaiser hat Carls Pläne für seine große astronomische Uhr, die der bauen will, in den höchsten Tönen gelobt und lässt ihm dafür 300 Mark zukommen.
    Die finanzielle Situation der Familie verbessert sich, Familie Späth kauft Grundstücke für ihre Kinder.

    Eine große astronomische Uhr, wie die in Straßburg will er bauen. (3)

    Er schuf sich Feinde bei seinen seltenen Wirtshausbesuchen. Dort prahlte er, dass der Kaiser seine Uhren verstünde, aber nicht die Dörfler aus Steinmaurern.
    Er bedrohte den Jungendfreund seiner Frau. Im Wirtshaus schrie er ihn an und drohte, ihn zu erschießen, falls er noch einmal einen Fuß über seine Schwelle setzen sollte.
    Carl wurde krankhaft eifersüchtig und Theresa und ihre Kinder hatten darunter zu leiden.
    Er begann Briefe zu schreiben. Briefe, die ihm schaden sollten.

    Ein seriöses Angebot zukünftig in Mainz seine Uhren zu bauen lehnt er ab.
    Er will in seinem Dorf bleiben.

    Aber seine Frau Theresa verklagt er, „wegen Prostitution“, nach zwanzig Ehejahren.
    Theresa wehrt sich, auch mit falschen Behauptungen und erreicht, dass ihr Mann entmündigt wird.
    Carl wird aufgrund Theresas Aussagen verhaftet, landet im Heidelberger Gefängnis und wird erst mal mit einer doppelten Bromidlösung ruhiggestellt.
    Er wird „....als Querulant. Streitsüchtig, aber nicht gefährlich“ eingestuft (4) und nach Illenau verlegt. (5)

    An seine Theresa schreibt er, wie gut es ihm hier gehe. Theresa schildert ihm die Lage der Familie. Sie müssten alle betteln und auch noch die Kosten seiner Haft bezahlen.

    Carl kommt nach Hause.

    Von vielen Menschen seines Heimatdorfes wurde er nicht mit offenen Armen empfangen. Einige hatten sogar gegen seine Entlassung interveniert.
    Carls Familie hatte viele Schulden, auch beim Metzger.
    Der Pfarrer ließ ihn nicht in die Kirche.

    Das Unglück seiner Feinde war sein Glück.

    Das Haus des Metzgers wurde versteigert und der Pfarrer zwangsversetzt.

    Im Mai 1898 vollendete Carl seine große astronomische Uhr. (6)

     

     

     

    Die vielen Besucher, die diesen Tempel der Zeit sehen wollten und nach Steinmauern kamen, machten Meister Späth bekannt und wohlhabend.

    Theresa und ihr Jugendfreund erlebten diese Zeit nicht mehr.
    Carl selbst wurde 80 Jahre alt.

    Seine Uhr, die sich heute im Stadtmuseum in Rastatt befindet ist schon vor langer Zeit stehengeblieben.
    Es fehlt ein genialer Uhrmacher.

    Willi Andreas Weishaupt 2015
    © Baden-GEO-Touren

    1)    In Steinmauern (= schützende Mauern gegen das Hochwasser) mündete die Murg in den Rhein. Das Flößerdorf war ein Waren-Umschlagplatz. Hier wurde das begehrte Holz des Schwarzwalds zu Flößen zusammengestellt und rheinabwärts nach Rotterdam transportiert.
    Und auf den Flößen fuhren die Schwarzwälder mit ihren Träumen den Rhein hinunter. Nach Amerika.

    (2)        Wilderei war verboten, die Wilderer wurden erschossen, oft grausam hingerichtet.
        Fischerei war streng reglementiert.
    Es gab „Herrenfische“ (Lachs, Stör, Karpfen und Wels), die das „niedere Volk“ nicht essen durfte. Vom Fang der erlaubten Fische konnte die jeweilige Herrschaft  noch ein Drittel  bis zur Hälfte für sich einfordern.

    (3)    Die astronomische Uhr im Straßburger Münster wird Carl gründlichst studieren. 1842 hatte sie Schwilgué wieder in Stand gesetzt und erweitert. Sie stellt u.a. Erd- und Mondbahn, die Bahnen der Planeten bis zum Saturn und die Präzession der Erde dar.

        Carls große astronomische Uhr sollte noch mehr Funktionen beinhalten. Den Sternenhimmel über Steinmauern wollte er an den Beobachtern vorbeiziehen lassen. Kalenderräder sollten die beweglichen Feiertage der nächsten 4.000 Jahre anzeigen. Wie bei vielen Uhren dieser Zeit traten bewegte Figuren wie der „Mittagshahn“, der „Posaunenengel“ oder der Tod, auf.

    (4)    Querulanten waren im 19.Jahrhundert per Gesetz geisteskrank.
    Der Direktor der „Staatsirrenanstalt Zwiefalten“ schrieb in seinem 1889 erschienen „Leitfaden der Psychiatrie“:
        „...wer an Querulantenwahnsinn leidet, der prozessiert unter allen Umständen, wenn er irgend kann, er verfolgt sein verbrieftes Recht......mit Fanatismus... und zwar scheinbar, namentlich im Anfang, oft gar nicht in unvernünftiger Weise...Der Irre nimmt sich in fanatischer Weise des Rechts an....und er leidet an einem trotzigen Mangel für das wahrhaftige Gefühl des Unrechts, welches der Querulant anderen gegenüber begeht......
        Jeder richtige Querulant ist hochgradig lästig, fast jeder mehr oder weniger gefährlich. Die Unterbringung solcher Kranker in einer Anstalt ist deshalb in den meisten Fällen nicht zu umgehen.“

    (5)    Die „Illenau“ (bei Achern) war eine seit 1842 existierende Heil- und Pflegeanstalt.

     

     

     

    C.F.W. Roller („Die Irrenanstalt in all ihren Beziehungen“, 1831) war ihr Wegbereiter und erster Leiter. Das Projekt war getragen von den Ideen des 19. Jahrhunderts.
    Konzipiert wie ein Barockschloss thronte in der Mitte das Haupt- und Verwaltungsgebäude, im rechten Flügel waren die Männer im linken die Frauen untergebracht.

    Der damalige Leiter, Prof. Heinrich Schüle, förderte Carl.
    Der reparierte die Uhren der Anstalt, bekam ab und zu Freigang (um Dokumente zu holen, oder nach Straßburg zu fahren) und konnte an seinen Plänen für seine große Uhr weiterarbeiten.

    Diese Oase bestand fast 100 Jahre lang.
    Im Winter 1940 wurden alle PatientInnen nach Schloss Grafeneck transportiert und dort ermordet (T4).

    (6)    Eine zentrale Bandfeder und fünf Federhäuser trieben Carls mechanisches Universum an. Das zentrale Kalenderrad mit der Darstellung aller Zeiten dieser Welt, das Sonnenrad (1Umdrehung/24h), das Sternenrad mit den Tierkreiszeichen (1Umdrehung/Jahr), sein geniales Osterwerk, das u.a. die beweglichen Feiertage berechnete und die große Glaskugel, die den Nachthimmel mit den Wandel- und Fixsternen im Laufe des Jahres in nie gekannter Ausführung zeigte, koppelte er mit seinen animierten Figuren.

        Ein brüllender Löwe, ein fauchender Stier, ein flügelschlagender Adler und ein trompetender Engel symbolisierten die Apostel.
        Jeder Stundenzyklus begann mit dem Säugling und endete mit dem Greis.
        Jede Stunde krähte der Hahn. Bei jedem Viertelschlag kam der Tod.

    Ohne die finanzielle Unterstützung seines Gönners Schwab, eines Uhrmachers aus Baden und ohne A. Gehrig aus Karlsruhe, der das komplexe Gehäuse herstellte, hätte Carl sein Projekt nicht realisieren können.

     

    (7)    Beschreibung der astronomischen Uhr

    „Ich lasse die Uhr selbst sprechen“.

     Stund’ Minute und Sekunde,
    Gibt mein Zeigerlauf dir kund,
    Stundenschluss und Teilung kündet,
    Treulich dir mein eh’rner Mund.

    Aus den Tagen werden Wochen,
    Wachsen Monde, Jahre an,
    Dass ihr Lauf dir lehrreich werde,
    zeig ich stets dies alles an.

    Alle Teile meines Werkes,
    Sind gebaut zu grösster Zier,
    Was des Meisters Hand vermochte,
    Opfert’ Fleiss und Liebe mir!

    Im lebendigen Bilde zeige,
    Ich dir auch der Sterne Bahn,
    Stell sie bei den Sternenbildern,
    Nur an richt’ger Stelle an.

    Dich an Gottes allmacht mahnend,
    Zeig ich dir der Sterne Lauf,
    Führ’ des Mondes gol’ne Scheibe,
    Wechselnd, kreisend, ab und auf.

    Ihn sogar zur Sichel formend,
    Immer wechselnd gross und klein,
    Sonn- und Mondes- Finsternisse,
    Alles stell ich richtig ein.

    Lass die Bilder der Planeten,
    Kreisend ihre Bahnen geh’n,
    Magst am Kleinen hier du lernen,
    Deines Gottes Allmacht seh’n.

    Den Kalender mit den Festen,
    Stellt mein Werk für jedes Jahr,
    Osterfest und alles andere,
    Selbst für hunderte von Jahr!

    Gold’ne Zahl und die Epakten,
    Geb für jedes Jahr ich an,
    Sonntagsbuchstab, Sonnenzirkel,
    Römerzinszahl zeigt mein Plan.

    Alles dieses rech’n ich selber,
    Dir zulieb im Werke aus,
    Wie des Meisters Hand mich lehrte,
    Jeden Fehler schliess ich aus.

    Ob gewöhnlich’s oder Schaltjahr,
    zeig ich gleichfalls immer an,
    Jahreszeit und Tierkreisstellung
    Künde ich in Bilder an.

    Jahreszahl und Jahrsregente,
    Fehlen meiner Kunde nie,
    Und in Bildern zeig’ noch vieles
    Ich dir gerne spät und früh.

    Einen Engel mit Posaune,
    siehst du ganz rechts oben stehn,
    Kannst ihn auch beim Stundenschlag
    Die Posaune blasen sehn.

    Auch ein Kapuziner läutet
    Dreimal „Ave“ jeden Tag,
    Und mittags vor 12 Uhr „warnend“
    Kräht mein Hahn mit Flügelschlag.

    Dreimal lässt den Ruf er hören,
    Tönt sein schrilles „Kikeriki“,
    Dann wieder beim Erscheinen Petri
    „Zweimal“-er vergisst es nie!

    In der mittleren Säulennische,
    stell das Bild des „Herrn“ ich ein,
    Auf des Himmels Wolken kommend,
    Wird der „Herr“ einst Richter sein.

    Wird der Wunden Male zeigen,
    Hält entrollt des Lebens Buch,
    Das zum ew’gen Heil dem Guten,
    Und dem Bösen wird zum Fluch!

    Mag auch dir dann wahres „Alpha“
    Und „Omega“ er nur sein,
    Dass auch du dich seiner Gnade
    Der Erlösung magst erfreun!

    Mittags kannst du nach dem Schlage,
    Der Apostel Bilder seh’n,
    Ehrfurchtsvoll das Haupt verneigend
    Am Bild des „Herrn“ vorübergehn.

    Oben, unter Daches Mitte,
    Zeigt ein Bild die Jahreszeit,
    Der Evangelisten Bilder
    Stell dir ein Relief bereit.

    Sankt Matthäus wird im Bilde,
    Stets ein Engel beigesellt,
    Und ein Löwe ist mit Flügeln,
    Zu Sankt Markus Bild gestellt.

    Die Menschwerdung Christi lesen,
    Wir in Sankt Matthäi Schrift,
    dass den „Herrn“ als reinsten Menschen,
    Keines Makels Vorwurf trifft.
    Als Symbol des Königtumes,
    Gilt der Löwe nah und fern,
    Und als ewigen König schildert
    Uns Sankt Markus „Gott den Herrn“.

    Einen Stier mit Flügeln hat man,
    bei Sankt Lukas aufgestellt,
    Und zu Sankt Johannes Bild ist,
    Eines Adlers Bild gesellt.

    Als ein Sinnbild grössten Opfers,
    Galt der Stier im alten Bund,
    Grössten Opfers ewigen Priester,
    nennt den Herrn Sankt Lukas Mund.

    Schärfsten Blick bei höchstem Fluge,
    Gab der Schöpfer nur dem Aar,
    Darum gibt man Sankt Johannen,
    Ihn als Symbol immerdar.

    Wie des Adlers scharfes Auge,
    Bei der Schwingen höchstem Flug,
    Zeigen auch Johanni Schriften,
    Dass der Geist ihn höher trug.

    Reinsten Menschen, Opfer, König,
    Nennen Andre ihren „Herrn“,
    Sankt Johannes nennt in Ehrfurcht,
    „Gott“ ihn, aller Geister Herrn.

    Zeigt mein Bild im Frühling oben
    Tönt mittags des Kuckucks Ruf,
    Sommers preist der Schlag der Wachtel,
    Ihn, der einst das All erschuf.

    Zeigt mein Bild den Herbst im Plane,
    Flügelschwingend brüllt der Stier,
    Zähnefletschend brüllt der Löwe,
    Zeigt das Bild den Winter dir.

    Ein Engel kommt zur Viertelstunde,
    Mit dem Palmenzweige,
    Beim Viertelschlag der Sensenmann,
    Um schnell die Zeit zu zeigen.

    Mit dem Helm das Haupt bedecket,
    Einer Waage, Schwert und Schild,
    Mit dem Schwert die Viertel schlagend
    Zeig’ ich dir ein Engelbild.

    Jedesmal zur Viertelglocke
    Kommt ein Menschenalterbild,
    Eine Sanduhr stellt ein Engel,
    Wenn der Stunde Lauf erfüllt.
    Sinn und Deutung all’ der Bilder
    Zeigt die heilige Schrift dir an.
    Nur lebendiger Gottesglaube
    Steht dem wahren Christen an.

    Weitere Deutung meiner Bilder
    Überlass ich jedem gern!
    Mag mein Anblick dich erfreuen
    Und erbauen nah und fern.

        C.J. Späth, 1888


    Bildnachweis:

    Wikimedia Commons:
    - Karl Julius Späth, Rastatter Heimatmuseum, Fotografie: Martin Dürrschnabel
    - Astronomische Uhr, Stadtmuseum Rastatt
    - Illenau Gesamtansicht Nach einer Lithografie von J. Vollweider und C. Kiefer      Lithografische Anstalt L. Geissendörfer Carlsruhe - Reproduktion von Florian Hofmeister.


        Literatur:

        Gottfried Zurbrügg, Eine Uhr für die Ewigkeit, Casimir Katz Verlag, 2006
        Ein wunderbares Buch über Meister Späth

    Dr. J.L.A. Koch, Kurzgefaßter Leitfaden der Psychiatrie , Ravensburg, Verlag der Dorn’schen Buchhandlung, 1889.

  • Emma Herwegh

    Emma Herwegh

     

    EHgeb. 10. Mai 1817 in Berlin, † 24. März 1904 in Paris

    war Literatin, Revolutionärin im badischen Bürgerkrieg 1848/49 und Frauenrechtlerin.

     

    Emma war die aufmüpfige Tochter des wohlhabenden Kaufmanns und Hoflieferanten J.G. Siegmund und dessen Frau Henriette.

    Wie alle jungen Frauen des Bildungsbürgertums spielte sie Klavier, liebte Liszt und malte.

    Aber sie sprach auch mehrere Sprachen und konnte sehr gut schwimmen, reiten und schießen.

    Sie liebte es, sich über die im Biedermeier bestehende Geschlechterrolle hinwegzusetzen.

     

     

     

    "Dem Manne gleichgestellt will ich nicht werden, ich bin es.

    Warum soll ich weniger sein als ein Mann?"

     

    Mit 24 Jahren war Emma noch nicht verheiratet, aber sie war verliebt, in  Georg Herwegh, der die „Gedichte eines Lebendigen“ verfasst hatte.

    Leider hatte sie ihn noch nie gesehen. Aber sie setzte alles daran ihn kennenzulernen.

    Im Winter 1842 war es soweit. Georg besuchte die Familie Siegmund.

    Eine Woche später verlobten sie sich, drei Monate später heirateten sie in Baden in der Schweiz. (1)

     

     In Paris fanden die beiden ihre neue Heimat.

    Jenny und Karl Marx wohnten um die Ecke.

     

    Im Februar 1848 revoltierten die Einwohner von Paris. Der König dankte ab. Metternich musste zurücktreten und die Berliner Barrikaden siegten für kurze Zeit über das preußische Militär.

    Im April 1848 versuchte Friedrich Hecker die Konstanzer Bürger für die Revolution zu begeistern. Zu wenige folgtem ihm.

    Hessische, württembergische und bayrische Truppen, fast 30.000 Mann wurden von den Herrschenden gegen die „demokratischen Agitatoren“ aufgeboten.

    Georg Herwegh wurde von den vielen deutschen Emigranten in Paris zum Präsidenten der Deutschen Demokratischen Liga gewählt.

    Ein bunter Haufen war dann die Revolutionsarmee, die mit Emma und Georg Herwegh zur Unterstützung Heckers nach Straßburg zog.

    Die tapfere Emma durchquerte mehrmals die feindlichen Linien und traf sich mit Hecker. (2)

    Emma lebt in Paris und Zürich.

    1855 plant Emma die Flucht von Felice Orsini aus dem Gefängnis in Mantua.

    Georg Herwegh ist derweil verliebt. Aber nicht in Emma, sondern in die Frau seines Freundes Alexander Herzens.

    Sie versuchen eine Ehe zu viert, aber nach heftigen Streitereien trennt man sich.

    Emma zieht nach Genua.

    Nach drei Jahren Trennung leben die beiden wieder gemeinsam in Zürich.

    Durch die Amnestiegesetze 1866 wird die Rückkehr nach Deutschland wieder möglich.

    Emma lässt sich mit ihrer Familie in Baden-Baden nieder und muss im Laufe der Zeit in immer kleinere Wohnungen umziehen.

    Nach dem Tod ihres Mannes 1875 zieht Emma über Stuttgart wieder nach Paris und lernt dort den Dichter und Verleger Frank Wiedekind kennen.

    Emma Herwegh stirbt mit 86 Jahren, wie Georg an einer Lungenentzündung.

    In „freier Erde“ wird sie in Liestal in der Schweiz an der Seite ihres Mannes beerdigt. Auf der von ihr entworfenen Grabplatte steht:

     

    Von den Mächtigen verfolgt,

    von den Knechten gehasst,

    Von den Meisten verkannt,

    Von den Seinen geliebt.“

     

    Nur eine kleine Plakette erinnert heute in Baden-Baden (Sophienstraße) noch an Emma Herwegh.

     

     

     Emma Herwegh Gedenktafel

     

    Willi Andreas Weishaupt 2015

    © Baden-GEO-Touren

     

    (1) Georg Herwegh wurde wegen Majestätsbeleidigung des Landes verwiesen.

    Im Vorfeld einer Audienz beim preußischen König Friedrich Wilhelm IV. wurde ein Brief Herweghs, in dem er die politischen Verhältnisse anprangerte, publik.

    In Basel-Land bekam er die Bürgerrechte, nur dort konnte er heiraten.

    (2) Doch Hecker zögerte. Am 20. April 1848 trafen die Gegner (Hecker und von Gagern) auf der Scheideck bei Kandern (Wiesental bei Lörrach) aufeinander. General v. Gagern fällt, doch die Schlacht ist für die Aufständischen verloren. Hecker flieht in die Schweiz.

    Freiburg wird von den Bundestruppen eingenommen.

    Die Herweghsche Revolutionsarmee, die inzwischen den Rhein überquert hatte, wurde von den Württembergern in die Flucht geschlagen. Die Herweghs flüchteten in die Schweiz.

     

    Bildnachweis:

    • Wikipedia Commons
    • Baden-GEO-Touren

     

    Literatur:

    • Wolfgang Dreßen, 1848-1849: Bürgerkrieg in Baden, Chronik einer verlorenen Revolution, Klaus Wagenbach Berlin, 1975
    • Ursula Dörge, Emma Herwegh, Dichtergattin und Revolutionärin, aus
    • Zwischen Suppenküche und Allee, Frauengeschichten aus Baden-Baden, Gleichstellungsstelle der Stadt Baden-Baden, 2012

    Die Deutsche...

     

  • Karl Friedrich Ludwig Christian Freiherr Drais von Sauerbronn

    Karl Friedrich Ludwig Christian Freiherr Drais von Sauerbronn

    KarlDrais

    geb. 29. April 1785 in Karlsruhe, † 10. Dezember 1851 ebenda

     war Baron, Forstmeister, Erfinder des Fahrrads und für viele in seiner adligen Verwandschaft ein schwarzes Schaf, aber für viele andere war er ein berühmter Mann, der von Großherzogin Stephanie, dem preußischen König, dem russischen Zaren und zahlreichen Fachleuten im In- und Ausland sehr geschätzt wurde. (0)

     

     Als Karl getauft wurde, war der regierende Markgraf (1) als Taufpate anwesend. Fast zwei Dutzend weitere badische Adelige, Prinzen und Prinzessinnen gaben sich die Ehre.

    Karl beeindruckte dies vermutlich wenig, aber sicherlich erfreute die große Equipage seinen stolzen Vater Carl und seine glückliche Mutter Margarethe Ernestine von Kaltenthal.

     

    Vater Carl kam aus altem Hochadel, Besitzloser Landadel war der Status bei Drais' Geburt. Im 17. Jahrhundert war die Schauenburg (bei Basel) ihr Wohnsitz. Im 18. Jahrhundert gingen viele Adlige ohne Grundbesitz in den Staatsdienst, so auch einige von Sauerbronns.

    Carl war ein einflussreicher und vielbeschäftigter Mann in den markgräflichen Verwaltungsgremien in Karlsruhe (damals etwa 4.500 Einwohner).
    Er war Polizeidirektor, bald geheimer Rat, badischer (Ober-)Hof- und Regierungs-, Gerichts- und Kirchen-Rat.

    Vater Carl

    Zuhause war er „ungnädig“, aufbrausend und jähzornig. Er kontrollierte alles und jeden, auch sich selbst.

    Als die Ärzte ihm „epileptisches Irresein“ diagnostizierten, war Karl fünf Jahre alt.

    Karl hatte drei jüngere Schwestern, als die Familie auf Wunsch des Markgrafen nach Kirchberg (Grafschaft Sponheim im Hunsrück) zog.

    Hier lernte Karl fechten und dichten, mit seinem Vater alsLehrmeister.

    Karl träumte vom „Schinderhannes“ und erdachte vielleicht hier seine ersten „Konstruktionen“.

    Bald war diese Idylle vorbei. In den Wirren der Französischen Revolution verlor Baden die linksrheinischen Gebiete und im Hundsrück wehte ein anderer Wind.

    Karls Vater hatte inzwischen seine Krankheit überwunden, durch „Disziplin und Diät“, und natürlich hatte er ein Buch darüber geschrieben.

    Die Familie zog nach Durlach.

    1797 leitete Carl für den Markgrafen u.a. die Polizeimaßnahmen während des Rastatter Friedenskongresses. Erst 1799 kehrte er zu seiner Familie zurück.

    Für Karl war das kein gutes Jahr.
    Zuerst starb sein neugeborener Bruder, dann seine geliebte Tante Christine. Seine Mutter, seit langem krank, wurde immer schwächer.  

    Der Vater, der den Anblick seiner sterbenden Frau nicht ertragen konnte, schickte Karl an das Sterbebett. Im Morgengrauen musste Karl seinem Vater den Tod Margarethes mitteilen.

    Karls schulische Leistungen wurden schlechter. Sein Vater wütender. Also kam Karl zu seinem Onkel Friedrich. (2)

    Der hatte die erste Forstschule in Baden gegründet und zog bald von Eberstein bei Gaggenau, nach Pforzheim.

    Drei Jahre blieb Karl bei seinem Onkel, danach ging er nach Heidelberg und studierte Physik und Baukunst.

    Sein Vater Carl schrieb Briefe. An den Markgrafen, die Heidelberger Professoren.

    Und so wurde Karl mit 19 Jahren Jagd- und zwei Jahre später Hofjunker im Oberforstamt Rastatt mit einem Jahresgehalt von anfangs 240 Gulden. Ein einfacher Lehrer verdiente 50 Gulden im Jahr.

    Die nächsten Jahre wanderte Karl von Forstamt zu Forstamt (Schwetzingen, Freiburg, Offenburg und Schuttern). Er fühlte sich von seinen Vorgesetzten ausgenutzt, das Forstamtsleben war ihm zu eintönig.

    Schließlich ließ sich Karl beurlauben, und zog sich als 25-jähriger in das Nest seines Vaters, der inzwischen Präsident des badischen Gerichtshofes in Mannheim war, zurück. Seine Bezüge behielt er.

    Karl widmete sich nun ausschließlich den Wissenschaften und dessen technischer Umsetzung.

    Bald veröffentlichte er mathematische Beiträge über die „Dyadik“ (3) und über Lösungsverfahren algebraischer Gleichungen.

    1813 präsentierte Karl die „Fahrmaschine ohne Pferd“, einen vierrädrigen Wagen, dessen Hinterräder durch eine Kurbelwelle, die direkt mit den Füßen getreten wurde, angetrieben wurden. Gelenkt wurde mit zwei Holmen, die abgeklappt als Deichsel für ein Zugpferd verwendet werden konnten.

     

    Fahrmaschinen.jpg 500
     
     

    Karl bat den neuen Markgrafen (4) um Patenschutz.

    Der ordnete jedoch zuerst ein Gutachten von Weinbrenner und Tulla an.

    Unterdessen hatte Karl Gelegenheit, Zar Alexander seine Fahrmaschine in Karlsruhe vorzustellen. „C’est bien ingenieux“ soll der Zar gesagt haben.

    Doch die beiden deutschen Experten, Tulla und Weinbrenner waren mit der Expertise überfordert. Tulla schätzte die Rollwiderstand falsch ein und Weinbrenner war ein guter Architekt, aber kein Physiker.

    Beide meinten, der Mensch solle doch lieber " seine eigenen zwei Beine benutzen".

    Damit bekam Karl für seine Fahrmaschine keine markgräfliche Unterstützung, ja es wurde ihm verboten, offiziell, z.B. in Forstamts-Uniform seine Fahrmaschine vorzuführen.

    Beamte durften damals keinen Nebenerwerb ausüben.

    Karl erfand die Fahrmaschine.

     

    Zwei hintereinander liegende Räder waren miteinander verbunden, das vordere Rad war lenkbar und stabilisierte sich durch einen veränderbaren Nachlauf. Rahmen, Räder und Lenksystem bestanden aus Eschen- oder Kirsch-Holz, die Achslager aus Bronze. Das Rad wog ca. 22 kg, also wenig mehr als ein heutiges Fahrrad. Das Hinterrad hatte eine Schleifbremse, die durch einen Seilzug betätigt wurde. Drais entwickelte für seine Fahrmaschine einen höhenverstellbaren Sattel, einen „Standfuß“ (am Vorderrad), einen Gepäckträger und Satteltaschen.

     


     

    Man saß auf dem Rad und stieß sich mit den Füßen ab. Da das Körpergewicht auf dem Rahmen lastete, konnte man sich verblüffend schnell fortbewegen.

    Diese Laufmaschine, wie er sie nannte, war das erste Zweirad der Geschichte und das effizienteste Fortbewegungsgerät, das der Mensch je erschuf.

    Am 12. Juni 1817 begann das Zeitalter des Fahrrads.

    Karl fuhr mit seinem Zweirad in einer Stunde von Mannheim zur Relaisstation Schwetzingen (genau genommen ist das die halbe Strecke zwischen Mannheim und Schwetzingen, gefahren auf der besten Straße, Strecke: ca. 14 km) und wieder zurück.

    Einige Wochen später startete er in Gernsbach und hatte einen spektakulären Zieleinlauf in Baden-Baden. (5)

    Karl Drais erfand das heutige Fahrrad, ohne eigenen mechanischen Antrieb.

    Warum hat er seinen Beinen vertraut und keinen mechanischen Antrieb der Laufmaschine in Erwägung gezogen?

    Er hatte Antriebsvarianten in seinen vierrädrigen Fahrzeugen ja schon eingesetzt.

    Die Stabilität seiner ersten Laufmaschinen entsprach nicht der eines heutigen Fahrrads.

    Carl Benz, der schon als Knabe ein begeisterter Anhänger seines Nachbarn war, brauchte angeblich mehrere Wochen, um das Laufrad zu beherrschen.

    Laut Karl war auch ein Kind seiner Zeit. Er traute sich nicht, "den Bodenkontakt" zu verlieren.

    Außerdem war Karl ein begeisterter und guter Schlittschuhläufer. Er erprobte und fuhr seine Laufmaschine zuerst auf den zugefrorenen Seen und Flüssen seiner Heimat. Er stellte sie auf Kufen und mit seinen Schlittschuhen stieß er sich ab, beschleunigte und legte sich mit dem Zweirad in die Kurven.

    Alle bekannten Antriebe seiner Zeit setzten viel weniger Energie in Fortbewegung um. Karls kräftige Beinmuskulatur wirkte direkt. Warum sollte er nicht auf den Rat der Experten hören und „seine eigenen Beine benutzen“?

    Schneller auf dem Eis als Karl war jedenfalls keiner unterwegs.

    Anfang 1818 bekam Karl vom Markgrafen ein Patent auf 10 Jahre für seine Laufmaschine. Damit war seine Erfindung aber nur im kleinen Baden geschützt.

    Jedes Zweirad, das in Baden verkauft wurde, trug sein Familienwappen - ein Affront, meinten nicht nur die von Sauerbronns.

     

    Wappen Drais                                                                                       Drais Plakette

     

    In ganz Europa wurde sein Ur-Fahrrad mehr schlecht als recht nachgebaut.

    Karl verdiente keinen einzigen Gulden an diesen Plagiaten.

    Seine Fahrmaschine nannte man Draisine in Deutschland, Draisienne oder Velocipede in Frankreich und in England German horse oder hobby horse.

    Besonders beliebt war die Laufmaschine bei den Studenten und auf den Turnplätzen, aber auch der badische Hof begeisterte sich und kaufte auf die Person angepasste Zweiräder. In privaten Parks, auf den gepflegten Alleestraßen war damit gut fahren, und so wurde das Urfahrrad für kurze Zeit ein Spielzeug der Reichen.

    Karl wurde zum Professor der Mechanik ernannt.

    Leider ein Ehrentitel, der im keinen einzigen zusätzlichen Gulden einbrachte.

    Dann ermordete der Burschenschaftler und Theologiestudent Karl Ludwig Sand den „Landes und Volksverräter“, den Bühnenautor und Schriftsteller August von Kotzebue.
    Sand wurde 1820 mit dem Schwert hingerichtet.
    Der Oberhofrichter, der ein Gnadengesuch an den Markgrafen ablehnte, war Karls Vater.

    Metternich setzte die unsäglichen Karlsbader Beschlüsse durch.
    Karls Vater führte sie aus.
    Verbot der Pressefreiheit und der Burschenschaften, Überwachung der Universitäten und die europaweit einmalige Schließung aller Turnplätze über Jahrzehnte hinweg (von 1820 bis 1848) waren gut für die restaurativen Mächte, aber schlecht für den Verkauf weiterer Laufmaschinen des Karl Dreis.

    Laufräder auf den Bürgersteigen zu benutzen, wurde wg. potenzieller Unfallgefahr bald verboten. Später wurden als Zubehör Hundeabschreckpeitschen mit angeboten.

    Karl erlebte die Ablehnung, die eigentlich seinem Vater galt. Er wurde von Freunden Sands beleidigt und verleumdet. Sein Vater wollte ihn von der Bühne bringen.

    Auch der ewige Kleinkrieg mit den peniblen Finanzbeamten (die Forstverwaltung wollte Karls Pension nicht mehr bezahlen) zerrte wohl an seinen Nerven.

    Karl verlässt Europa.

    Als Vermessungstechniker reist er mit Georg von Langsdorff
    (und neunzig Kolonisten) nach Brasilien.

    Nach fünf Jahren kehrt er doch wieder nach Mannheim zu seinem Vater zurück und bringt eine „Schnellschreibmaschine“ mit.

    Dann bricht seine Welt zusammen. Sein gehasster und geliebter Vater stirbt.


    Nun ist alles Vergangenheit, nur seine Laufmaschine nicht.

    Die lebt weiter, in Frankreich und in Deutschland. 1833 erschien in Karlsruhe die Werbeanzeige eines Spielwarenhändlers. "Es sind wieder Kinderdraisinen in mehreren Größen eingetroffen."

    Geld hat er dafür nicht bekommen, aber Ruhm sicherlich.


    Karl entwickelt einen effizienten, wärmespeichernden Ofen, der bis 1950 Verwendung fand.

    Seine Schwestern verkaufen das Mannheimer Haus. Sie ziehen nach Freiburg.

    Karl ist allein.

    Seinem Stand wird er ein Ärgernis, den Behörden eine Last und der Familie eine nagende Qual.

    Sehr oft besuchte Karl mit seinem Zweirad, immer in seiner Kammerherr- oder Forstmanns-Uniform, die umliegenden Wirtshäusern.

    1835 wurde er bei einer von seinen Gegnern inszenierten Wirtshausschlägerei schwer misshandelt. Verbeamtete Biedermänner forderten sogleich weitere Maßnahmen gegen diesen „aufrührerischen Wirrkopf.“

    Sein Kammerherrenschlüssel wird ihm entzogen, jedoch ist der Hof für ihn schon lange nicht mehr erreichbar.

    1837 startet Karl Gutzkow, ein Sand-Anhänger, eine weitere Rufmordkampagne gegen Karl. Er soll versucht haben, eine Leiche „wiederzubeleben“. Seine Gegendarstellungen in der Zeitung verpuffen.
    Karl ist gesellschaftlich ruiniert.

    Er wird aufgefordert Mannheim zu verlassen.

    Nach Waldkatzenbach (bei Waldbrunn) muss er ziehen, ist bei der dortigen Bevölkerung beliebt, da er dort die Erntemaschinen und die Webstühle repariert und verbessert. Er sei „im Dorfe wohlgelitten, er habe nur immer so viel Durst gehabt“, so eine Legende der Dorfbewohner.

    Hier hatte er auch die Idee seine Laufmaschine und später seine vierrädrige Fahrmaschine auf Eisenbahnschienen zu stellen.

    Karl testete seine Prototypen in den westlich des alten Karlsruher Bahnhofs gelegenen Gleise und stellte sein Testfahrzeug in der Gaststätte "Stadt Rastatt" unter.

     

    Bald darauf produzierte eine Firma in Karlsruhe Karls auf Schienen gesetzte Fahrmaschine. Diese praktischen Gefährte wurden als Draisinen weltberühmt.

    Karl Drais kehrt über Mannheim nach Karlsruhe zurück.

    Viele Menschen mögen ihn, er ist ein geistreicher und eloquenter Gesprächspartner und ein gutmütiger Mensch.

    1844 machen sich die Karlsruher Narren beim Fastnachtsumzug über die Laufmaschine lustig.

    In seinen „Gedankenspänen“ schlägt er vor, dass „das meiste des vielen Geldes, welches die reichen Leute gleichsam hinauswerfen, nur um zu zeigen, dass sie vieles Geld hinausgeworfen haben,...,lieber zum allgemeinen Besten in die Staatskasse fließe“. Für dieses gespendete „Verschwendungsgeld“ sollten die Reichen einen Orden verliehen bekommen. Die Größe des Ordens war abhängig vom gespendeten Betrag.

    Eine revolutionäre Idee, finden Sie nicht?

    Während der 48’er Jahre gibt es ein Bild von Karl in Bürgerwehruniform.

    Doch obwohl er danach seinen Adelstitel wieder führte, den er 3 Monate zuvor, wie in einer Zeitungsannonce angekündigt, abgelegt hatte, entging er nicht der Verfolgung.

    Im Mai 1849 wurde er "aufs Übelste mißhandelt", weil er nicht auf das Wohl von Großherzog Leopold anstoßen wollte.

    Man zog seine Pension ein und wollte ihn für unmündig erklären. Letzteres verhinderten seine Schwestern.

    Karl wurde krank und wollte die Bäder von Baden-Baden nutzen. Man griff ihn auf und schob ihn nach Karlsruhe ab.

    Bei Kostgeberleuten, nahe am Wirtshaus kam er unter.

    In einer kalten Winternacht starb Karl im Alter von 66 Jahren in Karlsruhe.

    Auf dem alten Friedhof nahe der Kapelle wurde er beerdigt.

    Mit einer gewissen Zielstrebigkeit hatte sich Karl zwischen alle Stühle gesetzt
    und erhielt deshalb nie die entsprechende Würdigung für seine Erfindung des Fahrrads.


    Er war Erfinder, aber kein Unternehmer.

    Er war Bürger, aber kein Baron.

    Er war Demokrat, aber profitierte von seinen adligen Vorrechten.

    Er war  ein genialer Geist.


    „ Bei dieser Gelegenheit grüße ich meine Freunde herzlich, und reiche Jedermann freundlich die Hand, der unparteiisch sich bestrebt, die Wahrheit zu untersuchen und das Gute zu befördern.“
    Karl Drais, Mannheim, 1817

    © Willi Andreas Weishaupt

     

    (1)  Karl Friedrich von Baden

    Der damalige Markgraf Karl Friedrich (1728-1811) gilt heute als Musterbeispiel eines aufgeklärten, absolutistischen Herrschers. Er hatte mehr als zehn Kinder und regierte seine Markgrafschaft Baden 73 Jahre lang.

    Karl Friedrich schaffte die Leibeigenschaft (1783) ab und beförderte seine Markgrafschaft ins industrielle Zeitalter. Er ließ in Karlsruhe die erste technische Hochschule Deutschlands entstehen und in Pforzheim ein Zentrum der Schmuckindustrie gründen.

    (2)  Friedrich Heinrich Georg von Drais

    Friedrich Heinrich Georg von Drais war Gründer des Forststudiums  in Baden, zuerst in Gernsbach, später in Pforzheim. Er forstete den Schwarzwald wieder auf, der durch den intensiven Holzeinschlag verursacht durch die Glashütten, die Köhlereien und durch den aufkommenden Scheit-Holz-Handel in seinem Kernbestand bedroht war. Friedrich versuchte neue, bisher nicht heimische Bäume anzusiedeln, dies gelang ihm mit der Lärche.

     (3)   Dyadik

    Dyadik, (dyo, griech. zwei) ein Begriff, den Leibnitz zur Darstellung von (Binär-) Zahlen einführte, heute als Dualsystem bekannt.

    1854 legte George Boole mit seiner Algebra die Grundlagen für duale Rechenoperationen, aber alle Versuche eine binäre „mechanische“ Rechenmaschine zu bauen, scheiterten.
    Erst K. Zuse gelang dies mit seinem elektromechanischen Rechner 1937.

    (4)   Karl Ludwig Friedrich von Baden
           geb. 8.Juni 1786 in Karlsruhe, † 8.Dezember 1818 in Rastatt
           Markgraf ab 1811.

    (5)  Gernsbach nach Baden-Baden

    Karl kannte diese Strecke aus seiner Forstamtszeit gut. Der Weg (etwa 10 km) ging von Gernsbach hinauf Richtung Staufenberg und dann hinunter ins Rotenbachtal bis in die Altstadt von Baden-Baden. Es muss ein Abenteuer gewesen sein, bei Steigungen von bis zu 10 % das ca. 22 kg schwere Laufrad hinaufzuschieben, und nur durch eine mechanische Schleifbremse verzögert, das Rotenbachtal hinab zu rasen.

    Bildnachweis:
    Karl Friedrich Drais von Sauerbronn im Alter von etwa 30 Jahren, Nach einem Portrait, Stadtarchiv Karlsruhe

    Karl Wilhelm Friedrich Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn, Ölgemälde, Künstler unbekannt, Oberlandesgericht Karlsruhe
    Draisinenproduktlinie, angefertigt für den Fürst von Fürstenberg, Donaueschingen

    Laufrad, das Drais bei seiner Brasilienreise vielleicht mit sich führte, Stadtarchiv Karlsruhe

    Wappen der Familie Drais von Sauerbronn, Stadtarchiv Karlsruhe


    Literatur:
    Hermann Ebeling, Der Freiherr von Drais, G.Braun GmbH, Karlsruhe, 1985
    Hans-Eberhard Lessing, Setze alle Welt auf Räder, Baden-Württemberg 1/85

    Spektrum der Wissenschaft, Ausgabe: 4.17

    S. 62, Lessing, Karl Drais-Das vergessene Genie

    S. 68, Kosche, Sozialgeschichte des Fahrrads

    S. 74, Schlichting, Konkurrenzlos Sparsam

    Stadtgeschichte Karlsruhe, Karl Friedrich DRAIS von Sauerbronn 1785-1851 Ein badischer Erfinder, Ausstellung zu seinem 200. Geburtstag, Karlsruhe 1985

    Mit Beiträgen von:

    Heinz Schmitt, Hermann Ebeling, Hans-Erhard Lessing, Peter Pretsch

    Beschreibung der v. Drais'schen Fahr-Maschine, heausgegeben von J.C.S. Bauer, Nürnberg, 1817, in der Steinschen Buchhandlung

    Links

    https://www.danke-karl-drais.de/

     

    Museen:

    Deutsches Museum, München
    Städtisches Museum, Karlsruhe
     

     

  • Adolphine Herpp

    Adolphine Herpp

     

    Adolphine Herpp 400geb. am 24. April 1845 in Rastatt, † 8. Januar 1923 in Baden-Baden

    war eine Künstlerin des 19. Jahrhunderts.

     

     Adolphine’s Mutter Sophia Franziska Zwiebelhofer war in erster Ehe mit Friedrich Dell verheiratet. Der starb 1827.

    Acht Jahre später heiratete sie Bernhard Joseph Valentin Herpp, einen Kreisregierungsrevisor * aus Gengenbach.
    Drei Kinder hatte sie aus ihrer ersten Ehe, vier mit Bernhard Herpp und die jüngste Tochter aus dieser zweiten Ehe war Adolphine.

    Die Familie Herpp war wohlhabend.

    Nur aus diesem Grund ließ sich Adolphines Traum Künstlerin zu werden, erfüllen.

     

    Marktplatz 400

    A. Herpp, Ansicht des hinteren Marktplatzes in Baden-Baden, 1863


    Bis Ende des 19. Jahrhunderts konnten Frauen keine anerkannte künstlerische Ausbildung erlangen, der Zugang zu den Akademien blieb ihnen verwehrt.
    Die „Dilettantinnen“, wie sie damals genannt wurden, waren auf privaten Unterricht angewiesen.

    Bei J.W. Schirmer, Gründungsdirektor der badischen Kunstschule in Karlsruhe, erhält sie ab 1862 Unterricht in Landschafts- und Ölmalerei.

     

     JulieKnoderer1885

    Julie Knoderer, A.Herpp blättert in der Skizzenmappe von J.Knoderer, 1885

     

    Als dieser Ende 1863 starb, wurde sie vier Jahre lang von Karl Roux, ein Schüler Schirmers unterrichtet.
    Als Karl Roux nach München ging, folgte ihm Adolphine Herpp ein Jahr später nach.

    In München wurde zu dieser Zeit eine „weibliche Kunstschule“ mit finanzieller Unterstützung von Ludwig II. gegründet.

    Frauen konnten nur das Lehrfach „Zeichenunterricht“ belegen. Es ist anzunehmen, dass Adolphine Herpp in der Kunstschule eingeschrieben war, da sie die Aktklasse von Wilhelm von Lindenschmit besuchte, in damaliger Zeit für Frauen eigentlich ein Tabu.
    Eine Zeitgenossin Adolphines schrieb über diese Zeit (1872) in ihren Memoiren: „Wir Frauen durften nicht Akt zeichnen. Es war ausdrücklich verboten. Als wir es wenigstens für den weiblichen Akt durchsetzten,...(wurden wir gebeten)......, strengstes Geheimnis zu wahren.“

    Adolphine Herpp war zu dieser Zeit sicherlich auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als Malerin. Ab 1866 stellt sie regelmäßig im Kunstverein Baden-Baden** ihre Bilder aus.

     

    Selbstbilnis Adolphie Herpp 300

    Selbstbildnis, um 1870

     

     Einige Jahre später hingen ihre Bilder neben den Gemälden ihrer Lehrmeister in den Ausstellungen.

     

     Blick auf den Marktplatz und die Stiftskirche 500

    A. Herpp, Blick auf den Marktplatz und die Stiftskirche in Baden-Baden

     

    Aber sie ließen sich nicht gut verkaufen.

    Adolphine bat Friedrich I. von Baden um ein Stipendium.

     

    HerppFamilie

     August Bootz, Kinderbildnis der Familie Herpp, Detail Rosa Herpp, 1842

     

    Nach ihrem erfolgreichen Examensabschluss zog sie von München nach Baden-Baden.

    Um 1870 wird sie Zeichen- (Neben-) Lehrerin an der höheren Töchterschule.
    Nach sechs Jahren wird ihr ohne Angaben von Gründen gekündigt. Ihre Stelle erhält ein Mann, ein Hauptlehrer.

    Adolphine Herpp zieht sich mehr und mehr aus dem gesellschaftlichen Leben zurück.

    Mit vierundsiebzig schreibt sie ihr erstes Testament und will ihr gesamtes künstlerisches Erbe ihrem Geburtsort Rastatt vermachen. Doch die Stadt lehnt ab. Adolphine bietet es Baden-Baden, Gernsbach und anderen Städten an, alle lehnen ab. Letztendlich vermacht sie ihr Vermächtnis dem „Ersten Deutschen Reichswaisenhaus in Lahr“ (im Breisgau).

    An einem kalten Januarmorgen des Jahres 1923 starb Adolphine Herpp.
    Nach ihrem testamentarischen Wunsch gab es keine Todesanzeige und keinen Nekroleg.

    Wäre Adolphine ein Adolph, würde diese Vita wahrscheinlich von einem großen, berühmten Künstler erzählen.
    Aber da Adolphine kein Adolph war, endet diese Vita mit der Laudatio auf eine große Künstlerin, die in Vergessenheit geriet.

     

    A. Herpp Gedenktafel

     

    * Zehn Kreisregierungen ersetzten 1809 die drei Provinzen in Baden.


    Die Kreisregierungen waren für alle zur Staatsverwaltung gehörigen Sachgebiete verantwortlich: Aufsicht über die Ämter (Bezirksämter), Aufsicht über den größten Teil der Lokal- und Bezirksstiftungen, Indigenatserteilung (Heimatrecht), Gewerbekonzessionen, Dienst- und Strafpolizei und andere.


    Die Kreisregierungen wurden 1810 auf neun, 1819 auf sechs und schließlich 1932 auf vier reduziert. Die vier Kreisregierungen waren von 1832 bis zu ihrer Abschaffung 1864: Seekreis (Konstanz), Oberrheinkreis (Freiburg im Breisgau), Mittelrheinkreis (Rastatt, ab 1847 Karlsruhe) und Unterrheinkreis (Mannheim).


    Ab 1864 wurden die Kreisregierungen durch die Landeskommissärbezirke ersetzt. Quelle: Wikipedia 14012015


    ** Der Kunstverein Baden-Baden entstand, weil Friedrich I. von Baden „den Wunsch hegte, es möchte sich in Baden-Baden ein Kunstverein bilden.“ Der Großherzog ließ zu „diesem schönen Zwecke (ein) entsprechendes Gebäude herstellen.“

     


    Literatur:
    Adolphine Herpp - zur Ausstellung in den Stadtmuseen Rastatt und Baden-Baden, Stadt Rastatt 1996
    Philippine Wolff-Arndt, Wir Frauen von einst, München 1929

    Bildnachweis:
    Stadtmuseum Rastatt
    Stadtmuseum Baden-Baden

     

    Willi Andreas Weishaupt
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  • Heinrich Hertz

    Heinrich Hertz


     
    Heinrich Hertz 240Geb. 22. Februar 1857 in Hamburg, † 1. Januar 1894 in Bonn

    war ein bedeutender Physiker. Er entwickelte Maxwells Theorien weiter und hat den ersten Sender elektromagnetischer Wellen theoretisch begründet, entwickelt und angewandt. Auch hat er die von James Clark Maxwell vorhergesagten elektromagnetischen Eigenschaften des Lichtes nachgewiesen.

     

     

     

     

     

  • Kaiser Caracalla

    Kaiser Caracalla

     

     Caracalla_II_Fr.Bad.jpg
    Caracalla, Friedrichsbad
    Marcus Aurelius Antonius Bassianus
    geb. am 4. April 188 zu Lyon, † 8. April 217 zu Edessa
    war ein römischer Kaiser.
     

    Caracalla nannten ihn viele Römer, weil er in Rom ein neues Kleidungsstück einführte und den Massen schenkte, die Caracálla (ein vorn und hinten hoch geschlitzter Rock mit langen Ärmeln, evtl. mit Kapuze) der in Gallien getragen wurde, ein keltischer Kapuzenmantel. Seine Excellenz höchstpersöhnlich modifizierte dieses bewährte Kleidungsstück (im wesentlichen kürzte er den Rock).

    Lucius Septimius Bassianus war der älteste Sohn des römischen Kaisers Septimius Severus und dessen syrischer Frau Julia Domnia.

    Weil er drei Namen hatte, wurden ihm auch drei Eigenschaften seiner Familie zugeordnet: Von den Galliern soll er Leichtsinn, Feigheit und Tollkühnheit, von den Syrern Verschlagenheit und von den Afrikanern Härte und Grausamkeit geerbt haben, so der Historiker Cassius Dio.

     

    Mit zehn Jahren erhob ihn sein Vater zum Cäsar, jetzt nannte er sich Marcus Aurelius Antonius Bassianus.

    Sein Vater starb 211 auf einem Feldzug in Britannien auf dem ihn seine beiden Söhne Caracalla und Geta begleiteten.

    Nachdem die Brüder aus England nach Rom zurückgekehrt waren, ließ  Caracalla seinen Bruder Geta in den Armen seiner Mutter ermorden.
    An die 20.000 Anhänger seines Bruders Geta ließ er umbringen.

    Caracalla war nun der gottgleiche Alleinherrscher, seine Vorbilder waren Achilles und vor allem Alexander der Große.

    Caracalla brauchte viel Geld um seinen ausschweifenden Lebensstil und um seine Soldaten zu bezahlen.
    Terror, Enteignung und Erpressung waren für ihn geeignete und beliebte Mittel, dies zu erreichen.

    Am 11. Juli 212 gab er allen freien Untertanen des römischen Reiches das Bürgerrecht. Das bedeutete, dass 30 Millionen neue BürgerAbgaben zahlen mussten. Gleichzeitig verdoppelte er die Erbschaftssteuer für alle Bürger Roms.

    Später ließ er einen Doppeldenar mit vermindertem Silbergehalt prägen.

    213 führte er in Rhätien einen Krieg gegen die Alamannen.

    214 griff er in Dacien (heutiges Rumänien, Gebiete von Bulgarien) die Daker an.

    215 zog er nach Alexandria. Hier ließ er die waffenfähige Jugend von seinen Soldaten niederhauen, weil er sich an den Alexandrinern wegen deren beißenden Spötteleien über ihn, rächen wollte.

    216 überfiel er das Land der Parther (heutiger Iran und das Zweistromland).

    Unter dem Vorwand, die Tochter des Partherkönigs heiraten zu wollen, kam ein Treffen zwischen dem König, dessen Vertrauten und Caracalla zustande.

    Er ließ sie alle niedermachen, nur der Partherkönig entkam mit einigen wenigen.

    Dann plünderte er das Land.

    217 wollte er den Zug wiederholen, aber auf dem Weg nach Edessa ergab es sich, dass er zur Verrichtung der Notdurft beiseitetrat. Dort wurde er von seinen eigenen Offizieren erschlagen.

     

    In späterer Zeit blieb Caracalla's Name vor allem durch die nach ihm benannte Therme bekannt. (1)

     

    Caracalla war 213 in Aquae (dem späteren Baden-Baden), das fortan Aquae Aurelia hieß, auf einem Feldzug gen Norden.

     

    Caracalla_Inschrift_bei_röm._Bad.jpg

    Römische Funde, Tiefgarage beim Friedrichsbad

     

    Wenn Sie heute entspannt im warmen Wasser der Caracalla Therme in Baden-Baden so vor sich hinträumen, und bei der Erinnerung an Caracalla, den Namensgeber dieser Therme,  doch eine Gänsehaut bekommen sollten, gehen Sie in die Sauna, aber seien Sie auf der Hut, vor allem, wenn ihre Verwandten in der Nähe sind.

    Hab keine Angst vor Fremden, hab lieber Angst vor deiner Familie.

     Willi Andreas Weishaupt 

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     Legende

     

    (1) Der Bäderkomplex der Caracalla-Thermen, gelegen am Aventin, dem südlichsten der Hügel Roms, wurde von Septimius Severus gebaut und von seinem Sohn Marcus Aurelius Antonius Bassianus, bekannt als Caracalla, AD 216  eingeweiht.

    Er bedeckte eine Fläche von 337x328 m.

    Der zentrale Bereich von 220x114 m. folgt den Vorstellungen der imperialen Periode:

     

    Grundriss Caracallatherme

     

    Die zentrale Achse reiht die Bäder: 1 calidarium, 2 tepidarium, 3 frigidarium und 4 natatio auf. Die anderen Räume: 5 apodyteria, 6 sphaeristeria und 7 laconica sind symmetrisch dazu angeordnet.

    Gewaltige Zisternen, gegenüber der Eingangsseite, formten ein Stadion. 

    Die Seitenfronten bildeten große Exedren (nischenartige Räume), die jeweils drei weitere Räume beinhalteten.

     

     Caracalla Therme

    Frigidarium der Thermen des Caracalla zu Rom (Rekonstruktion von Viollet-le-Duc).

     

    CaracallaThermae

     

     

    Nicht nur durch die Größe waren die Bäder spektakulär, sondern auch durch die Dekoration.

    Die Wände und die Fußböden des zentralen Beriches bestanden aus einfarbigem Marmor, Mosaikfußboden in den übrigen Räumen, Die vielen Nischen boten Raum für  hunderte von Statuen. 

    Anhand der Nischen im zentralen Bereich des Bades nimmt man an, dass dort über 100  Statuen standen.

    Viele von ihnen wurde vor dem Bau gefertigt, aber ebenso viele wurden, vor allem die Kolossalstatuen, speziell für die Caracalla-Therme in Auftrag gegeben. So der Herkules oder Asclepius.

    Herkules     Herkules Rückseite

    Herkules Neapel Museo Archeologico Nationale

     

    Der Farnesische Stier MAN

    Der farnesische Stier

     

     Caracalla Therme Mänade Palermo

     Mänade Museum Palermo

    Im 5.Jh. reihte Polemius Silvius die Bäder in die sieben Weltwunder ein, d.h. die Bäder waren zu dieser Zeit noch in Betrieb und überaus prächtig.

    573 belagerten die Goten die Stadt, kappten und zerstörten die Wasserversorgung.

    Ohne Wasser kein Bad. Die Bäder zerfielen.

    Im 12. Jh. diente das Gelände als Plantage und Weinberg, teilweise als Friedhof und später als Steindepot für Kirchen und Paläste. 

    Im 16. Jh. war der Komplex immer noch zugänglich und die meisten dekorativen Elemente in situ. 

     

    Bartoli_Ruinen_Caracallatherme_II.jpg

    Bartoli, Caracalla

     

    Der systematische Diebstahl der Monumente begann 1545 als Alessandro Farnese (Papst Paul III.) per Dekret sich selbst und seiner Familie Ausgrabungen erlaubte, und den Farneses alle Rechte an den gefundenen Kunstgegenständen verlieh.

    Literatur:
    F.A. Brockhaus Enzyklopädie, Mannheim, 1987
    Brockhaus’ Konversations-Lexikon, Jubiläums-Ausgabe, Leipzig, 1901
  • Ludwig Wilhelm von Baden

    Ludwig Wilhelm von Baden

     

    Türkenlouis 240Geb. 8. April 1655 in Paris, † 4. Januar 1707 in Rastatt

    war Markgraf von Baden-Baden, Bauherr des Rastatter Schlosses, ein erfolgreicher Feldherr und genialer Stratege, ein glückloser Politiker.

     Ludwig Wilhelm war der einzige Nachkomme einer unglücklichen Ehe zwischen Ferdinand Maximilian von Baden-Baden (1625-1669) und der französischen Prinzessin Luise Christine von Savoyen-Carignan (1627-1689), die am Hofe des Sonnenkönigs lebten. Ludwig XIV. war Ludwig Wilhelms Taufpate.

    Da Luise sich weigerte Versailles zu verlassen, zogen Vater und der 6 Monate alte Ludwig allein nach Baden-Baden.
    Als der Vater nach einem Jagdunfall unerwartet stirbt, ist Ludwig 14 Jahre alt.

    Mit 15 unternimmt er seine Kavaliersreise, die ihn von Frankreich nach Italien, Mailand, Florenz und Rom führt. Er besucht Vorlesungen, trifft Papst Klemens X., besucht die Medici’s , kehrt als 19-jähriger zurück nach Baden-Baden und tritt in die kaiserliche Armee ein.

    Schnell macht er Karriere und wird dabei von seinem Onkel Hermann unterstützt, Hofkriegsratpräsident des Heiligen Römischen Reiches und von Raimondo Montecuccoli, einem bedeutenden Militärstrategen des 17. Jahrhunderts. Nach der Einnahme der Festung Philippsburg verleiht ihm der Kaiser ein Infanterieregiment.

    Mit 22 Jahren wird er Markgraf von Baden-Baden.

    Aber er ist selten zu Hause.

    Als die Franzosen 1689 seine Markgrafschaft verwüsteten und neben Baden-Baden mit seinem Ahnenschloss auch Städte wie Ettlingen, Rastatt, Bühl und Oberkirch (u.v.a.) in Rauch aufgehen, feiert er eine siegreiche Schlacht gegen die Türken.

    Ein Jahr später heiratet Ludwig Wilhelm die Prinzessin Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg.

    Nach dem Frieden von Nimwegen wird er Major und erlebt im großen Türkenkrieg in der Schlacht von Slankamen (bei Belgrad) 1691 seinen größten militärischen Sieg. Fortan wird er als „Erretter der Christenheit“ in ganz Europa gefeiert und erhält seinen Beinamen „Türkenlouis“.

    1693 übernimmt er das Kommando im Pfälzischen Erbfolgekrieg am Oberrhein, doch ohne die militärische Unterstützung des Kaisers ist sein Ziel “Frankreich in Frankreich zu bekämpfen“ nicht realisierbar.

    „Ohne Armee, ohne Geld, ohne Proviant, ohne alle übrigen Requisiten habe ich nicht Ursache, große Hoffnungen zu hegen“, schrieb er nach Wien.

    Als sich Ludwig Wilhelm beim Kaiser in seiner üblichen offenen Art über die mangelnde Unterstützung Wiens, noch immer hat er kein Reichsheer, beschwert, unterstellt der Kaiser dem Mann, der ihm Thron und Reich rettete, geheime Konspiration mit dem Feind.

    Leopold beauftragte darüber hinaus den Prinzen Eugen mit der Überwachung Ludwig Wilhelms. Als sein Vetter Ludwig Wilhelm „von allen Verleumdungen freispricht“, war dieser zwar offiziell rehabilitiert, aber schuf sich, da er weiterhin an den „Mönchen“, wie er die Geistlichen des Wiener Hofes nannte, Kritik übte, weitere Feinde.

    Schon 1695 hat er die Befestigungen von Sinsheim und Eppingen wiederherstellen lassen und formt mit den „Eppinger Linien“ den ersten „Westwall“.
    Weitere Befestigungen reichten von Kehl bis Phillipsburg, wobei besonders die Linie Bühl-Stollhofen in die Geschichte einging. Durch ein Schleusensystem konnte das flache Land unter Wasser gesetzt werden.

    1703 sollten sich diese Vorkehrungen bewähren. Die französischen Marschälle Villars und Tallard wollten „Le prince de Bade“ überrumpeln, scheiterten jedoch an den Befestigungen und dem uneinnehmbaren Stollhofen.

    Vereint mit den holländisch-englischen Truppen unter Marlborough, schlugen Prinz Eugen und Ludwig Wilhelm die französisch-bayrischen Armeen letztendlich bei Donauwörth. Ludwig Wilhelm erlitt auf den Höhen des Schellenberges eine Verletzung, von der er sich nicht mehr erholen sollte.

    Trotz Aufforderung des neuen Kaisers Joseph I. den Rhein zu überschreiten und das Elsass zu befreien, beschränkte sich Ludwig Wilhelm auf die Verteidigung, ließ an seinem Schloss in Rastatt weiterbauen und  sah dem Treiben der triumphierenden Helden Marlborough und Prinz Eugen mit wachsender Verbitterung zu.

    Noch einmal sollte ihn der Wiener Hof brüskieren. Als die polnischen Stände Ludwig Wilhelm ihre Königskrone anboten, intervenierten die Habsburger.

    Ludwig Wilhelm litt. Unter seinem schlechten Gesundheitszustand, seiner Kriegsverletzung und unter dem Undank des Wiener Hofes.

    Er hatte nicht mehr viel Zeit, schrieb an Joseph I., sorgte sich um seine Gemahlin und seine Kinder.

    Joseph I. wusste inzwischen vom wahren Gesundheitszustand des Markgrafen und antwortete ungewohnt herzlich.

    An einem kalten Wintermorgen, am 4. Januar 1707 stirbt der krebskranke Ludwig Wilhelm im Alter von 51 Jahren in seinem Schloss in Rastatt.

    Sein Heimatland hat seinen Tod wenig betrauert. Obwohl er es schützte wie kein anderer Markgraf.

    Ludwig Wilhelm hat 23 Schlachten geschlagen, 25 Belagerungen geleitet und niemals eine Niederlage erlitten.

    Aber er war auch Befehlsempfänger Habsburgs. Er hatte Krieg zu führen.

    Sein Drama war, dass er diese Kriege in seinem eigenen Land ausfechten musste.

    Das Haus Habsburg hat ihm seine Dienste schlecht gedankt.

    Willi Andreas Weishaupt 2014


    Literatur:

    Baden-Württemberg 1/83, G.Braun

    Katalog zur Sonderausstellung 300 Jahre, Der Friede von Rastatt, „....das aller Krieg eine Thorheit sey.“, Stadt Rastatt

  • Arthur Grimm

    Arthur Grimm

     

    Arthur Grimm 400geb. 11. Februar 1883 in Mudau, † 23. Februar 1948 in Mudau.

    war Künstler, Maler und Radierer, lebte in Berlin und in Baden-Baden.

     


    Er studierte 1906 – 1913 an der Kunstakademie Karlsruhe bei L. Schmid-Reutte und war Meisterschüler von W. Trübner. Er gründete mit anderen Trübnerschülern die Künstlerkolonie Hollerbach bei Mudau. [2].

    Nach Studienreisen in Deutschland, Italien und Paris, lebte und arbeitete er in Berlin, Karlsruhe,  Baden-Baden und in Mudau.

    Sein einziges, selbst herausgegebenes Buch „Baden Baden in hundert Zeichnungen“ beinhaltet, neben einer Einführung und Sonetten von Reinhold Schneider,  Aquarelle und Radierungen von Baden-Baden und seiner Umgebung, das Leben in Baden-Baden und als dritten Teil die Köpfe und Gestalten der Stadt Baden-Baden.


    [1] Arthur Grimm, Baden Baden in hundert Zeichnungen, Kunstverein Baden-Baden,  Nr.: 172  auf Jan-Wellen-Papier, Union deutsche Verlagsgesellschaft Stuttgart

    [2] Leo Mülfarth, Kleines Lexikon Karlsruher Maler, Badenia Verlag,1987

     

    Willi Andreas Weishaupt 2014

  • Thomas Anshelm

    Thomas Anshelmus Badensis


    TABgeb. um 1470 in Baden-Baden, † um 1523 in Haguenau

    war einer der bedeutendsten Buchdrucker im humanistischen Deutschland.

     

    Über die Person Thomas Anshelm von Baden-Baden weiß man wenig, aber seine meisterlichen Druckkunstwerke sind uns erhalten geblieben.

    1488 erscheint sein erstes Buch, ein Plenarium auf eigener Druckerpresse in Straßburg.

    1500 druckt er in Pforzheim und lernt dort den großen Sohn der Stadt, den Philosophen und Humanisten Johannes Reuchlin kennen. Reuchlin war zu dieser Zeit auch Bundesrichter der Fürsten im Schwäbischen Bund, TAB ein begnadeter Drucker. Die meisten Schriften Reuchlins hat er verlegt.

    Zehn Jahre später zieht er dann auch in die Universitätsstadt Tübingen. Dort lernt er Philipp Melanchthon kennen.

    Ab November 1516 arbeitet er in Haguenau, damals eine Stadt mit über dreißig Druckereien.

    Im 16. Jahrhundert werden bereits über 200 Millionen Bücher in Europa gedruckt.

    Und viele davon trägt der Rhein flussabwärts.

    Zusammen mit Melanchthon verteidigte er dort seine „jüdischen Bücher“, die Fanatiker wie Johannes Pfefferkorn lieber auf dem Scheiterhaufen sahen.

    Mit Heinrich Gran, dem Herausgeber der Dunkelmännerbriefe, arbeitet er zusammen.

    TAB war ein Meister der Buchstaben.

    Erasmus lobt die Schönheit seiner lateinischen, griechischen und die ersten in Deutschland gedruckten hebräischen Schriftzeichen und Setzungen.

    Nach seinem Tod im Jahr 1523 führte sein Schwiegersohn Johann Setzer die Druckerei in Haguenau fort.

    Willi Andreas Weishaupt 2014

     

  • Johannes Schroth

    Johannes Schroth

     

    Johann Schroth 180geb. 18. Dezember 1859 in Jöhlingen, † 23.11.1923 bei Offenburg

    war Architekt, Baurat und um 1900 einer der wichtigsten Kirchenbaumeister im badischen Raum, begann ein Architekturstudium in Karlsruhe und Charlottenburg.

     

     

     

     

     

    Mit 25 Jahren begann er seine Architekten-Laufbahn im erzbischöflichen Bauamt Heidelberg unter Ludwig Maier.*

    Nach drei Jahren geht er nach Berlin zu August Orth, einem angesehenen freien Architekten in der Reichshauptstadt.

    Doch bereits ein Jahr später (1888) kommt er zurück, jetzt ins erzbischöfliche Bauamt Karlsruhe unter Adolf Williard.

    Dort wird er 1893 zunächst nur kommissarischer und dann vier Jahre später offizieller Leiter der Baubehörde.

    Bereits früh benutzt er neuromanischen Formen, wie etwa bei St. Johannes in Wagshurst, wo er sich an der Benediktiner-Abtei in Schwarzach orientiert.

    Beim Bau der Sinzheimer Pfarrkirche eskaliert der Streit zwischen Schroth und Meckel und erst nach dessen Entlassung baut Schroth Kirche um Kirche.

    Karlsruhe war um 1900 eines der Zentren des Jugendstils in Deutschland.

    Schroth übernimmt diese Bauform. Die Avantgarde waren andere: Hermann Billing, der die Kunsthalle in Baden-Baden erbaute, Robert Curjel oder Karl Moser.

    Die bauen die Pauluskirche in Basel, die Christuskirche und die Lutherkirche in Karlsruhe, aber die Lutherkirche in Baden-Baden errichtet Martin Elsaesser.

    Und Schroth baute St. Bernhard in Badens Weststadt. Ein Kuppelbau aus hellem Murgtaler Sandstein, vielleicht dem wichtigsten Jugendstilbau in der Erzdiozöse Freiburg.

    Die kirchliche Empörung war groß.

    Doch Schroth setzte sich durch.

    Schroth wurde mehrfach geehrt und 1918 hat der badische Großherzog ihn zum Baurat ernannt.

    Die Aufbruchsstimmung der 1920er Jahre sollte Johannes jedoch nicht mehr erleben.

    Er starb, noch nicht einmal 64 Jahre alt. Begraben wurde er in Karlsruhe.

    * Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gab es vier Erzbischöfliche Bauämter im Großherzogtum Baden:
    Karlsruhe und Freiburg, dann Heidelberg und Konstanz.

    Max Meckel, ausgebildet in Köln, jetzt erzbischöflicher Baudirektor in Freiburg, war Vorgesetzter aller vier Bauämter und nicht gut auf Schroth zu sprechen. Er warf ihm vor „wenig geschult“ zu sein.

    Schroth keilte dagegen.

    Die Erzbischöfe ließen nur neugotisch oder neuromanisch designte Kirchen zu.

    Die Konflikte waren vorgegeben.

    Quellen:

    [1] Foto aus dem St.-Lioba-Blatt Nr.42 vom 19.10.1913, Diözesanarchiv Freiburg

    Ulrich Coenen, BNN, Januar bis März 2014


    Interessante Kirchen:

    Achern, St. Stefan

    Daxlanden, Heilig-Geist-Kirche

    Ettlingen, Herz Jesu

    Gengenbach, Kirche der Franziskanerinnen

    Hockenheim, St. Georg

    Kappelrodeck, St. Nikolaus, „Achertäler Dom“

    Karlsruhe, St. Bonifatius

    Kehl, St. Johannes Nepomuk

    Kuppenheim, St. Sebastian

    Neusatz, Jugendstil

    Offenburg, Dreifaltigkeitskirche

    Ottenau, St. Jakob

    Ottersweier, Pfarrkirche

    Steinbach, St. Jakobus

    Wagshurst, St. Johannes der Täufer


     

    Willi Andreas Weishaupt 2014
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  • Bernhard II. von Baden

    Bernhard II. von Baden

     geb. 1428 in Baden-Baden, † 15. Juli 1458 in Moncalieri

     

    Die Eltern waren Markgraf Jakob I. von Baden und Katharina von Lothringen.
    Jakob I. verwirklichte die Gründung des Kollegiat-Stifts, betrieb den gotischen Neubau der Stiftskirche und gründete 1426 das Franziskanerkloster Fremersberg.

    Bernhard wurde im Schloss Hohenbaden geboren und wuchs am Hof des Königs René I. d’Anjou in Angers auf. Sein Bruder Karl war mit Katharina von Österreich verheiratet, so hatte Bernhard Zugang zum Wiener Hof und wurde in jungen Jahren persönlicher Gesandter von Friedrich III.

    In seinem Auftrag sollte er auch, nachdem Konstantinopel 1453 von den Türken erobert wurde, in den befreundeten Fürstenhäusern für einen neuen Kreuzzug gegen das osmanische Reich werben. 1458 stirbt er in Moncalieri an der Pest.

    Bernhard II. war tiefreligiös und teilte sein Vermögen mit Anderen (Ein Drittel bekamen die Armen, ein Drittel kirchliche Stiftungen und ein Drittel behielt er für sich).

    Als an seinem Grab in der Marienkirche in Moncalieri sich angebliche Wunderheilungen häuften, wurde er 1769 selig gesprochen.

    Der damalige Markgraf ließ in Rastatt einen Brunnen zum Andenken an die Seligsprechung seines berühmten Vorfahren errichten.

    Willi Andreas Weishaupt 2014

  • Paracelsus

    Paracelsus
     
    17. Dezember 1493, † 24. September 1541
    war Arzt, Alchimist, Astrologe, Philosoph und Schriftsteller.

     

    Louvre-Kopie des verlorenen Porträts von Quentin Massys
     

    Geboren wurde Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim bei Maria-Einsiedeln im Kanton Schwyz.

    Columbus hatte gerade den westlichen Seeweg nach Indien entdeckt, Granada, die letzte Feste der maurischen Kultur in Europa war gefallen. Martin Belheim hatte den ersten Globus in Nürnberg vollendet und Martin Luther war zehn Jahre alt.

    Theophrast verliert früh seine Mutter und der achtjährige zieht mit seinem Vater einem aus Schwaben stammenden Arzt nach Villach in Kärnten.

    Er studiert Medizin in Basel, Wien und  Ferrara und erlangt mit siebzehn seinen Bakkalaureus der Medizin. Danach beginnt er seine Wanderjahre durch Süditalien und Sizilien, zieht auf den alten Handelswegen nach Barcelona und Andalusien, besucht Santiago de Compostela und wandert auf der Pilgerstrasse nach Frankreich zurück.

    In der Stube daheim erfährt man nichts, als was die Phantasie hergibt; die Augen aber, die in der Erfahrenheit ihre Lust haben, das sollen die Professores eines wirklichen Arztes sein, schreibt er später.

    Er nennt sich jetzt Paracelsus.

    Über Antwerpen, da kannst du auf den Marktplätzen mehr lernen als in den deutschen und welschen Hochschulen, wandert er nach Friesland und Hamburg und arbeitet als Chirurg im dänischen Feldzug gegen Schweden.

    Seine Versuche, eine eigene Praxis an einem festen Ort zu gründen, scheitern. Entweder verprellt er durch seinen beißenden Spott seine Kollegen, die er als  Hundemetzger, Lügner, Hornochsen, Bescheisser und Mörder bezeichnet, oder er bringt die Obrigkeit durch seine Kontakte mit aufständischen Bauern gegen sich auf.

    Er wandert nach Ulm, Tübingen, besucht das Kloster Hirsau, behandelt 1526 den kranken Markgrafen Philipp I. und untersucht die heißen Quellen von Baden-Baden.

    Damit die Kranken geheilt werden, hat Gott in seiner Schöpfung verordnet, daß im aufspringenden Wasser mehr Kraft erfunden werde, denn in gescheiten Briefen geschrieben. Die heißen Wasser von Badin aber sind vollkommener als alles andere.

    Ende des Jahres wird er Bürger von Straßburg und verbrennt ein Jahr später die Lehrbücher der damals verehrten Medizinpäpste Hippokrates, Galenus und Avicenna in Basel.

    Ich habe die Summa der Bücher in Sanct Johannis Feuer geworfen, auf daß alles Unglück mit dem Rauch in Luft gang.

    Bildnisse1540 stirbt Paracelsus in Salzburg, kaum achtundvierzig Jahre alt. Sein Grabmal befindet sich in den Gruftarkaden der St. Sebastianskirche in Salzburg.

    Auf seinem Grabstein steht:

    „Hier ruht Philippus Theophrastus Paracelsus, ausgezeichnet als Doktor der Medizin, der jene grässlichen Krankheiten Aussatz, Zipperlein, Wassersucht durch seine wunderbare Kunst heilte, seine Habe und Gut unter die Armen verteilen ließ und im Jahre 1541, am 24. September, sein Leben mit dem Tod vertauschte“.

    Das medizinische Weltbild von Paracelsus besteht aus den vier Säulen Philosophie, Astronomie, Alchemie und ärztliche Ethik. Er lehnte das reine Bücherwissen als Spekulation ab und glaubte, dass nur der Umgang mit der Natur dem Arzt Weisheit bringe. Die medizinischen Autoritäten bezeichnete er als Phantasten, die in Unkenntnis der Verhältnisse Lügen verbreiten".
    Er bekämpfte die antike "Vier-Säfte-Lehre", wonach der Körper aus Blut, Schleim, roter und schwarzer Galle besteht.

    Paracelsus hingegen setzte sich für Heilmethoden ein, die gezielt auf Krankheiten und auf den Patienten abgestimmt sein sollten. Bei seinen umfassenden Untersuchungen berücksichtigte er die Gemütslage, die soziale Umgebung und setzte auch seine astrologischen Kenntnisse ein, da nach seiner Überzeugung der Mensch mit seinem materiellen Körper im Kosmos integriert sei.


    Quellen:

    Peter Wienich, Über bedeutende Ärzte der Geschichte I, Robugen GmbH
    Rita Wilp, Zur Paracelsus-Ausstellung in Magdeburg, Dt. Ärzteblatt 1997
    Pirmin Meier, Paracelsus – Arzt und Prophet, Ammann

     Abbildungen aus Hubert Göbels. 1890

     Willi Andreas Weishaupt 2014

  • Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg

    Franziska Sibylla Augusta von Sachsen-Lauenburg

    Sybilla Augusta 200 1675, † 10.06.1733
    war Markgräfin von Baden-Baden.
    Sie war die Bauherrin von Schloß Ettlingen, bei Karlsruhe und Schloß Favorite.

    Sibylla wuchs zusammen mit ihrer älteren Schwester Anna Maria Franziska im Schloss Schlackenwerth in Nordböhmen auf. Als sie 6 Jahren alt war starb ihre Mutter.

    Unterrichtet wurde sie von Christian August von Sulzbach, einem toleranten Pfalzgrafen und Fürsten, der den Bewohnern das Recht gab ihren evangelischen oder katholischen Glauben frei auszuüben, und von Gräfin Werschowitz die später verdächtigt wurde Sybillas Vater vergiftet zu haben.

    Schon mit 13 Jahren beschrieb sie in ihren Aufzeichnungen "Vierfacher Handschrein: Unterschiedliche Kunst, Speiß, Confiture und Medicinal-Sachen"   Wege zur Farbenherstellung und detaillierte Anleitungen zur Herstellung ostasiatischer Lack-Arbeiten. Bald darauf verwaltete sie die väterliche Kunstsammlung.

    Der sehr wohlhabende Vater, Herzog Julius Franz von Sachsen-Lauenburg starb 1689 und hatte die Verheiratung seiner beiden Töchter testamentarisch Kaiser Leopold I. übertragen.

    Also konnte Leopold I. seinen beiden erfolgreichen Feldherren und Fürsten Ludwig Wilhelm und dessen Cousin Prinz Eugen von Savoyen eine vielversprechende Heirat in Aussicht stellen.

    Als Ludwig Wilhelm 1690 in Schlackenwerth eintraf, verliebte er sich nicht in die vom Kaiser gewählte ältere Schwester Anna Maria sondern in die jüngere, die 14-jährige Franziska Sibylla Augusta. Im gleichen Jahr heirateten die beiden und wohnten in dem neuerbauten Seitenflügelschloss von Schlackenwerth - dem Weißen Schloss.

    Ludwig Wilhelm war zu dieser Zeit ein berühmter Feldherr.

    Nach seinem Sieg über die Türken in Ungarn befehligte er die Truppen im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) und so hielt sich das Markgrafenehepaar häufig in Bayern auf, denn Sibylla begleitete ihren Mann bis ins Feldlager.

    Vier Kinder hatte sie am Ende dieses Krieges zur Welt gebracht, aber keines wurde älter als sechs Jahre.

    Als der Krieg zu Ende ging, begannen die beiden mit dem Wiederaufbau ihrer Markgrafschaft Baden.

    In Rastatt, ihrer neuen Residenzstadt, hatten sie Großes vor. Zuerst wurde eine Festung angelegt, dann fächerförmig die Stadt nach dem Schloss ausgerichtet.
    Das Schloss wurde als dreiflügelige Anlage ganz im Stil Ludwig XIV. konzipiert.
    Der Rohbau stand bereits 1702.

    Doch ein neuer Krieg war ausgebrochen, dessen Ende Ludwig Wilhelm nicht mehr erleben sollte. Er starb im Januar 1707 an einer Kriegsverletzung  in Rastatt. 
    Epitaph und Grab finden wir in der Stiftskirche in Baden-Baden. Sein Herz wurde im Kloster Lichtenthal aufbewahrt.

    Sibylla war jetzt Markgräfin von Baden-Baden, 32 Jahre alt, gebildet, eine selbstbewusste, diplomatisch überaus erfolgreiche Frau, reich, hatte zwei Söhne und eine Tochter - und sie hatte Träume. Einige davon verwirklichte sie, so z.B. Schloss Favorite, ihr Lust- und Porzellanschloss, die gesamte Gartengestaltung im Schloss Rastatt und den Ausbau von Schloss Ettlingen als Alterssitz.

    Sibylla war eine kluge und faszinierende Frau ihrer Zeit.

    Sie liebte Kunst, Musik und Tanz. Legendär waren ihre Maskenbälle. Ihre Lust an der Verkleidung zeigt sich in den „Kostümbilder“, die sich heute im Spiegelkabinett von Schloss Favorite befinden.

    Als selbstbewusste und gut vernetzte Markgräfin war sie einflussreich und trotzte dem Kaiser einen großen Teil seiner versprochenen Belohnungen für Ludwig Wilhelm ab.

    Aber sie war als Kind Böhmens auch sehr katholisch, erlebte früh die dortige Reliquienverehrung, die Wallfahrten und die ausgeprägte Marienverehrung.
    Später kam der Einfluss des Baden-Badener Jesuitenkollegs hinzu.

    1717 rief der Jesuit Joseph Mayr zu einer Bußprozession in Rastatt auf und vorneweg ging Sibylla, wie alle trug sie eine Dornenkrone und geißelte sich selbst.
    Auch soll sie die Verbrennung, mehrerer als zu „anzüglich“ eingestufte Gemälde ihrer Sammlung, veranlasst haben.

    Sie war oft im Benediktinerstift  Einsiedeln. Die dortige Gnadenkapelle ließ sie sowohl in Schlackenwerth als auch in Rastatt wiederauferstehen.
    Sybilla sah sich selbst als Leidensschwester von Maria Magdalena und ganz im Zeichen der Zeit als große Sünderin.

    1727 wurde ihr Sohn Ludwig Georg Simpert Markgraf und Sibylla zog sich nach Schloss Ettlingen zurück.

    Sie starb im Alter von 58 Jahren und wurde in der Schlosskirche Rastatt  beigesetzt.

    Franziska Sibylla Augusta von Baden

     

    Markgrafin Franziska Sibylla Augusta

     

     

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